Das italienische Steuergesetz ist kompliziert und die Anwendung bestimmter Gesetze oft Ansichtssache. Kein Wunder, dass Finanzamt und Steuerzahler regelmäßig aneinandergeraten. Die Folge: Nur im Zeitraum Jänner bis März 2018 wurden in Italien fast 60.000 Steuerrekurse eingereicht! Die Steuergerichtsbarkeit ist deshalb in vielen Provinzen kaum mehr in der Lage, die Flut an Prozessen zu bewältigen. Die Regierung versucht deshalb, für die Steuerzahler Möglichkeiten zu schaffen, die Streitverfahren begünstigt abzufinden, womit die Streitverfahren damit abgeschlossen wären und der Fiskus doch noch was kassiert.
Der gewährte Nachlass beträgt bis zu 80 % der nachgeforderten Steuern und den Erlass der Strafen. Geht es beim Streitverfahren hingegen nur um Verwaltungsstrafen, wird ein Abschlag von 85 % gewährt. Diese Abschläge werden aber nur gewährt, wenn der Steuerzahler bereits in II. Instanz gewonnen hat und somit der Prozess vor dem Kassationsgerichtshof ansteht. Kann der Steuerzahler hingegen ein gewonnenes Urteil I. Instanz vorweisen, beträgt der Steuernachlass 50 % (bei den Strafen ist immer ein Abschlag von 85 % vorgesehen). Liegt noch kein Urteil vor, müssen 100 % der Steuern bzw. 40% der Strafen bezahlt werden.
In einigen Fällen kann die Abfindung für den Steuerzahler sinnvoll sein, da das Kassationsgericht in Rom bereits in der Vergangenheit oft gegensätzlich geurteilt hat als die Steuerkommissionen I. und II. Instanz in Südtirol. Wenn ein Prozess schon lange dauert, ist es daher sinnvoll zu prüfen, ob in der Zwischenzeit Rechtsprechungen vorliegen, welche die Gewinnchancen reduzieren. Der Antrag um Abfindung und die Bezahlung des fälligen Betrages bzw. der ersten Rate muss innerhalb 31. Mai 2019 erfolgen. Beträgt die zu bezahlende Summe mehr als 1000 €, kann der Betrag auf bis zu 20 vierteljährliche Raten aufgeteilt werden. In der Zwischenzeit haben die Steuerzahler das Recht, die Suspendierung der laufenden Steuergerichtsverfahren bis zum 10. Juni 2019 zu fordern. Von der begünstigten Abfindung ausgeschlossen sind Steuerstreitverfahren betreffend die Mehrwertsteuer, Zollgebühren, Akzisen auf Zucker sowie die Rückforderung von staatlichen Beihilfen. Da bei einem Streit es nie nur Gewinner gibt, ist es sinnvoll, diese Möglichkeit der Abfindung zu prüfen und die Gelegenheit, den Streit beizulegen, zu nutzen.
von Walter Gasser, Kanzlei Gasser Springer Perathoner, Eder & Oliva