Die ideale, stadtzentrale Lage dieses Gästetempels, insbesondere aber seine Entstehungsgeschichte kann historische Bände füllen.
Es sind Bände von Geschichten über die Ära der Belle Èpoque von Meran und seine Entdeckung als alpentouristischer Kurort in der zweiten Hälfte des 19. Jh.
Meraner Gründerzeit
Zuerst nutzten ärztliche Sanatorien das ganzjährig milde Klima in der Passerstadt, um Kaltwasser-Anwendungen, Molke- und Traubenkuren als Heiltherapie für Lungenkranke anzubieten. Ab 1850 konnten alljährlich zunehmende Gästescharen aus Kreisen des europäischen Hochadels und des aufsteigenden Bürgertums verzeichnet werden. Die wiederholten Kuraufenthalte von Kaiserin Sissi mit Gefolge um 1870 sowie neue Zugverbindungen nach Meran hatten Sogwirkung für die Touristikmeile Meran und ihren Bekanntheitsgrad. In der Folge kam es zu einer Bautätigkeit euphorischen Ausmaßes an touristischen Anlagen, Gästehäusern, Villen; innerhalb von drei Jahrzehnten entstanden neue Stadtteile. Ehrgeizige Touristiker ließen von namhaften Baumeistern ein knappes Dutzend an Grand Hotels erbauen, welche mit klassizistischer Anmutung ergänzt durch Kurhaus, Theater, Parks, Promenaden und Kurbad die mondäne Note der Kurstadt prägen sollten. Ein professionelles Kurorchester sowie ein fest engagiertes Theater-Ensemble sollte die illustren Gäste bis in die Nacht unterhalten. Prominente Persönlichkeiten aus Kunst und Kultur wie Franz Kafka, Christian Morgenstern, Sigmund Freud unter vielen anderen beehrten die Kurstadt mit ihrem Aufenthalt. Um die Jahrhundertwende erlebte Meran den Höhepunkt seiner ersten touristischen Blüte in der k&k-Ära.
Zweimal Meranerhof
Neben Emma, Excelsior, Bellevue/Habsburgerhof, Kaiserhof, Bristol, Palace, Ritz-Stefanie sollte die Wiener Baugesellschaft den ersten Meranerhof als das größte aller Grand Hotels am linken Passerufer gegenüber der Kurhauspromenade erbauen. Durch den Wiener Börsenkrach kam es jedoch 1873 zum Konkurs – erst 1890 konnte der spätere Besitzer Andrè Lenoir den fünfgeschossigen Prachtbau mit 125 Zimmern, Ferienwohnungen, prunkvollen Sälen samt Parkanlage fertigstellen.
Während der Kriegsjahre als Lazarett zweckentfremdet und geplündert, übersteht das monumentale Bauwerk nur knappe 70 Jahre. 1958 kam der Abriss, um an der Stelle Platz für die Salvar-Thermenanlage zu schaffen, welcher ihrerseits lediglich 30 Jahre lang die Funktion als Meraner Kurbad zuerkannt wurde. 2002 erfolgte unter Landesregie dessen Abbruch samt altem Baumbestand zwecks Neukonzeption eines erweiterten Kurparks mit heutigem Thermenplatz, Straßentunnel, Tiefgaragen, Hotel-Gastronomie, Wellness-, Fitness-, Massage-, Sauna-, Kurabteilungen – mit mehreren Schwimmbecken, Teich und Rasenruheflächen – namens Therme Meran. 1967 kommt es am Standort Theaterbrücke zur Wiedergeburt des Meranerhofs als Stadthotel, das sich den Flair des Jugendstils erhalten hat und als Spiegel der Meraner Tourismusgeschichte zwischen Tradition und Moderne heute dasteht.
Ära Familie Eisenkeil
Es war Merans erster Kulturimpresario Karl Wolf, der um 1885 die damalige Villa Adelheid auf der Maiser Uferseite der Passer erwarb. Sie wurde zur Pension Wolf mit stattlichen 20 Fremdenzimmern ausgebaut zu Zeiten, als noch ein „gnaggelter Steg“ anstelle der 1906 erbauten Theaterbrücke über die Passer führte.
Bereits um 1912 ließen Karl Wolfs Nachkommen an derselben Stelle von den führenden Baumeistern Musch & Lun das 80-Betten-Hotel Continental in vornehmer Klassikbauweise mit Jugendstilelementen neu erbauen – ein Meilenstein der Meraner Hotellerie in politisch unsicheren Vorkriegsjahren. 1919 wird Südtirol zur italienischen Kriegsbeute. Trotz Wirtschaftskrise und Militärbesetzung kann das Continental mehr schlecht als recht bestehen. Ab 1950 kommen wieder erste Hotelgäste wegen des Pferderennplatzes, der zu einem der schönsten in Europa erklärt wurde. Mit Krediten aus Rom werden im Continental 1961 sogar Umbauten im Erdgeschoss sowie in der 4. Geschossebene getätigt, die Bettenzahl auf 120 erhöht. Durch Industrialisierung und Wirtschaftsaufschwung in der Nachkriegszeit kommt auch der Tourismus in Meran und Umgebung ab Mitte des 20. Jh. wieder richtig ins Rollen. Für Frau Grete Caćak, der Hotelchefin ohne eigenen Nachwuchs wird der Betrieb im Continental zur Last. Es war wohl glückliche Fügung, an der Bar mit dem geborenen Unternehmer Artur Eisenkeil einen Leibrenten-Vertrag zum Verkauf des Hotelbetriebs auszuhandeln. Gesagt, unterschrieben, getan, ab 1966 nimmt die Ära Eisenkeil gehörig Fahrt auf. Frau Grete bleibt auf Lebzeiten im Hause wohnen – dort, wo schon Karl Wolf wohnte. Für Frau Traudl Eisenkeil als geborene Gastwirtstochter wird die gehobene Hotellerie zu ihrem Lebenswerk.
Der neue Meranerhof
1967 – ein Jahr der Umgestaltung, der Modernisierung von Bädern und Renovierung von Zimmern im Continental, Bau eines Freischwimmbads und die Neueröffnung als Hotel Meranerhof. Weitere zeitgemäße Anpassungen bei der Innenausstattung wurden laufend stilgerecht und unter Beratung des legendären Meraner Künstlers Franz Lenhart vorgenommen. Profilierte Gästepersönlichkeiten aus Politik und Gesellschaft gaben sich ein belebtes Stelldichein im erneuerten Meranerhof. Durch die Beteiligungen der Familie Eisenkeil am Palace, am Bristol und am Ritz/Stefanie wurde die außerordentliche Tüchtigkeit von Frau Traudl während der 1980er Jahre arg auf die Probe gestellt, musste sie doch 4 Meraner Sternehotels gleichzeitig führen.
Mit Unterstützung der beiden Töchter wurden über Jahre maximale Leistungen erbracht – am Ende blieb als Kerngeschäft der Meranerhof, der bis heute mit Frauenpower aus drei Generationen, Traudl, Astrid, Beatrix mit Passion und Professionalität floriert. Vor der Jahrtausendwende wurde noch die oberste Etage neu ausgebaut, samt Nostalgiezimmern im erneuerten Dachgeschoss. Später wurde das Freibad mittels schließbaren Glaswänden zum beheizbaren Hallenbad umfunktioniert, dazu eine Sauna-, Whirlpool-Wellnessoase geschaffen. Der südwärts gelegene und geborgene Ruhepark ist ein beliebter und abgeschirmter Rückzugsort – dies in privilegierter Stadtzentrumslage – 150 Schritte entfernt vom Theaterplatz. 2017 hat der neue Meranerhof sein 50-jähriges Familienjubiläum gefeiert, mit Freude, mit vielen Hausfreunden, mit Stolz und Genugtuung in dieser schnelllebigen Gegenwart.
von Jörg Bauer