Auf einem Waldhügel am Rande der Obstkulturen von St. Georgen bei Schenna erhebt sich diese Höhenburg in aussichtsreicher Lage.
Die kompakte Burganlage mit über 10 Meter hoher, zinnengekrönter Ringmauer, erbaut mit Quadersteinen aus dem direkt dahinter abfallenden Naiftal, hat alte Ursprünge. Als Kernburg und ältester Bauteil aus der Römerzeit vor dem 12. Jh. gilt der mächtige Bergfried im Rechteck von 10 x 17 Meter mit Mauerstärken von 2 Meter und schmalen schießschartigen Lichtöffnungen. Die antike Legende geht auf einen Römer namens Gaius zurück, nach dem der sogenannte Römerturm benannt und Goyen als Burgenname abstammt. Aus dem 14. und 16. Jh. sind Erweiterungsbauten der Wohnburg überliefert, welche sich über drei Geländestufen erstrecken – somit zwei um 6 Meter höhenversetzte Innenhöfe als Besonderheit dieser Burganlage entstehen ließen.
Geschichtsträchtige Ereignisse
Nach den erstbenannten Besitzern Petermann von Schenna, Burggrafen von Tirol, ging Schloss Goyen an den aus dem Inntal stammenden Oswald Milser von Klamm. Nach ihm wird der um 1380 erbaute Milserturm als fünfgeschoßiger Wohnturm mit quadratischem Grundriss bei 10 Meter Kantenlänge benannt. Um 1400 erwarben die Ritter von Starkenberg Wohn- und Bleiberecht auf Burg Goyen, welche sie jedoch als Folge von Adelsstreitigkeiten mit Herzog Friedrich mit der leeren Tasche bald wieder verlieren; Burg Goyen wird landesfürstlicher Besitz ab 1422 und um 1500 von Kaiser Maximilian I. an die vermögenden Gebrüder Gaudenz und Georg Botsch als Lehen vergeben. Es erfolgte der Ausbau der Burg Goyen mit dem Renaissancepalas auf der Südseite in der heutigen Erscheinungsform. Um die Mitte des 17. Jh. folgten nach dem Tode des letzten Botsch die Herren von Stachelburg aus Partschins im Lehensstande; deren letzter geadelter Stammhalter, Graf Johann von Stachelburg, fiel um 1809 als Tiroler Held und Freiheitskämpfer in der Schlacht am Bergisel. Dessen Töchter, die alle in die Familie der Freiherren von Giovanelli einheirateten, übernahmen den anteiligen Besitz an der Burg. Im 19. Jh. folgten bäuerliche Pächter am Hof Goyen und die Burg wechselte mehrfach ihre Besitzer. Ihr Baubestand als Wohnfestung – eine der ältesten und besterhaltenen im Burggrafenamt – hatte nun zunehmenden Renovierungsbedarf. 1927 erwarb der holländische Kaufmann und Pionier Ludwig van Heek Schloss Goyen als sein künftiges Domizil. Er weilte bereits Jahre zuvor mehrfach zur Kur in Meran und am Vigiljoch. Das milde Ganzjahresklima und insbesondere die außergewöhnlich schöne Lage von Schloss Goyen über Meran bewogen ihn zur dauerhaften Lebensanlage. Seine steinerne Wohnburg wollte er grundlegend und sorgfältig restaurieren – eine Daueraufgabe, die er zusammen mit dem herrschaftichen Anwesen an seine Erben weiterreichte. Heute bewohnen und bewirtschaften Helmig van Heek mit Partnerin Monika und Sohn Philipp in 4. Generation dieses historische Baudenkmal.
Die Burgen-Architektur
Zu Füßen des Burghügels liegt der seit jeher in Pacht vergebene stattliche Goyenhof samt Wirtschaftsgebäude. Alte Kellereibestände mit einer Spindelpresse unter den Burggewölben bezeugen die vorwiegende Weinwirtschaft vor 100 Jahren am unteren Schenner Berg, die längst dem Obstanbau gewichen ist. Am Hof vorbei führt eine Zufahrt ostseitig zum oberen Burghof – entlang der geschwungenen hohen Ringmauer des Bergfrieds, mit Blick ins Naif- und ins Etschtal. Über eine prunkvolle Eingangshalle betritt man den Wohnpalas und quert ihn bis zur großen Südterrasse – ein sagenhafter mediterraner Aussichtsplatz in luftiger Höhe, von Zypressen umrahmt. Der uralte Terrazzoboden mit Steinornamenten in der Halle wird von reich bemalten Kreuzgewölben überspannt, deren Nischenbögen die Namen, Bilder und Wappen sämtlicher Burgbesitzer tragen – zusammen mit den bemalten Türstöcken und antiken Holztürblättern mit Einlegearbeiten ein erhabener Blickfang. Zu beiden Seiten der Eingangshalle liegen wertvoll ausgestattete, große Mittelsäle mit hohen Kachelöfen oder offenem Kamin – als Salon mit Gewölbedecke, als vollgetäfelter ehemaliger Rittersaal, als gräfliche Speisestube. Die geschwungene Treppe mit Holzstufen führt in die oberen Ruhe- und Schlafgemächer des viergeschossigen Palas.
Die höhenversetzten Burghöfe
Vom oberen Burghof führt ein überdachter Treppengang hoch an der Innenwand der Ringmauer entlang zum 6 Meter höher liegenden Bergfried, der zwar befestigt, aber seit Jahrhunderten unerschlossen dasteht und alles überragt.
Eine ansehnliche, schlichte Burgkapelle aus dem 17. Jh. liegt rechts vom oberen Zugang im Osten. Insgesamt ergibt dieser geräumige, idyllisch windgeschützte, von vielen Dutzenden Mauerzinnen überwachte obere Innenhof eine Wunschkulisse für das Theater. Gedacht, gesagt, getan… im Juli und August dieses Jahres wurde Schloss Goyen erstmalig zur Sommerbühne für die Schenner Laien-Volksschauspiele – mit beachtlichem Erfolg.
Der um 6 Meter tiefer gelegene untere Burghof nach Nordwesten kann als Wirtschafts-Innenhof bezeichnet werden; man erreicht ihn über die eigene Zufahrt vom Norden her oder über Treppenaufgänge in der Burgmitte. Von ihm aus werden ausladende Lagerräume im Palas-Erdgeschoss erreicht. Dem gegenüber dominiert der stattliche Milserturm, welcher Hauptobjekt von Restaurierungsarbeiten in den letzten Jahren war. Das 20 Meter hohe Baudenkmal wurde außen wie innen kernsaniert, Böden wie Decken neu eingezogen und mit zeitgemäßen Installationen versehen. Die Besitzerfamilie van Heek verwirklicht damit historische Wohnkubatur für künftige Burggäste.
Der Milserturm ist unterkellert, und nur für Eingeweihte gibt es – für alle Fälle – einen geheimen Stollenausgang bis an den Fuß des Burghügels. Burg Goyen ist ein lebendiges Kulturdenkmal, welches das Frühmittelalter bis in unsere Zeit der Moderne veranschaulicht; möge es durch wertvolle Erhaltungspflege in absehbarer Zeit seine 1000-Jahr-Feier unbeschadet bestehen.
von Jörg Bauer