Dorf Tirol liegt auf einer Anhöhe von rund 600 m Meereshöhe und reicht vom Zenoberg zum Naturpark Texelgruppe bis zu den Spronser Seen, die auf 2500 m Meereshöhe liegen. Die BAZ im Gespräch mit Altbürgermeister Ignaz Ladurner.
In Ihrer 25-jährigen Amtszeit als Bürgermeister und weiteren 10 Jahren im Gemeindeaussschuss hat sich in Tirol einiges getan.
Ignaz Ladurner: Es hat in Tirol schon immer einige kleinere Gasthöfe und Pensionen gegeben, trotzdem verdienten sich die Tiroler ihren Unterhalt vor allem mit der Land- und Viehwirtschaft. Früher wurde die Milch noch direkt an den dorfeigenen Milchhof geliefert, der sich nahe dem heutigen Buswendeplatz in der Dorfmitte befand. Wie überall gehörten auch einige kleinere Handwerksbetriebe zum alten Tirol. Doch mit dem aufkommenden Tourismus in der Nachkriegszeit änderte sich in Tirol vieles. Das Dorf wurde touristisch immer interessanter. Ab dem Jahr 1953 schossen dann Privatzimmervermietungen, Gasthäuser, Pensionen und Hotels plötzlich wie die Pilze aus dem Boden. Es kam zu einem regelrechten „Tourismus-Boom“, der erst in den 1970/80er Jahren eine erste Wachstumsgrenze erfuhr.
In den 1960 und 1970er Jahren befand sich das Handwerk noch hauptsächlich im Dorfzentrum. Das änderte sich mit der Erschließung der Handwerkerzone „Zenoberg“ an der Passer. Wie ist diese entstanden?
Die Notwendigkeit einer ausgewiesenen Handwerkerzone ergab sich daraus, dass die Handwerksbetriebe größer wurden und die Verkehrsbelastung im Dorf immer mehr zunahm. So hatte das Bauunternehmen Pircher seinen Standort beim ehemaligen bischöflichen Seminar Johanneum. Um mit den Lastwagen nach Meran zu kommen, mussten sie durch das Dorf fahren. Dieser Zustand war auf Dauer untragbar. Deshalb suchte man nach einer Alternative, die dann nahe dem Passerufer unterhalb der Zenoburg gefunden w
urde. Allerdings musste dieser Standort erst gesichert und die Auffahrtsstraße „Purenweg“ errichtet werden. In den 1990er Jahren wechselten dann verschiedene Gewerbetreibende und Dienstleister in die neue Handwerkerzone und ließen sich dort nieder.
Was können Sie uns zur alten Militäranlage unmittelbar neben der Handwerkerzone erzählen?
Auf dem ehemaligen Militärgelände befand sich das Munitionslager der Meraner Militäreinheit. Es wurde in den 1930er Jahren zeitgleich mit den Meraner Kasernen und dem Pferderennplatz unter dem faschistischen Regime errichtet. Soweit ich mich erinnern kann, waren auf dem Gelände stets vier bis fünf Wachmänner stationiert, welche die Anlage bewachten. Bis auf ein größeres unterirdisches Lager befand sich der Großteil des Lagers oberirdisch, das mit Stacheldraht eingezäunt war. Von der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg bis zu seiner Schließung im Jahr 1991 wurde die Anlage vom italienischen Heer in dieser Form weitergeführt. Einige Tiroler Landwirte durften das Areal unter Aufsicht des Militärs zwar mähen und das Heu anschließend einbringen, doch ansonsten lag das Land brach. Inzwischen ist das Areal in Landesbesitz übergegangen und wird von einem Kuenser Bauern bearbeitet.
Der geplante Küchelbergtunnel, die Errichtung einer Standseilbahn nach Tirol und Schenna sollen die Handwerkerzone an der Passer weiter aufwerten. Was halten Sie davon?
In meiner langjährigen Tätigkeit als Vorsitzender der Bezirksgemeinschaft Burggrafenamt war ich in die Konzeptionierung des Küchelbergtunnels direkt involviert. Es war ein Kampf, bis wir das erste Baulos für die Errichtung des Tunnels von der Schnellstraße MeBo bis zum Meraner Bahnhof realisieren konnten. Eine direkte Erweiterung bis zur Hauptstraße ins Passeier finde ich sinnvoll, um den Stadtverkehr in Meran zu entlasten. Einen Zwischenstopp in der Galileistraße, wie er derzeit vorgesehen ist, kann ich leider nicht nachvollziehen. Auch mit dem Konzept einer Standseilbahn von der Handwerkerzone Zenoberg nach Schenna kann ich, ehrlich gesagt, nicht viel anfangen. Das Thema wurde bereits während meiner Amtszeit schon mehrfach aufgegriffen.
In der Dorfmitte befinden sich mehrere Geschäfte. Wie hat sich das Dorfbild verändert?
Mir persönlich war es immer ein Anliegen, einen qualitativen Tourismus anzukurbeln. Ich war immer für Qualität an Stelle von Quantität. Deshalb hatten wir während meiner Amtsperiode für acht Jahre sogar einen Bettenstopp verordnet, damit sich das Dorf – nach dem Gäste-Boom der ersten Jahre – erstmal finden und erholen konnte.
In dieser Zeit wurden neue Infrastrukturen geschaffen und alte erneuert. So entstanden in den 1970er Jahren eine Reihe neuer Spazierwege, wie der Weg nach Schloss Tirol oder die Falkner-Promenade, die auf eine Initiative des Stifters Hans Norman Falkner aus Nordtirol zurückgeht und bis
heute ein beliebtes Ausflugsziel vieler Einheimischer und Urlauber ist. 1981 bekam Dorf Tirol ein Vereinshaus und einen Festplatz und damit auch einen Veranstaltungsort. Es entstand auch ein Minigolfplatz und einige Jahre später wurde eine Freizeitanlage mit mehreren Tennis- und Volleyballfeldern errichtet.
Betrachten wir Tirol als Wirtschaftsstandort, steht heute vor allem der Tourismus im Vordergrund. Was ist mit der Landwirtschaft?
Wirtschaftlich gesehen stützt sich Dorf Tirol auf den Tourismus, die Landwirtschaft, das Handwerk sowie den Handel und die Dienstleistung. Dabei haben Landwirtschaft und Handwerk die längste Tradition.
Wenn wir von der Landwirtschaft sprechen, ist vor allem der Obst- und Weinbau zu nennen. Dabei handelt es sich vor allem um klein- bis mittelgroße Bauernhöfe mit einer Anbaufläche von 2 bis 11 ha. Die Viehwirtschaft hingegen nimmt heute nur noch einen sehr geringen Stellenwert ein. Lediglich auf den Muthöfen und weiteren zwei bis drei Bauernhöfen am Rande von Tirol wird heute noch Vieh gehalten. Dennoch haben auch die Bauern vom Tourismus in Tirol profitiert. Schon allein durch die Errichtung der Seilbahn zur Hochmut.
Wahrscheinlich gibt es die Muthöfe heute nur deshalb noch, weil die dort stehenden Gastbetriebe durch den steigenden Wandertourismus plötzlich wieder einen Nebenerwerb hatten. Gleiches gilt für die Alm im Spronser Tal, die „Oberkaser-“ und die „Bockerhütte“ und den bis heute im Sommer und Winter von der Familie Wopfner bewirtschafteten Hof „Langfall“.
Das Spronser Tal war bereits für die österreichische Kaiserin Elisabeth ein bekanntes Ausflugsziel. Was zog Sissi in dieses Tal?
Das stimmt. Während ihres zweiwöchigen Besuchs in Meran im September 1897 stand für Kaiserin Sissi am 26. September auch ein Ausflug nach „Longfall“ auf dem Programm, bei dem sie unter der Leitung des städtischen Brunnenmeisters Tiegholzer die Meraner Quellen besichtigte, das Wasser verkostete und sich über die Temperatur desselben erkundigte, wie es in der damaligen „Meraner Zeitung“ stand.
Bis heute erinnert eine nahe der Quelle angebrachte Erinnerungstafel an diesen Besuch der Kaiserin. Von den insgesamt vier Bergwasse
rquellen im Spronser Tal wird auch heute noch das Tiroler Trinkwasser gewonnen.
Was den Standort Tirol besonders einzigartig macht, sind auch die vielen mittelalterlichen Bauwerke.
Das mittelalterliche Schloss Auer liegt am Eingang des Spronser Tales und wurde im 13. Jahrhundert erstmals urkundlich erwähnt. Es befindet sich heute im Besitz der Grafen von Khuen. Schloss Thurnstein hingegen befind
et sich im Ortsteil St. Peter, westlich von Schloss Tirol. Die Bezeichnung „Thurnstein“ taucht erst ab 1478 urkundlich auf. Heute ist das Schloss eine beliebte Gaststätte. Neben Schloss Auer und Schloss Thurnstein gibt es noch die Zenoburg. Diese bereits 1237 erwähnte Burg war bis zu ihrer Zerstörung im Jahr 1347 – zusammen mit Schloss Tirol – lange Zeit Residenz der Tiroler Landesfürsten. Inzwischen ist die Zenoburg bereits seit über 200 Jahren in Besitz der Familie Braitenberg und wurde während der 1970er und 1980er Jahre von Burgherr Carl von Braitenberg in ihrem Bestand als Ruine gesichert. Heute lebt hier Zeno Braitenberg. Die Kapelle und die südlich gelegene Vorburg wird als Austragungsort verschiedener kultureller Veranstaltungen genutzt. Alle kennen auch die Brunnenburg, auf der der berühmte Schriftsteller Ezra Pound lebte.
Kommen wir zum „Johanneum“, das seit Jahren dem Zerfall preisgegeben ist. Was geschieht damit?
Dazu kann ich nur sagen, dass sowohl das geplante Seniorenheim als auch die daran angeschlossene Reha mit den Bauherren fest ausgemacht war. Eine Umwidmung kann ich mir nicht vorstellen. Das Areal wurde von der Gemeinde und dem Land zweckbestimmt. Demzufolge darf auf dem Grund nur etwas entstehen, das einen kulturellen, schulischen oder sozialen Zweck erfüllt. Aber ich bin froh, dass ich mir im Ruhestand darüber keine Gedanken mehr machen muss.
von Philipp Genetti