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Unser Brauchtum

Das liebevoll gelebte Brauchtum ist in Südtirol Ausdruck von Traditionsbewusstsein und Religiosität, geprägt vom Wunsch, Althergebrachtes zu bewahren.

Der traditionelle Hut der Burggräfler Tracht mit rotem Band

Die Brauchtumsvielfalt Südtirols ist in Italien eine einzigartige Besonderheit und zählt vorrangig zum Kulturgut der deutsch- und ladinischsprachigen Bevölkerung. Der Ursprung vieler Bräuche reicht Jahrhunderte zurück und hat sich je nach Talschaften und Ortschaften verschiedenartig entwickelt. Manche Bräuche sind im Wandel der Zeit als Folge des gesellschaftlichen Wandels zwar verblasst, aber die Südtiroler sind nach wie vor stolz auf ihre Bräuche und fühlen sich noch heute eng mit ihnen verbunden.
Das Fortbestehen alter Bräuche verdanken wir zum großen Teil der bäuerlichen Bevölkerung sowie kirchlichen Traditionen, wobei diese oftmals eine Mischung von alten Bräuchen, Tradition und Moderne sind, aber dennoch der Bevölkerung ein Gefühl von „Heimat“ geben. In den größeren Ortschaften macht sich allerdings allmählich eine multikulturelle Entwicklung breit. Treffendes Beispiel hierfür sind der große Herbstumzug in Meran und die Weihnachtsmärkte in Südtirol, welche keine ursprüngliche Tradition haben, aber mittlerweile fester Bestandteil der Südtiroler Adventszeit geworden sind und durch das reiche Angebot landestypischer Produkte im Einklang mit dem heimischen Brauchtum stehen. Bei gar manchen volkstümlichen Veranstaltungen hat sich in den vergangenen Jahren aber auch typische Folklore eingeschlichen. Zu den kirchlichen und bäuerlichen Bräuchen zählen auch volkstümliche, berufliche oder vereinsgebundene Bräuche, die sich untereinander aber oftmals überlappen.

Kirchliche Traditionen
Diese sind bei uns seit Jahrhunderten verwurzelt und haben das Leben der Bevölkerung in Stadt und Land stark geprägt, wobei christliche und heidnische Bräuche oftmals Hand in Hand gehen. Das Kirchenjahr beginnt bekannt­lich mit dem ersten Adventssonntag und stimmt auf die Raunächte ein. Der Zauber der Adventszeit mit dem Binden der Adventskränze, dem Anzünden der Kerzen, dem Basteln von Strohsternen oder eines Adventskalenders, dem Aufstellen von Krippen und Tannenbäumen sowie dem Backen von  Weihnachtsplätzchen gehört ebenso zu den Adventsbräuchen wie das morgendliche Rorate-Beten, die Nikolausfeiern und das Krampustreiben. Der Weihnachtsabend mit Tannenbaum, Krippe und Geschenken ist nicht mehr wegzudenken, und das Aussenden der Sternsinger sowie das Dreikönigsfest runden erst endgültig die Weihnachtszeit ab. Im ländlichen Raum darf das „Weihräuchern“ zudem in und um die Wohnhäuser nicht fehlen.
Mit dem Aschermittwoch beginnt die sogenannte Fastenzeit, die auch von vielen Bräuchen gekennzeichnet ist. Neben den „Kreuz­wegandachten“ gehören dazu das Vierzigstündige Gebet, die Prozessionen mit den selbstgebundenen Palmbuschen und Olivenzweigen am Palmsonntag sowie die Darstellung des Hl. Grabes in vielen Kirchen. Den Höhepunkt der österlichen Feierlichkeiten und Bräuche bilden schließlich die Festgottesdienste am Gründonnerstag, Karfreitag und Karsamstag, die Osternachtsfeier und die festliche Ostersonntagsmesse, bei der die gefärbten Eier in einem Korb zusammen mit Schinken und Gebäck geweiht werden. Das Eiersuchen und Pecken rundet die (kindlichen) Bräuche am Ostersonntag ab. Zudem ist es ein alter Brauch, dass Patenkinder zu Allerheiligen und Ostern von ihren Paten neben einer kleinen Aufmerksamkeit ein Hefegebäck, das sogenannte „Fochaz“ geschenkt bekommen.
Zu den christlichen Bräuchen zählen schließlich noch ortsgebundene Heiligen-Verehrungen, Kirchtagsfeste, Bittgänge und Prozessionen, die in den meisten Fällen durch das Mittragen von Statuen und Fahnen und die Teilnahme von Chören und Musikkapellen sowie traditionellen Festtrachten feierlich begangen werden. Kaum wegzudenkende Bräuche sind nach wie vor das Rosenkranzbeten am Abend vor Be­gräbnissen und das Pietschen nach denselben sowie das Allerheiligenfest und der Friedhofsgang zu Allerseelen.

 

Der Schafübertrieb Schnalstal/Venttal ist jedes Jahr ein besonderes Ereignis

Bäuerliche Bräuche
Sie haben Jahrhunderte überdauert und werden noch heute das Jahr hindurch eingehalten. Neben dem „blauen Schurz“ und den Holzstuben am Bauernhof, die meist mit einer Taube als Hl. Geist und Beschützer geschmückt sind, zählen die traditionellen Werk- und Festtagstrachten, die Ehrfurcht vor den Eisheiligen, das Berücksichtigen alter Bauernregeln im Laufe der Jahreszeiten, aber auch Erntedankfeste und in Berggebieten die Nutzung alter Weiderechte, die oftmals seit Jahrhunderten auch über die Landesgrenzen hinaus bestehen, zu festen Bräuchen der Landwirte. Ein schillerndes Beispiel für die Wanderweidewirtschaft ist der jährliche, spektakuläre Schafübertrieb im Schnalstal, die sogenannte „Transhumanz“, bei der mehr als 3000 Schafe im Frühjahr auf die Sommerweiden im österreichischen Venttal geführt werden, um Mitte September von den Hirten in einem beschwerlichen 2-Tages-Marsch über die Berge, zum Teil schon bei Schnee, wieder ins Schnalstal zurückgeführt zu werden. ​Die Zeit von September bis Oktober ist die Zeit der Almabtriebe. Es ist immer wieder ein farbenprächtiges Spektakel, bei dem die mit Blumen und Girlanden, Bändern und Glocken geschmückten Kühe und Schafe im Herbst zurück auf die heimatlichen Höfe getrieben werden. Weitere traditionsreiche Veranstaltungen des Bauernstandes sind die verschiedenen regelmäßig abgehaltenen Bauernmärkte sowie der „Gollimarkt“ in Mals, der „Martinimarkt“ in Girlan, der „Stegener Markt“ in Bruneck sowie der „Pa­labira-“ und der „Sea­la­markt“ in Glurns und der Bartl­mä-Markt am Ritten.

Volkstümliche Bräuche
Dazu gehören die Feierlichkeiten rund um die Begrüßung des neuen Jahres und das Austreiben des Winters, und auch die närrische Faschingszeit in Südtirol ist reich an lokalen Bräuchen. Am „Unsinnigen Donnerstag“ kann man beim „Zusslrennen“ in Prad am Stilfser Joch, bekannt als Weiberfastnacht, die weißgekleideten „Zussln“ mit riesigen Schellen und Glocken am Bauch sehen, wie sie die Winterdämonen austreiben. Mit von der Partie sind dabei die dämonischen „Schnapp­viecher“, die am Faschingsdienstag eine ebenso wichtige Rolle beim „Egetmannumzug“ in Tramin spielen. Dieser Umzug findet immer an den ungeraden Jahren statt. Hauptfigur ist dabei der „Egetmann-Hansl“ auf seiner Hochzeitskutsche, dem seltsame Gestalten folgen. Mit Aschermittwoch endet in Südtirol zwar der Fasching, nicht aber der Winter. So wird beim „Scheibenschlagen“ in Mals im Vinschgau  am ersten Sonntag der Fastenzeit der kalten Jahreszeit, dem „Funkensonntag“, mit glühenden, fliegenden Holzscheiben der Garaus gemacht. Zu den großen traditionellen kirchlichen und weltlichen Bräuchen zählen seit Mitte des 19. Jahrhunderts im Juni die „Herz-­Jesu-Feuer“ auf den Bergen als Bestätigung des Bundes zwischen Land Tirol und dem „Heiligsten Herzen Jesu“ zum Schutz vor feindlichen Truppen. Zahlreiche Bräuche haben zudem bei Einweihungen, Altstadtfesten, Zeltfesten, Eröffnungsfeiern, Folkloreumzügen, Ernennungen und auch Trauerfeiern Einzug gefunden. Wenn es um den Schutz von Traditionen und Brauchtum geht, sind landesweit mehr als 10.000 Südtiroler als ehrenamtliche Mitglieder eines der zahlreichen Südtiroler Ver­eine engagiert. Die zahl­rei­chen Musikkapellen, Schüt­­­zen­kom­panien, Freiwilligen Feuerwehren, Chöre, Mitglieder von Volkstanzgruppen, Heimatpflegevereinen und anderen Vereinen sind bemüht, durch ihre Ak­ti­vi­tä­ten und ihre Trachten unser viel­seitiges Brauch­­tum zu bewahren und der jungen Generation näherzubringen.

 

von Wilfried Mayr