Mit einer gemeinsamen Vision für die Allgemeinmedizin in Südtirol hat sich heute (20. Jänner) eine Fachtagung in der „Claudiana“ in Bozen beschäftigt.
Ärztinnen und Ärzte für Allgemeinmedizin und Krankenhausärzte, ärztliches Personal in Ausbildung, Pflegepersonal, Studierende der Medizin, Vertreter der Patientenorganisationen, Mitarbeiter der Gesundheits- und Sozialsprengel, Verantwortliche des Sanitätsbetriebs und der Landesverwaltung: Sie sind heute (20. Jänner) in der Landesfachhochschule für Gesundheitsberufe „Claudiana“ in Bozen zum „Tag der Allgemeinmedizin“ zusammengetroffen. „Allgemeinmedizin heute und morgen – wir bauen gemeinsam an unserer Zukunft“ lautete das Motto der Tagung, die die Allgemeinmedizin und ihre Herausforderungen in den Mittelpunkt stellte. „Weil eine gute Allgemeinmedizin uns allen ein Herzensanliegen ist“, habe man diese Veranstaltung organisiert, erklärte Maria Vittoria Habicher, Vizedirektorin des Landesamtes für Gesundheitsordnung, die, wie sie betonte nur „der Auftakt sei, für einen nachhaltigen Prozess, den wir weiterführen werden.“ Anhand von Impulsreferaten, Statements und der partizipativen Methode des „World Cafés“ wurden heute verschiedene Zukunftsszenarien entwickelt. Die Ergebnisse der Tagung wird eine eigene Steuerungsgruppe, bestehend aus Allgemeinmedizinern und Verwaltern des Gesundheitsressorts, analysieren und daraus konkrete Umsetzungsschritte planen. Diese Gruppe ist es auch, die die fünf Kernthemen der heutigen Tagung vorbereitet hat: „Selbstbild und Fremdbild“, „Ausbildung“, „Zusammenarbeit und Kommunikation“, „Organisation, Informatisierung und Ökonomisierung“ sowie „Persönlichkeitsbezogene Medizin“. „Themen, die alle wichtig sind, um zu sehen, was uns bewegt, und um die Allgemeinmedizin in Südtirol ein gutes Stück weiterzuentwickeln“, betonte Gesundheitslandesrätin Martha Stocker eingangs. Sie nahm auch die Gelegenheit wahr, Vizedirektorin Habicher anlässlich deren bevorstehender Pensionierung für ihr jahreslanges Engagement im Sinne der Allgemeinmedizin zu danken. „Sie hat viel Positives gesät, das weiter wachsen möge“, so Stocker. Die neue Präsidentin der Ärztekammer Monica Oberrauch stellte in ihrem Statement die positiven Seiten des Berufsbilds Allgemeinmediziner dar – die ganzheitliche Betreuung, den großen Handlungsspielraum, den starken menschliche, Kontakt -, aber auch die Problematiken wie die bevorstehende Pensionierungswelle und die fehlende Attraktivität. „Uns ist eine weniger bürokratische Medizin wichtig. Wir wünschen uns eine autonome, wissenschaftlich orientierte Ärzteschaft, deren Entscheidungen nicht als finanzielles Problem gesehen werden“, unterstrich Oberrauch die Position der Ärztekammer. Auf die Rolle der Allgemeinmedizin in einer immer älter und damit komplexer werdenden Gesellschaft bei gleichzeitiger Knappheit der Personalressourcen ging der Generaldirektor des Südtiroler Sanitätsbetriebs Thomas Schael ein. „Um dem künftigen Bedarf gerecht zu werden, müssen wir das gesamte System völlig neu aufbauen“, sagte Schael. Diese Herausforderung könne keine Berufsgruppe alleine stemmen. Vielmehr gelte es, Territorium und Krankenhaus, Fachmediziner und Allgemeinmediziner zu vernetzen, Abläufe zu vereinfachen und eine neue Form der Betreuung zu entwickeln, so Schael. Auch für Pflegedirektorin Marianne Siller ist die Vernetzung von Gesundheits-, Sozial- und Freiwilligenwesen wesentlich: „Nur so kann die Primärversorgung in Südtirol in Zukunft gestärkt werden.“ In diesem Zusammenhang beschäftige sich eine Arbeitsgruppe im Sanitätsbetrieb mit der Ausarbeitung eines Masterplans für „Cronic Care“, für Menschen mit chronischen Erkrankungen, ergänzte Siller. Die Allgemeinmediziner seien wesentliche Akteure, wenn es um die Verbesserung der Dienste vor Ort gehe, und „die Pflege will hier ihren Beitrag leisten“, betonte die Pflegedirektorin.
Danach ergriffen die beiden Hauptreferenten das Wort: Vincenzo Pomo, Arzt für Allgemeinmedizin aus Bari und Koordinator der Nationalen Agentur für Vertragsverhandlungen für konventionierte Ärzte (SISAC), sprach über Grundversorgung und neue Organisationsmodelle in der Allgemeinmedizin in Italien: „Die demografische Entwicklung und die Zunahme an chronisch Kranken erfordern ein wachsendes Angebot an Formen der wohnortnahen Betreuung und dementsprechende Ressourcen, um die bestmögliche Versorgung dieser Patienten zu ermöglichen und damit den Vorgaben des mit den Regionen abgesprochenen staatlichen Betreuungsplanes für die Betreuung chronisch Kranker Genüge zu tun“, sagte Pomo. „Es ist daher notwendig, die wohnortnahe Betreuung zu stärken und auszubauen.“
Sowohl Österreich als auch Deutschland haben mit vermehrten Ausgaben im Gesundheitsbereich massiv zu kämpfen, berichtete Herbert Bachler, Arzt für Allgemeinmedizin in Innsbruck und Präsident der Tiroler Gesellschaft für Allgemeinmedizin, in seinem Referat. „In den nächsten zehn Jahren gehen rund 50 Prozent der Haus- und Familienmediziner in Pension. Eine wesentliche Kosteneinsparung ist nur durch eine gut strukturierte Primärversorgung durch Allgemeinmediziner möglich“, erklärte Bachler. Diese beinhalte wesentlich die Vernetzung mit anderen Berufsgruppen, die Präventionsarbeit und die Verbesserung der Gesundheitskompetenz in der Bevölkerung. Die Tagung wurde mit einem Gespräch zwischen dem Krankenhausfacharzt Christian Wenter und dem Brixner Allgemeinmediziner Othmar Perkmann über gegenseitige Erwartungen und eine bessere Zusammenarbeit fortgesetzt.
Es folgten am Nachmittag die thematischen Diskussionsrunden, die noch im Laufen sind. Deren Ergebnisse werden abschließend zusammengefasst.
(mpi)