Der altehrwürdige Untermaiser Widumsansitz bleibt erhalten und wandelt sich zum Kultur- und Veranstaltungszentrum der Maiser Vereine.
Es sind die steinernen Zeugen, das romanische Mauerwerk mit gotischem Putz und Kreuzgrat-Gewölbedecken, deren geschichtlicher Ursprung bis ins spätere Mittelalter zurückreicht. Ein ursprünglicher quadratischer Wohnturm wird als ältestes Bauwerk aus dem 13. Jh. eingeschätzt; die heutigen Gebäudeumrisse mit nordseitiger Renaissancefront und Fassadenerker entstammen aus Zubauten im 14. und 16. Jh. Seinen Namensbezug erhält das Baudenkmal von den ersten überlieferten Besitzern, den Adelsherren von Angerheim, welche darin einen Ansitz mit burg-gräflerischer Ausstrahlung sahen und bezweckten.
Die Stamser Widums-Ära
Aufgrund landesfürstlicher Schenkung unter Graf Meinhard II. wurde die Pfarre Mais samt umfangreicher Besitzungen gegen Ende des 13. Jh. Teil des Zisterzienserstiftes Stams. Der Stamser Klosterorden hatte damit die geistliche wie die besitzrechtliche Nachfolge des Bistums Trient in Tirol übernommen. Bis zur Mitte des 14. Jh. konnten sich die Stamser Patronatsrechte sowie namhafte Vermögenswerte an Klostergütern überall im Burggrafenamt und im Vinschgau dazuerwerben. Die Bearbeitung der meist landwirtschaftlichen Hofgüter wurde von der Klosterführung über jährliche Nutzungs- bzw. Pachtverträge an sogenannte Bauleute ausgegeben. Als Amtsgebäude für die klösterliche Vermögensverwaltung vor Ort, aber auch als Widum zur Pfarre St. Vigil war alsbald der Ansitz Angerheim auserkoren. Zur Pfarrei Mais gehörten zudem Maria Trost, Obermais, Sinich und Hafling. Wie und ab wann das Kloster über das Angerheim verfügen konnte, ist nicht verbrieft – möglicherweise bereits ab 1318 nach überlieferten Schenkungsurkunden. 100 Jahre später jedenfalls waren Erweiterungsbauten nach Süd und West vonnöten. Dem Maiser Amtsgebäude des Stamser Ordens kam die Funktion einer klösterlichen Verwaltungsfiliale zu. Es galt neben der Zentrale in Füssen als Anlaufstelle für die Wirtschaftsbelange sämtlicher Besitzungen in Tirol. Als Pfarrwidum sollten zudem geeignete Räumlichkeiten für den Pfarrvikar, für Kooperatoren, für Besinnung und geistliche Besuche zur Verfügung stehen. Also kam es um 1427 am Angerheim zu größeren baulichen Erweiterungen zum Widumsneubau. Wieder 100 Jahre später, um 1525, kam es im Zuge der lutherischen Reformation zum sogenannten Bauernkrieg, dem Volksaufstand gegen die unterdrückende Leibeigenschaft von Adel und Klerus, mit erheblichen Verwüstungen im Angerheim bis zur Unbewohnbarkeit. Beim darauf folgenden Wiederaufbau im 16. Jh. entstand die dreistöckige Nordfassade des Ansitzes. Bis ins spätere 18. Jh. dauerte die Bedeutung des Angerheims als Amtssitz und Widum des Stamser Ordens in Mais. 1766 erwarb das Kloster Stams den stattlichen Hof Mair am Ort, in der Nähe von Maria Trost an der Hauptstraße gelegen. Dort sollte der neue Amtssitz als spätbarockes Repräsentations- und Widumgebäude entstehen, welches den Stamsern bis heute als Pfarrhof dient.
Niedergang, Neubau und Restaurierung
Der alte Stamser Widum im Ansitz Angerheim wurde nach der Räumung seinem ungewissen Schicksal überlassen. Bestrebungen, den Ansitz als künftiges Versorgungshaus umzugestalten oder zu veräußern, blieben ohne Erfolg. Das Gebäude wurde schließlich zur Winterbehausung, zur Heimstatt für arme Leute – dies über mehrere Generationen hinweg. Der Niedergang des ehemals bedeutenden Gebäudes bis zur Verwahrlosung einzelner Teile davon war vorbestimmt. Inmitten der schwierigen Nachkriegszeit um 1922 gab es in Mais das bürgerliche Bestreben und den Plan für ein Vereinshaus mit Veranstaltungssaal.
Und es gab die aus Amerika zugereiste Wohltäterfamilie Stoddard, die ihr Kapital zum Wohl der Bevölkerung stiften wollte und den größten Teil der Baukosten selbstlos finanzierte. 1924 entstand somit durch Abriss des mittleren Teiles des alten Widums nach SW der Neubau des großen Vereinssaales. Das Stift Stams als Eigentümerin förderte die Kulturinitiative innerhalb des Ensembles Angerheim durch ein zuvorkommendes Langzeit-Pachtverhältnis mit den Betreibern. Mehr als ein Dutzend Ortsvereine hatten nun ihren Bezugspunkt im Angerheim. Hinzu kamen in den 1950er Jahren weitere Anbauten, wie die Theaterbühne, Garderoben-, Service- und Hygieneräume, mit feierlicher Saalweihe im renovierten Vereinshaus 1959. Die nächste Restaurierungsphase 1993/95 betraf den historischen Teil des Ansitzes unter Denkmalschutz. Vom neuen Dachstuhl bis in den Keller mussten vier Stockwerke entkernt und mit fachkundiger Sorgfalt Böden, Fenster, Installationen renoviert und stilgerecht ersetzt werden. Es konnten übertünchte Putzflächen bei der Restaurierung freigelegt werden – zum Vorschein kamen reichhaltige Rankenmalereien aus dem 16. Jh. an Gewölben und Türumrahmungen im 1. Obergeschoss sowie barocke Deckenmalereien im 2. Obergeschoss, verschiedene Wappenbilder zieren Wand und Gänge. Je 5 gediegene Räumlichkeiten pro Etage für die Vereine, ein großer Bürgersaal für den Allzweckbedarf unterm Dach sowie die urige Taverne als Bistro/Restaurant im Erdgeschoss waren die schöne Ausbeute dieser Renovierungsarbeiten im Angerheim für das Maiser Gemeinwohl.
Das Angerheim wird zum KIMM
Die Schnelllebigkeit unserer Zeit bedingt ständigen Wandel auf allen Ebenen. Die Anpassung an neue Sicherheitsvorschriften, neue technische Möglichkeiten der vielfältigen Nutzung von Publikumsräumen, ein mutiger Weitblick in die Zukunft führten zur letzten nachhaltigen Umbauphase am Maiser Angerheim 2005/09. Fit und betriebsam wie nie zuvor zeigt sich das Maiser Vereinshaus seitdem mit einladender Bezeichnung KIMM für Kulturstätte in Meran Mais, im Dienste der Bürgergemeinschaft und im funktionellen zeitgemäßen Architekturkleid neben dem historischen Baudenkmal. Großzügig investierte Beiträge öffentlicher Körperschaften sowie das Engagement örtlicher Banken mit dem Stamser Klerus haben dieses besondere Kulturzentrum Wirklichkeit werden lassen.
von Jörg Bauer