Mediziner sprechen von Mammakarzinom und meinen einen bösartigen Tumor in der Brustdrüse. Brustkrebs ist die mit Abstand häufigste Krebserkrankung bei Frauen.
Jährlich erkranken 48.000 Frauen in Italien an Brustkrebs. In Südtirol sind es fast 400 Frauen. Die positive Nachricht: Fünf Jahre nach der Behandlung sind noch vier von fünf Patientinnen am Leben.
Man geht heute davon aus, dass Brustkrebs durch eine Kombination aus genetischer Veranlagung, Lebensweise und Umwelteinflüssen entsteht. Noch immer steigen die Zahlen der Neuerkrankungen weltweit leicht an. Die Gründe dafür liegen einerseits in der erhöhten Lebenserwartung; denn mit zunehmendem Lebensalter nimmt das Risiko, an Brustkrebs zu erkranken, ständig zu. Aber auch Umwelteinflüsse und die moderne Lebensführung haben zu einem Ansteigen der Erkrankungszahlen geführt, gerade bei jüngeren Frauen. Die genauen Ursachen sind allerdings unbekannt. Brustkrebs hat im Vergleich zu anderen Tumorerkrankungen einen relativ günstigen Krankheitsverlauf. 79 % aller Patientinnen überleben heutzutage die Krankheit im Zeitraum von fünf Jahren nach Ersterkrankung. Umso wichtiger ist Vorsorge. Seit 2007 gibt es in Südtirol einen Ableger der deutschen Patientinnen-Initiative „mamazone- Frauen und Forschung gegen Brustkrebs“. Wir sprachen mit der Algunderin Martina Ladurner, die unter der Schirmherrschaft der ehemaligen und 2016 verstorbenen Präsidentin von „mamazone Deutschland“, Ursula Goldmann Posch, und zusammen mit Erika Laner „mamazone Südtirol“ vor 11 Jahren ins Leben gerufen hat.
Wie und warum kam es zur Gründung von mamazone in Südtirol?
Martina Ladurner: Zum einen war es meine langjährige Freundschaft mit der gebürtigen Boznerin und mamazone-Gründerin Ursula Goldmann Posch, zum anderen mein politischer Einsatz für Frauengesundheit und Brustgesundheit im Speziellen. Gemeinsam mit Erika Laner wollten wir somit auch in Südtirol die Anliegen von mamazone vorantreiben.
Was ist das Anliegen von mamazone?
Das Grundanliegen von mamazone ist, die Überlebensperspektiven von Frauen mit Brustkrebs zu verbessern. mamazone unterstützt und berät Frauen mit Brustkrebs, engagiert sich für mehr Qualität in Diagnostik, Therapie und Nachsorge, macht sich für eine frauengerechte Medizin bei Brustkrebs stark und fördert aktive, informierte und selbstbestimmte Patientinnen.
Brustkrebs ist eine große Sorge vieler Frauen. Zu Recht?
Es sind Fakten, dass jede 8. Frau im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs erkrankt und dass Brustkrebs (noch) die häufigste Tumorerkrankung bei Frauen ist. Allerdings ist auch zu sagen, dass je früher Brustkrebs erkannt wird, desto besser sind die Erfolgsaussichten der Behandlung. Zusammenfassend heißt dies: die Anzahl von Neuerkrankungen nimmt zwar in den letzten Jahren ständig zu, die Zahl der Todesfälle nimmt jedoch ab.
In Südtirol wird seit 2003 ein flächendeckendes Mammografie-Screening angeboten. Wie wird dieses Vorsorgeprogramm von den Frauen angenommen?
Im Jahr 2014 haben laut einer Untersuchung des Südtiroler Sanitätsbetriebes 66,1 % der Frauen zwischen 50 und 69 Jahren über das Mammografie-Screening-Programm eine Mammografie gemacht. Auch hier ist zu sagen: je mehr Frauen das Screening-Programm annehmen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit der Früherkennung von Brustkrebs. Sensibilisierungskampagnen sind deshalb auch in Zukunft notwendig.
In Meran und Brixen gibt es ein Brustgesundheitszentrum. Was wird dort gemacht?
mamazone empfiehlt grundsätzlich zur Behandlung des Brustkrebs in einem Brustgesundheitszentrum, in dem die Zusammenarbeit mit Medizinern aus Chirurgie, Radiotherapie, internistischer Onkologie, Radiologie, Gynäkologie, Psychologie und Rehabilitationstherapie garantiert ist. Früherkennung, Diagnostik und lokale systemische Therapie sowie Nachbetreuung bei Patientinnen mit Mammakarzinom sind Teile eines Gesamtkonzeptes, welches nur durch eine fachübergreifende Kooperation tragfähig sein kann. Es ist essentiell, um eine weitere Senkung der Todesfälle des Mammakarzinoms zu erreichen. Durch gezielte Maßnahmen der Qualitätssicherung und durch Kompetenzbündelung kann eine hochwertige Versorgung von Patientinnen mit Mammakarzinom gewährleistet werden.
Was kann jede Frau selbst zur Früherkennung einer Erkrankung beitragen?
Erstens die verschiedenen Angebote der Früherkennung nutzen. Zweitens können regelmäßige Bewegung, Ausdauersport, eine fettarme, mediterrane Ernährung, reich an Obst und Gemüse, frühe Schwangerschaften und Stillen sowie ein gesunder Lebensstil das Risiko, an Brustkrebs zu erkranken, senken.
Wo finden Betroffene unbürokratisch und schnell bei uns Hilfe?
mamazone ist über die E-Mail-Adresse info@mamazone.it oder die Telefonnummer 335 6506353 (es antwortet Erika Laner) direkt erreichbar. Für Informationen ist unsere Internetseite www.mamazone.it abrufbar.
Was empfehlen Sie den Angehörigen von betroffenen Frauen?
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Information und Wissen um die Erkrankung für viele Angehörige genauso wichtig ist wie für die betroffenen Frauen selbst. Deshalb bieten wir auch jährlich mit unserem Projekt „Diplompatientin“ eine Wissensoffensive mit hochkarätigen Experten und den neuesten Ergebnissen aus Diagnose, Therapie und Nachsorge an.
Wie geht es mit mamazone Südtirol weiter?
Ausschlaggebend für die Zukunft von mamazone wird sein, dass auch weiterhin die verschiedenen Projekte durch öffentliche Beiträge ausreichend unterstützt werden. Denn wir wollen uns auch weiterhin für die Anliegen von Frauen mit Brustkrebs stark machen! Es gibt viel zu tun: mamazone-Patientinnenmappen werden neu aufgelegt, und das Projekt „Diplompatientin“ am 20. Oktober 2018 ist schon voll in Ausarbeitung. In diesem Jahr setzen wir den Schwerpunkt auf das Nebenwirkungsmanagement bei Brustkrebs und greifen hierbei aktuelle Fragen auf.
„Wir Ärzte müssen zusammenarbeiten“
Der gebürtige Algunder Lukas Prantl ist Facharzt für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie sowie Handchirurgie.
Am Universitätsklinikum Regensburg ist er Professor für Plastische Chirurgie und leitet das Hochschulzentrum für Plastische und Ästhetische, Hand- und Wiederherstellungschirurgie. Außerdem ist er ärztlicher Direktor am renommierten Caritas-Krankenhaus St. Josef und Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft der Plastischen Chirurgen.
Er beantwortet im BAZ-Interview die wichtigsten Patientinnenfragen.
Herr Professor Prantl, wie erkennt man, dass man an Brustkrebs erkrankt ist?
Univ.-Prof. Lukas Prantl: Im frühen Stadium verursacht der Brustkrebs keine Beschwerden. Daher ist es wichtig, die Brust regelmäßig abzutasten. Bei Verhärtungen, Größenveränderungen, Auffälligkeiten der Haut bzw. der Brustwarze oder Schwellungen in den Achseln sollte ein Frauenarzt aufgesucht werden.
Was empfehlen Sie Frauen, die diese Diagnose erhalten?
Für die betroffenen Frauen ist es wichtig, dass sie sich an ein Zentrum wenden, in welchem die Spezialisten für Brustkrebs zusammenarbeiten. Dazu gehören die Frauenärzte, Onkologen, Strahlentherapeuten und Plastischen Chirurgen. Es ist wichtig, dass für die Patientin ein individuelles Behandlungskonzept erarbeitet wird.
Welche Möglichkeiten der Behandlung bieten sich heute an?
In vielen Fällen ist es heute möglich, eine brusterhaltende Therapie durchzuführen. Allerdings ist bei großen Tumoren, bei Tumoren, die an mehreren Lokalisationen auftreten, abzuwägen, ob nicht eine Entfernung der Brust mit Wiederaufbau sinnvoll ist. Durch die modernen Techniken der Plastischen Chirurgie ist es heutzutage sehr gut möglich, eine Brust so wiederherzustellen, dass für den Laien kein Unterschied zur gesunden Gegenseite feststellbar ist.
Sie haben neue Methoden zum Wiederaufbau der Brust nach einem operativen Eingriff entwickelt, darunter auch mit Eigengewebe. Können Sie uns das etwas näher erläutern?
Sehr gut eignet sich das Bauchgewebe zum Wiederaufbau. Hierbei wird das überschüssige Haut-Fettgewebe am Bauch entnommen und zur Formung einer neuen Brust verwendet. Die Bauchmuskeln werden dabei nicht geschädigt. Zudem ist es auch möglich, gesunde Lymphknoten aus der Leistenregion in die Achsel zu verpflanzen.
Wenn die Voraussetzungen für die Rekonstruktion mit einem Implantat gegeben sind, gibt es Risiken?
Die Brustwiederherstellung mit Implantat rate ich nur Patientinnen, bei denen der Bauch, das Gesäß oder die Oberschenkel zur Eigengewebsentnahme nicht geeignet sind, also bei äußerst schlanken Patientinnen. Sehr problematisch ist die Kombination eines Implantates und einer Bestrahlung der Brust. Es kommt dann in den meisten Fällen zu einer Verhärtung der Brust mit Verformung.
Worauf sollte man bei Implantaten achten?
Wichtig ist es, dass hochwertige Implantate verwendet werden und dass diese Fremdkörper von ausreichendem eigenen Gewebe bedeckt sind, damit sie nicht durch die Haut erkennbar oder tastbar sind.
Immer noch weigern sich Frauen, am Mammografie-Screening-Programm teilzunehmen. Wie kann man ihnen die Angst davor nehmen?
Experten sind sich einig, dass der Nutzen des Screening für Frauen zwischen 50 und 69 Jahren bei einem sehr geringen Risiko deutlich überwiegt. Das Screening bietet die Möglichkeit, ein Karzinom so früh zu erkennen, dass es heilbar sein kann.
Kann man Brustkrebs vorbeugen bzw. wer ist besonders gefährdet?
Wichtig ist herauszufinden, ob eine familiäre Häufung an Brustkrebs vorliegt. In solchen Fällen sind Untersuchungen spezieller Brustkrebsgene möglich. Bei Trägerinnen dieser Gene ist auch gründlich abzuwägen, ob eine beidseitige vorbeugende Entfernung der Brust sinnvoll ist, da das Risiko sehr hoch ist, dass solche Frauen einen Brustkrebs im Laufe ihres Lebens bekommen.
Oscar-Preisträgerin Angelina Jolie ließ sich präventiv wegen ihres hohen Brustkrebsrisikos beide Brüste abnehmen. Wie finden Sie das?
Wie gesagt, wenn eine sehr hohe familiäre Belastung und eine Veränderung in der Erbinformation vorliegen, ist das Risiko sehr hoch, an Brustkrebs zu erkranken. Die bekanntesten Genveränderungen sind das BRCA1 und BRCA2 Gen („Breast Cancer Gene“). Das Risiko, im Laufe des Lebens an Brustkrebs zu erkranken, liegt dabei bei 70 Prozent. Angelina Jolie hat sich daher beide Brüste entfernen und im gleichen Schritt wiederaufbauen lassen.
Sind auch Männer von Brustkrebs betroffen?
Brustkrebs kann auch bei Männern vorkommen, allerdings sehr viel seltener. In Deutschland sind dies ca. 700 Neuerkrankungen im Jahr.
von Josef Prantl