Ob Wohnen gelingt, hängt von sehr vielen funktionalen, technischen und psychologischen Bausteinen ab. Damit das Eigenheim ein Traumhaus wird oder sich Schritt für Schritt zu einem solchen entwickelt, gilt es einige Aspekte zu beachten.
Wie man sich eine Wohlfühlatmosphäre schafft, wie die wohnpsychologische Qualität verbessert werden kann, worauf es von Planung bis Einrichtung ankommt, darüber haben wir mit Architektin Helene Fischnaller gesprochen. Die Akademikerin, welche an der TFO Meran Planung und Bauwesen, Bauleitung und Vermessung unterrichtet, schreibt derzeit an der Fakultät für Architektur an der Universität Innsbruck ein Forschungsdoktorat zu Architektur, Pädagogik sowie Psychologie und setzt sich mit Architekturpsychologie auseinander.
Wie wirkt sich die Gestaltung von Gebäuden auf das Wohlbefinden der darin lebenden Menschen aus?
Helene Fischnaller: Raumgestaltung beeinflusst die Wechselbeziehung von Mensch und Wohnraum. Wie wir den Raum wahrnehmen und welche Bedeutungen bauliche Merkmale und bestimmte Materialien für den Einzelnen haben, hängt mit persönlichen Erinnerungen zusammen. Welche Erinnerung habe ich an die Küche meiner Ursprungsfamilie? War es ein großer, heller Raum, ein Ort, mit dem ich gute Erinnerungen verbinde? Was hat mir an diesem Raum gefallen, was habe ich als schön empfunden, was hat mich berührt,
was mochte ich nicht? Bevorzuge ich eine offene Wohnraumküche oder reicht eine kleine Küchenzeile? Mit welchen Materialien verbinde ich Geborgenheit, mit welchen Klarheit und Ordnung? Wenn die Gebäudearchitektur den funktionalen und technischen Ansprüchen gerecht wird und der Nutzer zu seinem Zuhause eine Beziehung aufbaut, es in Besitz und in Gebrauch nimmt, kann er sich „zu Hause“ und aufgehoben fühlen. Dann wirkt sich Architektur positiv auf das Wohlbefinden aus und Räume fungieren als Rückzugs-, Erholungs-, Kommunikations- und Regenerationsort. Als geschützter Raum, der uns Sicherheit und Geborgenheit vermittelt. Damit das Eigenheim zum Traumhaus wird und bleibt, muss auch die Beziehung zur Umwelt betrachtet werden. Es kann nicht als isoliertes Gebäude gesehen werden, da Wohnen nicht nur nach innen gerichtet ist, sondern in intensiver Beziehung zur Wohnumwelt geschieht. Soziale Beziehungen und „klassische“ Umweltstressoren wie Lärm, Luftverschmutzung, hohe Wohndichte und inzwischen auch die Unsicherheit sind mitentscheidend, ob ich mich in meinem Haus wohlfühle oder nicht. Auch Leitbilder der nachhaltigen Entwicklung wie ökologisches und energiesparendes Wohnen beeinflussen unser Empfinden.
Im eigenen Traumhaus sich eine Wohlfühlatmosphäre schaffen. Wie kann dies bei der Planung gelingen?
Aufgabe des Architekten ist es mit dem Gebäudeentwurf über Funktion, Form, Proportion und Material die Bedürfnisse des Bauherrn zu erfüllen.
Für den Schweizer Architekten Peter Zumthor sollte „gute Architektur den Menschen aufnehmen, ihn erleben und wohnen lassen, nicht ihn beschwatzen“. Architekt Quintus Miller vergleicht die Stimmung der Architektur mit der Stimmung aus der Musik: Die Geige kann ich stimmen, das ist ein aktiver Prozess. Wenn ich als Architekt einen Raum stimme, dann versuche ich seine Masse, seine Materialien und das Licht mit den Bedürfnissen der Nutzer in Einklang zu bringen. Am Schluss geht es immer darum, den zukünftigen Nutzern optimal gestimmte Räume zu schaffen. Voraussetzung, um für den zukünftigen Nutzer optimal gestimmte Räume zu schaffen, ist eine gemeinsame Sprache zwischen Planer und Bauherrn. Menschen mit vertieftem Wissen über Wohnen können Bedürfnisse meist klar definieren. Die Kunst des Architekten liegt darin, die Wünsche und Bedürfnisse des Bauherrn aufzunehmen, sie zu verstehen und in gebaute, lebendige Wohnräume umzuformulieren. Nachdem sich unsere Bedürfnisse im Laufe unseres Lebens ändern, erlauben flexible Gestaltungsmaßnahmen ein Mitwachsen und ein Sich-Verändern der Räume. Je mehr Veränderungsmöglichkeiten vom Architekten eingeplant werden, um so leichter können Änderungen der Grundstruktur aufgrund Personalisierung der Räumlichkeiten vorgenommen werden.
Wie kann man die wohnpsychologische Qualität verbessern?
Zu den wohnpsychologischen Aspekten zählen funktionale, technische und psychologische Elemente. In erster Linie muss das Raumkonzept auf die dort geplanten Tätigkeiten ausgerichtet sein, ergonomische Aspekte berücksichtigen und die Nutzungsflexibilität der Wohnräume über eine günstige Einteilung und Anordnung der Wohnräume ermöglichen. Zu den technischen Elementen zählen die Statik, die Haustechnik, der Energieverbrauch, die Belüftung und der Schallschutz. Wenn ich in meiner Wohnung aufgrund mangelnder Schallschutzmaßnahmen sämtliche Gespräche meiner Nachbarn mithören kann, werde ich mich in meinem Zuhause wegen mangelnder Intimität und Privatheit nicht wohl fühlen. Genauso unwohl fühle ich mich im Sommer in einer völlig überhitzten Dachgeschosswohnung. Die psychologischen Elemente beziehen sich auf die Wechselbeziehung zwischen Mensch und Wohnumwelt. Dazu zählen Gefühle der Geborgenheit, Ruhe und Sicherheit, Erleben von Wärme, Licht, Geräumigkeit oder Beengtheit, Bedürfnis nach Schönheit und Ästhetik, räumliche Orientierung, Ortsbindung und Ortsidentität. Erst im Zusammenspiel dieser Elemente kann eine gute Wohnatmosphäre gelingen. So ermöglicht ein Eigenheim abseits von Siedlungszentren zwar meist eine schöne, freie Aussicht und die Nähe zur Natur, dafür erschweren sich soziale Kontakte, oder die Anfahrt zur Arbeitsstelle muss mit dem Auto anstatt mit dem Fahrrad bewältigt werden. Ob Wohnen gelingt, hängt also von sehr vielen funktionalen, technischen und psychologischen Bausteinen ab und kann nur individuell betrachtet werden. Aus der Qualität dieser Einzelbausteine ergibt sich für jede spezielle Situation die Gesamtstimmung.
Wie lässt sich durch die Einrichtung unser Wohlbefinden steigern?
Einrichtungsgegenstände definieren sich genauso wie der Raum über Funktion, Form und Material. Mobiliar, das schön anzusehen ist und seine Funktion erfüllt, unterstützt häusliche Tätigkeiten. Eine gut geplante und durchdachte Kücheneinrichtung schafft kurze Arbeitswege und somit schnelle Arbeitsabläufe. Ein Sofa, welches angenehmes Sitzen und Entspannen ermöglicht, eine angenehme Oberfläche besitzt, pflegeleicht ist und dessen Farbe den Bewohner in eine gute Stimmung versetzt, steigert das Wohlbefinden und macht das Sofa zum Lieblingsort. Wohnen wird positiv erlebt, wenn Menschen sich mit ihren Räumen auseinandersetzen, sie mit persönlichen Dingen ausstatten, Bilder aufhängen oder Pflanzen auf das Fensterbrett stellen. Auf diese Weise entsteht Zugehörigkeit zum Raum und das Wohnhaus wird zum Zuhause, zum individuellen Ort des Wohlfühlens.
Was sollte bei der Raumgestaltung vermieden werden?
Für mich gibt es keine No-Gos in der privaten Raumgestaltung, da diese individuell im Wechselspiel mit dem Bewohner entsteht und absolut persönlich ist. Es kommt vor, dass ich mich in Räume begebe, wo ich keine gute Atmosphäre verspüre. Wo ich das Gefühl habe, hier hat sich jemand ohne Sinn für das Schöne mit der Raumgestaltung auseinandergesetzt: Wo der Raum mit vielem Mobiliar zugebaut ist, wo mit wenigen Handgriffen ein Bild in die richtige Höhe gerückt werden könnte, wo eine Farbe ungünstig gewählt wurde. Wenn ich nicht nach meiner Meinung gefragt werde, halte ich mich in solchen Situationen zurück. Ich weiß aber, dass ich in solchen Räumen nicht zur Ruhe kommen könnte und dass diese Räume für mich nicht zu einem Zuhause werden könnten.
von Michael Andres