Tradition und Innovation
Holz ist der älteste Werkstoff und vereint zahlreiche Vorteile in sich. Er ist ein nachwachsender Naturstoff, der mittels Sonnenenergie, Wasser und einer Hand voll Mineralsalze aus dem Boden und dem Kohlendioxyd aus der Luft zu mächtigen Holzstämmen emporwächst. Das Ulten- und das Passeiertal zählen zu den heimischen „Hochburgen“ der Holzernte. Wir haben mit Paolo Bertoni von der IDM über den Werkstoff Holz gesprochen.
Welchen Stellenwert hat der Holzbau in Südtirol?
Paolo Bertoni: Der Holzbau und das Fachwissen für den Rohstoff Holz und den fachgerechten Umgang mit Holz ist ein charakteristisches Merkmal der Südtiroler Unternehmen, insbesondere gegenüber anderen italienischen Regionen. Unsere Unternehmen wissen, wie mit Holz umzugehen ist, und sind stets offen für neue Ideen. Südtiroler Holzhausbauer sind technisch auf dem höchsten internationalen Standard einzustufen. Wir verfügen hier in Südtirol über eine junge Generation von Planern, die es verstehen, mit dem Rohstoff Holz korrekt und gestalterisch umzugehen und neuwertige Objekte zu realisieren.
Die Formensprache sowie die Materialkombination zwischen Beton, Glas und Holz können, mit Bedacht, wertvolle Lösungen ergeben. Leider spielt der Holzbau in unserer Provinz noch eine kleine Rolle. Italienweit ist die Region Trentino-Südtirol an vierter Stelle für Neubauten in Holzbauweise. In Südtirol werden weniger als 10 % der Bauten in Holzbauweise errichtet. Öffentliche Bauten, als Leuchtturmprojekte zum Potential des lokalen „Know-hows“, werden nur einzeln gebaut.
Sie leiten im IDM den Bereich „Ecosystem Wood & Agricultural Technologies“, Ziel ist die Vernetzung von Wirtschaft und Wissenschaft rund ums Thema Holz. Wie darf man sich das vorstellen?
Vorwiegend werden Maßnahmen und Projekte mit Unternehmen begleitet, welche Neuentwicklungen umsetzen wollen oder Prüfungen und Maßnahmen zur Markteinführung ihrer Produkte benötigen. Die Suche nach wissenschaftlichen Partnern und Labors für Untersuchungen an Holzbauteilen bildet den Hauptteil unserer Tätigkeit. Durch die Vernetzung aller Fachverbände im Lande ist die Informationsplattform „Proramus“ entstanden, welche die umgesetzten Ideen sowie das vorhandene Wissen zum Thema im Lande verbreiten will. Durch die gemeinschaftliche Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, Verbänden und Organisationen werden auch gezielte Strategien und Projekte zur Stärkung des Themas Holz ausgearbeitet und umgesetzt. So entstand auch die Holztrophy. Dabei haben 17 Mittelschulen in ganz Südtirol von Oktober 2017 bis April 2018 im Lehrfach Technik oder Werken an der Planung und Ausarbeitung von Holzobjekten gearbeitet. Es sind wunderschöne, großformatige Beispiele entstanden.
Vom Ultental bis ins Passeiertal: Viele Menschen im Burggrafenamt leben vom und mit dem Wald. Wie wichtig ist hierzulande die Waldwirtschaft und was zeichnet diese aus?
Die Zahlen verdeutlichen den hohen Stellenwert der Waldwirtschaft. So werden im Forstinspektorat Meran über 81.000 m3 Holz aus dem Wald geerntet, dies entspricht fast 15 % der landesweiten Holznutzungen. Montane und subalpine Nadelwälder prägen den Charakter der Bergzüge im Ulten- und Passeiertal. Die Lagen für das Holz sind ideal, dies wurde dort auch erkannt. Das Wissen im Umgang mit Wald und Holz hat hier Tradition. Im Ultental und Passeiertal gibt es Holzbaubetriebe, die ihr eigenes Massivholzbausystem entwickelt haben und dieses erfolgreich auf dem Markt anbieten und somit die Wertschöpfung des Rohstoffes vor Ort umsetzen. Holzbodenhersteller und Fensterbauer haben seit mehreren Jahren mit ihren hochwertigen Produkten auch im Ausland Erfolg, wo die hohe Qualität der Verarbeitung gefragt ist. Auch Tischlereibetriebe haben auch außerhalb der Täler hohes Ansehen, dabei wird neben den maßgeschneiderten Produkten die Genauigkeit bei der Montage, die Pünktlichkeit und die termingerechte Lieferung der Holzbauteile gelobt.
Eine Reihe von besonderen Holzprodukten werden im Burggrafenamt hergestellt, von den Holzuhren über Spielsachen bis hin zum Holzschmuck. Im Burggrafenamt gibt es noch eine aktive „Holzgemeinschaft“, oder besser gesagt, eine Wertschöpfungskette Forst-Holz; diese gilt es nun auch für die Zukunft fit zu halten.
Stichwort Holzboden: Welche Vorteile haben solche und wie schätzen Sie die derzeitigen Trends ein?
Holz weist eine reduzierte Wärmeleitfähigkeit auf, ist somit der perfekte Werkstoff um barfuß rumzulaufen. Im Winter nicht zu kalt, und auch bei direkter Sonneneinstrahlung im Sommer heizt ein Holzboden nicht so sehr auf. Durch die Struktur eines Holzbodens bringt man die Natur ins Haus. Durch die Vielfalt der natürlichen Holzarten können ganz unterschiedliche Farbtöne und Kombinationen, Größen und Muster für jeden Raum entwickelt werden. Neuwertige Verarbeitungsprozesse und der korrekte Umgang mit dem Rohstoff Holz ermöglichen besondere Produkte, welche die heimischen Hersteller auch anbieten: So zum Beispiel extra lange und besonders breite Holzdielen, womit auch größere Zimmer ausschließlich mit Einzelteilen gelegt werden können und kein Anstücken mehrerer Bauteile mehr notwendig ist.
von Michael Andres