Lana – Als geistlicher Ritterorden der Katholischen Kirche hat der Deutsche Orden seit über 800 Jahren die Geschicke des Abendlandes mitgeprägt.
Zur Zeit der Kreuzzüge ins Heilige Land erfolgte um 1190 die Gründung des Deutschen Ordens in Akkon vor Jerusalem – zunächst als Hospital-Bruderschaft, bald darauf als päpstlich anerkannte Rittergemeinschaft zum Schutz der Pilger Christi. In Anlehnung an den Wirkungsbereich der bereits bestehenden Johanniter- und Templerorden verbuchte der Deutsche Orden von Anbeginn großen Zuspruch im Zeichen des schwarzen Ritterkreuzes. Aufgrund seiner hierarchischen Struktur mit dem Hochmeister als Ordensleiter sowie durch Nutzung des Naheverhältnisses von Kirche und Hochadel konnte sich die Ordensgemeinschaft zum bedeutenden mittelalterlichen Ordensstaat entwickeln. Ihm wurden namhafte Güter gestiftet, Grundbesitze samt Ländereien übermittelt und zur wirtschaftlichen Verwaltung übertragen. Den Ritterbrüdern gleichberechtigt waren die Priesterbrüder, denen die seelsorgliche Betreuung, die karitative Tätigkeit für Arme und Hilfsbedürftige, die Krankenpflege, darüberhinaus die Ausübung von Kunst und Wissenschaft oblagen. Rückschläge seiner Einsatzbereiche musste der Deutschordensstaat während der Lutherischen Reformation, den Bauernaufständen und Religionskriegen im 16./17. Jh. hinnehmen bis zur französischen Revolution, in welcher Napoleon die Souveränität des Ordens samt seiner Besitzungen um 1809 aufzulösen drohte. Unter dem kaiserlichen Schutz Habsburgs konnte dies verhindert werden, und um 1840 wurden die Statuten des Deutschen Ritterordens als Verfassung neu bestätigt.
Es folgte der bis heute anhaltende Neuaufschwung der Deutschordensgemeinschaft aufgrund der wichtigen Ordensreform, getragen von Erzherzog Maximilian von Österreich als Hochmeister und P. Peter Riegler, Theologieprofessor aus Trient, welcher 1842 die Ordensprofess in Bozen ablegte und als spiritueller Erneuerer des Ordens gilt.
Spirituelle und Struktur-Erneuerung
Seit 1202 war der Deutsche Orden in Bozen bereits ansässig und seitdem landesweit tätig. Besondere Bedeutung kommt Südtirol durch die vorgenannte Ordensreform zu. 1855 erfolgte die Gründung des ersten Priesterkonvents in Lana sowie der Erwerb des Klosteransitzes Lanegg mit der Bestimmung als Mutterhaus für die Deutschordensschwestern, deren karitative Tätigkeit seit 1254 im Sterzinger Heilig-Geist-Spital verbrieft ist. Mit der Ordensreform wurde das Schwesterninstitut als der weibliche Zweig im Deutschorden neu verankert und päpstlich anerkannt. Dessen Wirkungsbereich neben dem täglichen Christusgebet und den Eucharistiefeiern galt seit jeher der Erfüllung des Ordensleitbildes „Helfen und Heilen“ in aufopferungsvollem Dienst für alte und kranke Mitmenschen. Wenngleich die Ausbreitung der Ordenstätigkeiten noch gegen Ende des 19. Jh. zügig voranschritt, neben dem Erst-Konvent in Lana und dem Mutterkloster Lanegg zahlreiche weitere Neugründungsstätten im großdeutschen Raum entstanden waren, brachten die Kriegswirren im 20. Jh. neue ungeahnte Existenzkrisen. Während der Weltkriege unterhielt die Deutschordensgemeinschaft mehrere Feldspitäler, leistete somit unverzichtbare humanitäre Menschenhilfe in schwersten Zeiten. In den Nachkriegsjahren ab 1945 erschwerten die veränderte politische Ausgangslage den strukturellen wie ökonomischen Wiederaufbau im Deutschordenshaus. Unter Hochmeister P.Marian Tumler fand man zur bewährten Dreigliedrigkeit in der Ordensstruktur zurück: geistliche Träger sind die Priesterbrüder mit feierlicher Profess neben den Ordensschwestern – ebenso durch das ewige Gelübde an den Orden gebunden – und den Laienbrüdern „Familiaren“ genannt, welche sich durch ein Versprechen dem Orden angliedern. Brüder und Schwestern sind in weitgehend eigenständigen Ordensprovinzen zusammengeschlossen – unter Führung des Provinzprior bzw. der Provinzoberin – die Familiaren sind in „Balleien“ organisiert, geführt vom Balleimeister. Alle haben im Generalkapitel Sitz und Stimme, alle unterstehen dem Hochmeister als Generaloberen mit Sitz in Wien.
Deutschordensprovinz Südtirol
Das Priesterkonvent Lana ist Mittelpunkt der Ordensgemeinschaft, gleichzeitig Ausbildungsstätte der Novizen und Amtssitz des Provinzpriors, derzeit P. DDr. Arnold Wieland. Etwa zwei Dutzend tätige Deutschordenspriester betreuen als Seelsorger ein Dutzend Pfarreien im Burggrafenamt, Lana, Passeier, Ritten, Siebeneich Sarntal, Bozen, wobei diese Ortspfarreien auf Schenkungen von Kaiser und Kurie aus dem 13. Jh. zurückgehen. Wertvolle Erziehungshilfe und Jugendseelsorge leistet der Deutschorden in seit Jahrzehnten geführten Studentenheimen in Bozen. Der Klosteransitz Lanegg mit der 1911 dazugebauten neubarocken Heilig-Kreuz-Kirche ist die Wiege der 40 Deutschordensschwestern und Amtssitz der Provinzoberin Sr. Hiltraud Unterkalmsteiner. Unbezahlbare Verdienste für die Bevölkerung werden den geschätzten Ordensschwestern zuteil für die liebevolle und fachgerechte Alten- und Krankenpflege, seit vielen Jahrzehnten in fünf Seniorenheimen. Aus christlicher Nächstenliebe entstanden, hat sich der Deutsche Orden im Lauf seiner langen Geschichte auch in seinem Wirkungsbereich gewandelt und den Bedürfnissen angepasst – er blieb uns als beispielhafte geistlich-soziale Glaubensgemeinschaft bis heute erhalten.
von Jörg Bauer