So denken die Wähler.
Am 21. Oktober wird der neue Landtag gewählt. 14 Parteien und Bewegungen mit 420 Kandidaten bewerben sich dafür, darunter einige zum ersten Mal. Spannend und ganz im Zeichen der Politik verspricht der Oktober zu werden.
Schließlich geht es für die Parteien und ihre Kandidaten um Stimmen, die zu gewinnen sind. 424.184 Wähler sind aufgerufen, ihre Stimme abzugeben, die meisten an der Urne in ihrem Wahlbezirk, einige wenige per Briefwahl. Mehr als 60 Prozent wissen schon genau, wen sie wählen, aber immerhin sind 30 Prozent noch unschlüssig und rund 10 Prozent gehen gar nicht zur Wahl.
Die Umfragen der Meinungsforscher sagen den Einen Gewinne, den Anderen Verluste voraus. Neue Bewegungen wie „Team Paul Köllensperger“, aber auch „CasaPound Italia“ wühlen das traditionelle Parteienspektrum diesmal auf. Lega Nord, Südtiroler Freiheit und Team Köllensperger werden gute Chancen prognostiziert. Spannend verspricht der 3. Sonntag im Oktober auf alle Fälle zu werden und wird so manche Enttäuschung auch mit sich bringen.
Was erwarten sich aber die Bürgerinnen und Bürger von ihren Volksvertretern? Wonach richten sie sich bei ihrer Wahl und was muss ein Politiker haben, damit sie ihn wählen?
Stimmen aus dem Burggrafenamt
Christian Demetz ist 84 Jahre alt und hat sein ganzes Leben lang gewählt. Der Lananer weiß ganz genau, was und wen er wählt. Als ehemaliger Gemeinderat und langjähriger Verwaltungsrat der Raika Lana hat er immer schon am gesellschaftlichen Leben aktiv teilgenommen. Zur Wahl zu gehen, ist für ihn auch ein Bekenntnis zur Heimat. „Es geht uns heute sehr gut, wir sollten aber nie vergessen, dass das nicht immer so war“, sagt der rührige Senior, der mit seinen 84 Jahren noch ganz im Leben steht. Von 1959 bis 1972 führte er in Lana ein Fachgeschäft für Obst- und Weinbau, beriet die Bauern und war Importeur für landwirtschaftliche Maschinen – „darunter war auch der erste hydrostatische Gabelstapler mit Allradantrieb in Italien“, wie er erfreut betont. Als die Zinsen in den 1970er Jahren in unermessliche Höhen schossen, wechselte er in den Tourismus, baute mit dem renommierten Meraner Architekten Leo Valtingojer eine Pension, die er heute noch vorbildhaft führt. „Ich liebe dieses Haus“, sagt Demetz und kommt ins Schwärmen, wenn er an „seinen“ Architekten zurückdenkt. Lange Zeit war er Mitglied des Verwaltungsrates und Vizeobmann des Tourismusvereins Lana und hat maßgeblich zur touristischen Entwicklung der Gemeinde beigetragen.
Für die Menschen da sein
Politik hat ihn immer interessiert, seine Leidenschaft war sie aber nie. Dankbarkeit erfüllt ihn, wenn er von Silvius Magnago oder Luis Durnwalder spricht. „Ein Politiker muss für die Menschen da sein“, sagt er. Das Wort „Volksvertretung“ drückt es gut aus: Der Politiker vertritt die Interessen der Menschen, die ihn wählen. „Er muss nahbar sein, erreichbar, bei den Menschen“, betont Demetz. Den „heißen Eisen“, die den heurigen Wahlkampf bestimmen, steht er eher distanziert gegenüber. „Doppelpass ist eine gute Sache, wer will das schon nicht?“, sagt Demetz, „allerdings kann das Ganze in Rom auch zum Bumerang für uns Südtiroler werden“. Was Wolf und Bär, die Flüchtlingsfrage oder den boomenden Tourismus betreffen, fordert er von der Politik akzeptable Lösungen. Vernünftig mit Hausverstand zu handeln, nicht zu übertreiben, stets sich zu bemühen sowie einfach und sparsam zu leben, sind sein Erfolgsgeheimnis für ein langes und geglücktes Leben. „Menschen zu helfen, die vor Krieg, Verfolgung oder Hunger fliehen müssen, versteht sich von selbst“, sagt Demetz. Für alle anderen, die zu uns kommen, braucht es klare Regeln. Dasselbe gilt für den Tourismusboom. „Übertreiben sollten wir nicht“, rät der 84-Jährige, „uns aber auch vor Augen halten, dass wir heute alle eine Arbeit haben und in Wohlstand leben“. Am 21. Oktober wird Christian Demetz zur Wahl gehen, so wie er es schon Dutzende Mal vorher in seinem Leben getan hat.
Visionen und Mut sind gefragt
Florian Laner ist ein „politischer Mensch“. Der Oberschullehrer wirft einen kritischen Blick auf die vergangenen Jahre und stellt klare Forderungen an die Volksvertreter:
„In der Nach-Ära von Durnwalder unter Landeshauptmann Kompatscher sind wohl einige Weichen neu gestellt worden. Die allgemeine Parteienlandschaft hat sich etwas freier entfalten können, hat sich aber an der neuen Freiheit mehr zerstritten, als etwas auf die Beine gestellt. Ich sehe keine Partei, die Einigkeit versprüht, die ein eindeutiges Programm entwickelt hätte, das für das 21. Jahrhundert so dringend notwendig wäre. Während die abdankende Landesregierung nach außen hin zum Teil gute Verwaltungsaufgaben vorzuzeigen hat, zeigt sie auf anderen Gebieten große Inkompetenz: Ich spreche von der fatalen Entwicklung in der Mobilitätsfrage, von der Personalpolitik, von der verwässerten Proporzregelung im öffentlichen Dienst, von Fehlern, die am Image der Autonomie, an der Seriosität der Verwaltung, an der Zielsetzung der Landesentwicklung zweifeln lassen. Es ist schade, dass der Rechtspopulismus auch bei uns Wurzeln schlägt, der den sozialen Frieden sehr gefährdet. Die Gesprächsbereitschaft mancher verantwortlicher Politiker wurde zwar gezeigt, die meisten Entscheidungen waren aber schon vorher gefallen. Ich wünsche mir Menschen in der Politik und an der Regierung, die den Mut haben, echte Veränderung zum Wohle der Gesellschaft umzusetzen: die sich einsetzen für eine funktionierende Gesundheitspolitik, für Finanz- und Steuerhoheit, für starke Unterstützung der Familien, den Abbau der Kitas, dafür aber für Unterstützung der Familien mit einem Grundeinkommen. Die Erziehungszeit muss zur Rentenzeit gezählt, die Luxussteuer um ein Vielfaches erhöht werden. Überbezahlte Führungsposten sind abzuschaffen, dafür aber muss es höhere Löhne für Angestellte geben, verbunden mit mehr Verantwortung. Ich wünsche mir weniger Bürokratie, den Abbau der Subventionspolitik, die die Lebenshaltungskosten in die Höhe schnellen lässt. Ich wünsche mir ein sinnvolles Wirtschaften mit dem Energie-Potential des Landes und Schluss mit dem Einkauf von Billigstrom aus den Kernkraftwerken. Ich wünsche mir einen Stopp der überdimensionierten Komplexbauten im Tourismus, die Förderung der Landwirtschaft durch regionale Absatzmärkte, die Absicherung des Landes durch eine eigene Wirtschaftswährung vor dem Angesicht einer drohenden globalen Finanzkrise.“
Die Familien aufwerten
Die Algunderin Verena Huber Prantl ist für die Dachmarke Südtirol verantwortlich und Mutter von zwei Kindern. Beruf und Familie zu vereinbaren, stellt viele Frauen vor große Herausforderungen. In ihren Erwartungen an die Politik kommt dies zum Ausdruck:
„Jede Familie sollte sich für das eigene Lebensmodell entscheiden können, ohne dadurch in die Armutsfalle zu geraten. Mütter sowie Väter sollten das Recht bzw. die Wahl haben, zumindest 2 Jahre bei ihren Kindern zuhause zu bleiben – bei angemessener Bezahlung und Rentenversicherung sowie Erhaltung des Arbeitsplatzes. Eine Angleichung des Privatsektors an den öffentlichen ist längst überfällig. Erst wenn es für eine Familie leistbar wird, werden sich auch Väter vermehrt für die Inanspruchnahme der Elternzeit entscheiden – und somit mehr Einblick in den nicht immer leicht zu bewältigenden Alltag einer Mutter erhalten. Ganz zu schweigen von dem emotionalen Zugewinn, den die Vater-Kind-Beziehung dadurch erfährt. Den Spagat zwischen Familie, Haushalt und Beruf zu schaffen, ist die Herausforderung schlechthin, die sich zu zweit leichter meistern lässt. Paare bekommen immer später ihre Kinder, und die Zeiten der Großfamilien, wo die großen Kinder auf die kleinen aufgepasst haben, sind vorbei. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass Großeltern selbstverständlich und möglichst unentgeltlich auf ihre Enkel Acht geben, damit die Tochter bzw. der Sohn arbeiten gehen kann, um als Familie über die Runden zu kommen. Auch Großeltern sollten für diese wertvolle Arbeit entlohnt werden bzw. sollte der Rahmen geschaffen werden, dass Großeltern entlastet werden, denn auch sie haben ein Recht auf Freizeit.“
Wenn Bürger sich übergangen fühlen
Herbert Knoll ist Handelsvertreter für die landwirtschaftliche Hauptgenossenschaft und Bauer, weltoffen, modern und politisch aktiv. Der Tisner mag es nicht, wenn man Versprechen nicht einhält.
„Fünf Jahre sind vergangen, und wir sollten uns erinnern, was damals versprochen wurde und davon realisiert worden ist. Ich hatte das Vergnügen, vor 4 Jahren am 12. März auf dem Magnago-Platz in Bozen an der Protestaktion gegen die Politikerrenten teilzunehmen. Es war ein historischer Tag für Südtirol, den es vorher so wohl noch nicht gegeben hat. Das Volk ging auf die Straße und zeigte offen seinen Unmut. Das geschieht, wenn Politiker sich für etwas Besseres halten und dabei vergessen, dass alle 5 Jahre Wahlen sind. Es war leider keine Partei, die sich von den Politikerpensionen distanziert hat, und das heißt für mich im Klartext: Egal wem du deine Stimme gibst, schlussendlich sitzen sie alle im selben Boot, und wenn es etwas zu holen gibt, dann herrscht Einstimmigkeit. Meiner Ansicht nach wäre es viel besser, wenn eine Begrenzung auf zwei Legislaturen vorgesehen wäre. Dann gäbe es weniger Vetternwirtschaft, und junge Leute hätten auch die Möglichkeit mitzugestalten. Die Sesselkleber würden verschwinden. Wählen soll man nur Personen, denen man traut, und nicht blindlings eine Partei. Wichtig ist und bleibt es trotzdem, die Wahlkabine aufzusuchen. Ich erwarte mir von einem Politiker, dem ich meine Stimme gebe, dass er ehrlich, kompetent und bürgernah ist, vor allem nach den Wahlen!“
Politik braucht Ehrlichkeit und Zusammenarbeit
Die Meraner Schulsekretärin Karin Agreiter verlangt von den Politikern in erster Linie Anstand und Teamkompetenz:
„Von Politikern erwarte ich mir, dass sie Entscheidungen treffen, die dem Volk dienen. Politiker sind keine Erfüllungsgehilfen für aufdringliche Lobbys. Daher hat sich ihr Engagement am Allgemeinwohl der breiten Bevölkerung zu orientieren. Natürlich werden Politiker auch Kompromisse eingehen müssen, denn nicht alles kann für alle Vorteile bringen. Das verlangt viel von uns allen, jedoch braucht eine Gemeinschaft auch die respektvolle Anerkennung des Standpunktes des Anderen. Ein Politiker muss vorausschauend denken und handeln. Populäre Tagesentscheidungen, die aufgrund von kurzlebigen Stimmungen Zuspruch versprechen, erweisen sich allzu oft als Bumerang. Arbeiten Politiker geradlinig und ausdauernd an Themen, so gewinnen sie an Glaubwürdigkeit. Es muss für den Bürger ein wahrer Fortschritt in der Sache erkennbar sein. Dann wird den Politikern auch verziehen, wenn sie das eine oder andere Mal zurückrudern müssen, weil es die Umstände manchmal erfordern. Politik darf auch Regeln aufstellen. Und Politik muss sich nicht alles von Lobbys, Medien und Bürgern gefallen lassen. Klare Meinungen kommen besser an als Politiker, die es allen recht machen möchten. Es ist schade, wenn persönliche Debatten in der Politik mehr in den Vordergrund rücken und Politiker sich mit der eigenen Persönlichkeit ins Rampenlicht stellen. Teamarbeit ist nicht nur im Arbeitsalltag der einfachen Bürger gefragt, sondern auch in der Politik. Politiker sollten gut informiert sein und sachlich vorgehen. Politiker müssen sich nicht mit Versprechungen übertrumpfen. Es bringt niemandem etwas, den Menschen etwas vorzumachen. Maßvolle Versprechungen in der Politik kommen einer nachhaltigen Glaubwürdigkeit zugute und könnten dem angekratzten Image des Politikers wieder Aufwind geben.“
Gegen Volkshetze und für Problemlösungen
Angelika Ennemoser ist Rechtsanwältin in Meran. Sie plädiert für Sachlichkeit und Transparenz in der Politik.
„Von den Politikern erwarte ich mir weniger Medienpräsenz und mehr Einsatz bei der Lösung der aktuellen Probleme. Meiner Meinung nach wurde der sogenannte Rentenskandal der Politiker nicht angemessen aufgearbeitet. Wohl deshalb, weil die meisten Politiker aus den verschiedenen Parteien dies gar nicht wollten. Ich hätte nichts dagegen einzuwenden, dass Politiker angemessen entlohnt werden und auch eine gute Altersvorsorge erhalten, aber dass sie dabei selbst die Regeln im stillen Kämmerlein festlegen, finde ich bedenklich. So entstand unweigerlich der Eindruck, dass sie sich unerlaubte Privilegien gegenseitig einräumen wollten. Ich finde es auch nicht richtig, wenn Politiker für Probleme kritisiert werden, welche sie auf Grund der Verteilung der Zuständigkeiten gar nicht angemessen lösen können. So kann man in den Bereichen Bildung, soziale Fürsorge und Sanität unsere Landespolitiker nicht dafür verantwortlich machen, was auf nationaler Ebene entschieden wurde. Die Probleme interne Sicherheit und Zuwanderung werden meines Erachtens überbewertet, denn es gibt viele Beispiele von Südtiroler Gemeinden, die diese Problematik auf sehr elegante Weise gelöst haben. Kritisieren ist einfach, Probleme konkret lösen erstrebenswert und nicht unmöglich.“
Hart in der Sache, weich zu den Menschen
Der Passeirer Unternehmer Hans Gufler geht mit den Politikern hart ins Gericht. Die Probleme, die wir heute haben, sind das Versagen der Politik.
„Jene Probleme, welche heute in Europa und in unserer Heimat allgegenwärtig sind, haben wir uns selbst zuzuschreiben. Es wurde in den vergangenen Jahrzehnten ein immenser öffentlicher Verwaltungsapparat aufgebaut, welcher wirtschaftliche Tätigkeit und Eigeninitiative penibel kontrolliert und hemmt. Er ähnelt einem mittelalterlichen System mit Kontrolle und Konkurrenzunterbindung. Es wurde ein Apparat von Institutionen und Kontrollorganen geschaffen, die die Produktivität und somit auch die Kapazität jedes Einzelnen so sehr hemmen, dass Weiterentwicklung immer schwieriger wird. Nicht nur jeder, der unternehmerisch tätig sein möchte, steht vor einem Spießrutenlauf an Formalitäten und Bürokratie und ist der Willkür der Politik und ihren unübersichtlichen und unkoordinierten Verordnungen und Gesetzen unterworfen, sondern auch jeder einzelne Bürger. Von einem Politiker, welcher vom Volk gewählt wurde, erwarte ich mir, dass er sein Programm und seine Wahlversprechen umsetzt, aber vor allem, dass er auch das Wohlergehen der Bürger als eine der Prioritäten sieht und nicht ausschließlich seine Wiederwahl als vorrangiges Ziel vor Augen hat. Problematisch finde ich es, wenn sich die Justiz in die Politik einzumischen beginnt. Jeder Bürger, Arbeitnehmer, Unternehmer und besonders auch ein Politiker hat Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen, Zivilcourage und Hausverstand zu zeigen und für seine Taten oder Untaten einzustehen.“
Die Sorgen der Menschen kennen
Leon Illmer wählt zum ersten Mal. Der Meraner ist Vorsitzender des Schülerrates des Realgymnasiums und der Technologischen Fachoberschule Meran. Er plädiert für Ehrlichkeit in der Politik.
„Eigentlich erwarte ich mir nichts Besonderes von einem Politiker: Zunächst sollte er ehrlich sein und zu den Dingen stehen, die er behauptet umsetzen zu wollen. Es sollte nicht sein Ziel sein, möglichst viel Macht zu erlangen, sondern er sollte seine Wähler als Partner ansehen, die er mit all seinen Möglichkeiten vertritt, und nicht als Mittel zum Zweck. Ein Politiker sollte einen guten Bezug zu den Menschen haben. Er sollte wissen, wie das Leben in der Mittel- und Unterschicht ist, wissen, wie der Alltag der einfachen Bürger aussieht. Ich erwarte mir von einem Politiker, dass er vernünftig und im Interesse seiner Wähler handelt, dass er die Meinung, die er vertritt, ehrlich vertritt, aber dass er auch andere Meinungen toleriert und fair am Wahlkampf teilnimmt.“
von Josef Prantl