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Der Lufttänzer

Hubert Scheibe, Künstler

Was und vor allem wer ist ein Künstler? Wozu braucht der Mensch überhaupt die Kunst?

Auf den ersten Blick ist ein Künstler, der es geschafft hat, sich auf dem Marktplatz durchzusetzen. „Alles, was mich interessiert, ist Geld“, soll Salvador Dalì gesagt haben. Kein anderer Markt ist von solchen Ungleichheiten geprägt wie der Kunstmarkt. Da gibt es die wenigen Malerfürsten mit ihren Millioneneinnahmen, während 95% der Künstler von ihrer Kunst nicht leben können. Dabei ist es verpönt, Kunst als Ware zu begreifen. Die Kunst zähle, nicht das Geld, so die Botschaft. Kunst ist Selbstzweck, ist Berufung, ohne Hintergedanken an Geschäft und Nutzen.

Hubert Scheibe kennt das alles. Der Wahlmeraner schlägt sich als Künstler durchs Leben. Seine Bilder, Grafiken und Objekte sind in Museen zu sehen. Dutzende Ausstellungen im In- und Ausland hat er mitgemacht. Anerkennung zollen ihm viele. 1964 in Bozen geboren, wächst Scheibe im Haus seiner Eltern in Reschen auf. Der Vater – ein Gestrandeter, Zugezogener –  verdingt sich als Restaurator und Hobbymaler, die Mutter – waschechte Vinschgerin, Hausfrau, Zimmervermieterin – hält die Fäden zusammen. Behütete Kindheit mit der Schwester am Pass.
Am Realgymnasium in Meran hält es den Jungen nicht lange, es verschlägt ihn nach Innsbruck, Scheibe besucht dort die vierjährige Kunstgewerbeschule und lernt „hier im Ausland“ seine Heimat zu lieben. Nach dem Abschluss mit dem Meisterbrief folgt eine kurze Heimkehr, um dann endgültig für zwei Jahrzehnte in Wien zu leben. Scheibe schafft unter dutzend Bewerbern die Aufnahme in die Akademie der bildenden Künste am Schillerplatz, „vier Jahre des Lernens und Wachsens“, erinnert er sich an eine glückliche Lebenszeit. Mit dem Magisterdiplom in der Tasche feiert er den Studienerfolg in der U-Bahn. „Jelzin ist schuld, dass ich in Wien geblieben bin“, schmunzelt er. Ein geplanter Flug nach St. Petersburg zu einer Gemeinschaftsausstellung wurde wegen der damaligen Tumulte in Moskau kurzerhand gecancelt. Scheibe bleibt in Wien hängen, lernt seine zukünftige Partnerin kennen, wird Vater dreier Buben, und das Leben nimmt seinen Lauf. Mit dem Tod der geliebten Mutter folgt eine intensive Auseinandersetzung mit Sigmund Freud. Scheibe ist mittlerweile nach Südtirol zurückgekehrt, zuvor Auflösung des Wiener Ateliers und Beziehungsende: er beginnt von Neuem. „Ein bürgerliches Leben zu führen, ist mir nicht gegeben“, sinniert er. Heimatlos sei er wie der Vater, der nach dem Krieg aus Sachsen vertrieben wurde, und wie die Mutter, die mit dem Bau des Staudamms ihr Zuhause verloren hat. Lichtblicke in den kommenden Jahren sind die Geburt der geliebten Tochter Rosa und die Anerkennung für sein künstlerisches Schaffen.

Hunderte Bilder, Zeichnungen, Grafikarbeiten und Objektkunstwerke lagern in seinen Ateliers in Meran und am Reschen. Es ist die Zerbrechlichkeit des Menschen und des Herzens, das im Mittelpunkt von Scheibes Oeuvre steht. Der unschätzbare Wert der Freiheit und die Kinder sind zentrale Themen des Künstlers. Ein Leben ohne Kunst, ohne Musik, Malerei, Tanz… sei geistlos, ein „Horror vakui“, sinniert Hubert Scheibe, denn „jedes Kunstwerk ist ein Wunder, ein Erinnern und ein Hinweis auf das Göttliche“.

von Josef Prantl