Als vor genau 25 Jahren die Zuegg in Lana endgültig ihre Tore schloss, war das nicht nur ein Schock für die rund 80 Angestellten und ihre Familien. „Wer bei der Forst oder Zuegg arbeitet, ist wie ein Landesangestellter“, hieß es damals.
Als Industriestandort fiel Lana unter den Burggräfler Gemeinden immer schon aus der Reihe. Luis Zuegg, Lanas Pionier und Erfinder, hat seinen Teil dazu beigetragen. Lana und die Arbeiterschaft sind ein Thema für sich.
Lana und Marmelade, dazu fällt einem nicht nur Zuegg ein. Auch Menz & Gasser waren dort. Obst war reichlich vorhanden. Wussten Sie, dass die erste Marmelade vom Erfinder-Genie Luis Zuegg während des Ersten Weltkriegs in den großen Kesseln seiner „Pappenfabrik“ hergestellt wurde?
„Die Idee mit der Marmeladenfabrik geht auf meinen Onkel Luis zurück“, schreibt sein Neffe Carl später in seinen Erinnerungen. In der Gaul hatte der Ingenieur bereits 1903 zwei Elektrowerke bauen lassen – ausschlaggebend für die frühe Industrialisierung Lanas. „Als während des Krieges die Fabrik ihren Betrieb (die Pappenfabrik, Anm.d.R.) einstellen musste, ging mein Onkel dazu über, in den Kesseln Apfelmarmelade zu kochen, die er dann dem österreichisch-ungarischen Heer verkaufte“, erinnert sich Carl Zuegg.
Der Erfinder
Luis Zuegg wurde 1876 am Steinbogenhof in Lana geboren. Nach der Pflichtschule und dem Besuch des Benediktinergymnasiums in Meran ging er nach Graz an die technische Hochschule. Er erwarb das Ingenieurdiplom und arbeitete an der Hochschule drei Jahre als Assistent. 1903 kehrte er nach Lana zurück. Sein E-Werk in der Gaulschlucht lieferte später auch den Strom für die Lokalbahn Lana-Meran. Sie war die erste elektrische Bahn in Südtirol. Die Bahntrasse begann in Lana, verlief durch Tscherms und weiter an Marling vorbei zur Etsch, die sie auf einer eisernen Brücke überquerte. Anschließend kreuzte sie die Bozen-Meraner Bahn, verlief über Untermais und gelangte schließlich über die heutige Theaterbrücke zum Theaterplatz. Die Züge verkehrten im Halb-Stunden-Takt mit gleichzeitigen Abfahrten von Lana und Meran. Industrialisierung ist ohne Bahn nicht vorstellbar.
Die Fabriken: Karton, Marmelade und Spritzmittel
Vor der Obstverarbeitung entstand die Pappenfabrik. 1907 war sie in Mitterlana von Ing. Luis Zuegg und seinem Bruder Josef gegründet worden. Fabrikarbeit war aber im bäuerlichen Tirol verpönt, so mussten die Arbeitskräfte auswärts besorgt werden, aus Böhmen, der Steiermark, Kärnten usw. Wie der Name schon verrät, wurde in der Fabrik Holzstoffpappe hergestellt, für Kartone und dergleichen. Das Holz kam anfangs zur Gänze aus dem Ultental. Alte Aufnahmen erzählen von der gefährlichen Holzdrift auf der Falschauer nach Lana. 1909 waren nahe der Fabrik erste Arbeiterwohnhäuser, später eine Arbeitermensa und sogar ein Freischwimmbad für die Arbeiterkinder errichtet worden. Nach guten und schlechten Jahren schloss die Fabrik 1970 endgültig ihre Tore. Nach dem Krieg waren es die Brüder Karl und Vigil Zuegg, welche die Idee ihres Onkels wieder aufgriffen und zunächst in Latsch, ab 1928 dann in Lana industriell Marmelade herzustellen begannen. Aus bescheidenen Anfängen entwickelte sich die Firma Zuegg mit bis zu 250 Arbeitern zu einem der wichtigsten Arbeitgeber in Lana. Menz & Gasser war auch zu dieser Zeit, in den 1920er Jahren von Heinrich Mader gegründet worden. 1935 übernahmen Hans Menz und Matthias Gasser den Betrieb. Beide Betriebe gibt es heute in Lana nicht mehr. Menz & Gasser verlagerten bereits 1975 die Produktion ins Valsugana (TN), Zuegg 1994 nach Verona. Wenigen ist heute noch die Pestizidfabrik Margesin in Erinnerung. Bereits vor dem Ersten Weltkrieg hatte der Obstbau in Lana einen rasanten Aufschwung erfahren. Die steigenden Apfelpreise, welche sich zwischen 1907 und 1914 fast vervierfachten, förderten das Interesse an diesem damals verhältnismäßig neuen Erwerbszweig. Die Folge waren ausgedehnte Neuanpflanzungen in den Etschwiesen, wo sich der Obstanbau von 30 Hektar im Jahr 1860 auf über 900 Hektar im Jahr 1929 erweiterte. Mit dieser Entwicklung einher gingen zwangsläufig auch neue Wege in der Schädlingsbekämpfung und so wurde von den Gebrüdern Margesin eine Schwefel-Kalk-Fabrik ins Leben gerufen. Der Kalk kam von der Töll, der Schwefel wurde in Blöcken zu 50 kg aus Ravenna und Cesena angeliefert. Ein erstes Spritzmittel wurde gegen den Apfelschorf eingesetzt. Nach dem Zweiten Weltkrieg ging der Betrieb an internationale Hersteller von Pflanzenschutzmitteln über. Für die meisten war es eine Erleichterung, als das Unternehmen schließlich die Produktion einstellte.
Lebendige Arbeiterschaft
Lana hatte schon früh eine Art „proletarische“ Arbeiterschaft erhalten. Die ersten Sozialwohnungen Südtirols sind hier entstanden, auch weil sich der Unternehmer Karl Zuegg für seine Arbeiter einsetzte. Dabei war Lana viele Jahrhunderte ein zersiedeltes Dorf. Die einzelnen Teile wie Vill, Gries, St. Peter, die Höfe um die Pfarrkirche in Niederlana waren nicht miteinander verbunden. Im Gegensatz zu Eppan, Terlan oder Kaltern war Lana auch ein kleines und eher ärmliches Dorf. Erst durch die Etsch- und Falschauerregulierung, die Trockenlegung der Sümpfe im Talbecken, den Bau der Eisenbahn, den aufstrebenden Obstanbau und die Gründung der Fabriken änderte sich das Bild allmählich.
Erinnerungen an eine schöne gemeinsame Zeit
Die Zuegg-Marmeladenfabrik in Lana war eine Welt für sich. Vor 25 Jahren wurde die Fabrik geschlossen.
Ivo Maier war 22 Jahre lang als „Marmeladenkoch“ und Betriebsrat bei Zuegg. In Zusammenarbeit mit dem Bildungsausschuss und der Bibliothek Lana lud er zum „Runden Tisch“: Zeitzeugen berichteten über ihre Erfahrungen und hauchten mit ihren Erinnerungen ihrer ehemaligen Arbeitsstätte wieder Leben ein. Der Abend Ende September in der Bibliothek von Lana wurde so zum großen Familienfest. Aus dem ganzen Land und auch außerhalb waren ehemalige Zuegg-Mitarbeiter gekommen: Frauen und Männer, nicht mehr die Jüngsten, die alle eine schöne gemeinsame Zeit miteinander verbindet. Ivo Maier ist einer von ihnen.
Die BAZ sprach mit ihm
BAZ: Vor 25 Jahren wurde die Zuegg in Lana stillgelegt. Erinnern Sie sich?
Ivo Maier: Und wie, ich träume immer wieder von meiner Zeit bei Zuegg. Es war ein besonderer Abschnitt in meinem Leben, den es später so nie mehr gegeben hat. Und nicht nur mir erging es so. Wir fühlten uns wie eine große Familie. Das war dann auch der Grund, dass ich, wo jetzt das alte Fabriksgebäude in der Bozner Straße vor dem Abriss steht, gemeinsam mit dem Bildungsausschuss und der Bibliothek Lana zu einem Abend eingeladen habe. Wir wollten so an die Arbeiter erinnern, viele von ihnen sind bis heute noch miteinander verbunden.
Die Zuegg-Mitarbeiter stehen auch im Mittelpunkt einer Ausstellung in der Fußgängerzone.
Im Herbst 1990 gab Oswald Zuegg den Auftrag, alle Arbeiter bei ihrem Arbeitsplatz zu fotografieren. Nach der Schließung 1994 erhielt ich die Bilder, 20 davon haben wir vergrößert und zeigen sie im Kulturpunkt Lana. Die großformatigen Aufnahmen spiegeln stellvertretend das Leben in der Fabrik wider und erinnern in der Lananer Fußgängerzone an den einst größten Arbeitgeber hier.
Im Dezember 1994 war bei Zuegg Schluss. Wie war das für Sie?
Wie für die meisten ein Schock. So, wie wenn dich die eigene Frau verlässt! Auch wenn das nicht von heute auf morgen gekommen ist, fühlten wir rund 80 noch verbliebenen Zuegg-Mitarbeiter uns verraten. Die Schließung kam ja nicht aus heiterem Himmel. Mitte der 1980er Jahre gab es bereits Pläne, die Produktion in ein in der Nähe von Verona zu errichtendes Werk zu verlagern, und Anfang 1990 hatte Zuegg eine Fabrik in Ostdeutschland gekauft. Von 1991 bis 1995 kamen rund 250 ehemalige DDR-Arbeiter zu uns zur Ausbildung. 1992 wurde ein Teil der Produktion dorthin verlegt. Das hat uns damals schon zu denken gegeben. Trotzdem erlebten wir die endgültige Schließung 1994 als Schock, als Trauma: Man muss sich vorstellen, viele von uns hatten sich schon „lebenslänglich“ bei Zuegg eingestellt, eine Wohnung in der Nähe gekauft, aber wir wollten die Entwicklungen der Zeit einfach nicht wahrhaben.
Wie ging es für Sie und die anderen weiter?
Wir hatten alle keine Probleme, eine gute Arbeit wieder zu finden. Man muss auch sagen, dass die Firmenleitung uns dabei nach Möglichkeit unterstützt hat und niemand auf der Straße gelandet ist. Trotzdem hat es viele sehr getroffen.
Zuegg war immer auch etwas mehr als nur eine Fabrik bzw. Arbeitsstelle?
Richtig, wir waren eine große Familie. Ich erinnere mich noch gut an die Ausflüge und Betriebsfeiern in den 1970er Jahren. Der „Herr Karl“ und der „Herr Max“ sind uns allen in lebendiger Erinnerung, zwei Chefs nach dem alten Stil. Unsere Fußballturniere gegen Alber wurden legendär. Die Streiks und Arbeiterkämpfe in den 1980er Jahren machten Schlagzeilen und prägten das Bild vom kämpfenden Arbeiter im Land. Der „linke“ Arbeiter passte nicht so recht in das sonst sehr traditionelle Dorfbild und Land. So wurde Lana auch zum politischen Angelpunkt für Arbeitnehmerrechte. Eine Rosa Franzelin, würde ich einmal behaupten, hätte es ohne diese Arbeiterbewegung viel schwerer gehabt, in die Landespolitik zu kommen. Auch die Gemeindepolitik verlief durch diese recht lebendige Arbeiterschaft, die sich nichts gefallen ließ, etwas anders als in den bäuerlich geprägten Nachbargemeinden.
Bei Zuegg arbeiteten auch viele Italiener?
Ja, aus dem Val di Rabbi zum Beispiel kamen Ende der 1960er Jahre rund 20 Mitarbeiterinnen zu uns. Wir verstanden uns immer sehr gut mit den Italienern und wurden so auch zu einem guten Beispiel für gelebtes Zusammenleben der Volksgruppen zu Zeiten, wo das bei uns noch gar nicht so selbstverständlich war. Das hat sich auch beim Abend in der Bibliothek gezeigt, zu dem über 30 ehemalige Zuegg-Mitarbeiter beider Sprachgruppen gekommen sind.
Welche Bedeutung hatte Zuegg für Lana?
Eine sehr große, jeder zweite oder dritte Lananer hatte direkt oder indirekt mit der Fabrik zu tun. Bei Zuegg zu arbeiten, war wie eine Lebensversicherung. Hier in Lana wurden in erster Linie Marmelade und Halbfabrikate für die Lebensmittelindustrie hergestellt.
Menschen mit Visionen machten Lana vor 100 Jahren „modern“
Der Historiker Reinhold Staffler ist Verfasser mehrerer historischer Bücher, darunter „Stählerne Stege, der Seilbahnpionier Luis Zuegg“ zusammen mit Albert Innerhofer. Er hat am fünfbändigen Werk „Das 20. Jahrhundert in Südtirol“ mitgearbeitet und war lange Zeit Gemeinderat in Lana.
Die BAZ sprach mit dem Lananer über die frühe industrielle Entwicklung in Lana.
BAZ: Warum war Lana im Vergleich zu anderen Burggräfler Gemeinden relativ früh schon industrialisiert?
Reinhold Staffler: Lana erlebte ab der Mitte des 19. Jahrhunderts einen raschen wirtschaftlichen Aufstieg und dafür waren mehrere Faktoren ausschlaggebend. Die geographische Lage war günstig: nicht weit weg von Meran am Auslauf der Falschauer, erste Anlaufstelle für die Bewohner des Ultentales und des Nonsberges. Die wirtschaftliche Lage wurde durch die Urbarmachung des Sumpfgebietes im Talbecken sehr begünstigt, neuer Kulturgrund war verfügbar, Auen und Möser wurden durch Obstanlagen ersetzt, die Grundlagen für neue Formen des Wirtschaftens waren vorhanden.
Welche Rolle kam dabei der Trambahn zu?
Die neu gegründeten Obstgenossenschaften boten schon früh Arbeitsplätze, vor allem auch für Frauen und suchten Absatzmöglichkeiten über den lokalen Bereich hinaus. Mobilität wurde zum Schlagwort: Durch den Bau der Bahnlinie Bozen-Meran 1881 wurde auch Lana an das internationale Bahnnetz angeschlossen, die Trambahn Lana-Meran (1906) war für den Personenverkehr und die Trambahn Lana-Burgstall (1913) vor allem für den Warenverkehr von Bedeutung: Das Wirtschaftszentrum Meran war schnell erreichbar, mit der Trambahn zum Zugbahnhof Burgstall mit Anschluss nach Bozen wurden Äpfel bis nach Russland transportiert. Zudem profitierte Lana von den Pionierleistungen eines Luis Zuegg, der 1903 in der Gaul ein Elektrizitätswerk erbaute, das vor allem gewerbliche Betriebe wie etwa die neue Pappenfabrik mit Strom versorgte. Auch profitierte Lana im Schatten des boomenden Merans vom aufkommenden Fremdenverkehr, das Vigiljoch wurde bald beliebtes Ausflugsziel, die ersten Sommerfrischhäuschen entstanden. Die Aufbruchstimmung im Dorf zog ab 1880 viele junge Menschen aus der Umgebung, vor allem aus dem Ultental und dem Nonsberg an, die bei Handwerkern und Gewerbebetrieben Arbeit fanden. Die Einwohnerzahl wuchs rasch an, eine rege Bautätigkeit war die Folge, der Standort Lana wurde zunehmend auch für größere Betriebe interessant.
Ing. Luis Zuegg hat also maßgeblich Lanas Modernisierung vorangetrieben?
Alle die genannten Punkte erzeugten ein für die Wirtschaft positives Klima, das Investitionen sicher erscheinen ließ. Um 1900 gab es im Dorf einen Kreis von unternehmerisch mutigen Personen, die – ohne Staats- oder Landeshilfen – neue Ideen verwirklichten: Ausbau eines Teiles der Gaulschlucht in eine Promenade durch den Teisswirt Alois Stauder 1888/89, Verwirklichung der zwei Trambahnen durch eine Aktiengesellschaft unter Führung von Jakob Köllensperger, vor allem ragte aber Luis Zuegg heraus. Der Student an der Technischen Uni in Graz wandte sein Wissen schnell praktisch an und setzte innerhalb kürzester Zeit von 1903 bis 1913 Meilensteine für die Entwicklung von Lana: Bau des E-Werkes in der Gaul, treibende Kraft beim Bau der zwei Trambahnen und als Höhepunkt die Errichtung der Seilbahn auf das Vigiljoch. Alles privat finanziert und in kürzester Zeit realisiert, begünstigt durch unternehmerische Freiheit ohne Ausschreibungen und Rekurse.
Welche Betriebe siedelten sich in diesen frühen Jahren der Industrialisierung hier an?
Durch die schon angesprochenen günstigen wirtschaftlichen Voraussetzungen entstanden in Lana mehrere größere Betriebe, die vielen Menschen Arbeit boten und den Zuzug von außen weiter ankurbelten. Der erste größere gewerbliche Betrieb war die Holzstoffpappenfabrik, kurz Pappenfabrik, gegründet von Luis Zuegg im Jahre 1907. Erzeugt wurde Holzstoffpappe, das Rohmaterial Holz wurde durch die Trift auf der Falschauer aus dem Ultental bezogen. Zeitweise bot die Fabrik 120 Personen Arbeit, 1970 schloss sie ihre Tore. Das in Lana größte Unternehmen war die Marmeladefabrik Zuegg. Ab den Jahren 1880 bis 1923 beschäftigte man sich „nur“ mit dem Obsthandel und dem Export, ab 1924 begannen dann Carl und Vigil Zuegg mit der industriellen Obstverwertung und bauten den Betrieb zum wichtigsten Arbeitgeber in Lana auf. 1994 wurde der Betrieb in Lana geschlossen. In den 1920er Jahren des vorigen Jahrhunderts errichtete Heinrich Mader eine kleine Marmeladefabrik, die, geleitet ab 1935 von Hans Menz und Matthias Gasser, als „Marmeladefabrik Menz & Gasser“ Bedeutung erlangte. 1975 übersiedelte die Fabrik nach Novaledo (Valsuganatal). Ein Meilenstein in der industriellen Entwicklung Lanas war die Einweihung der neuen Industriezone im Falschauermündungsgebiet im Jahre 1981. Vorangetrieben hatte dieses Projekt der damalige Bürgermeister Josef Gruber – heute bieten die Betriebe vielen hunderten Menschen Arbeit.
Wie veränderte sich dadurch das Dorfleben und wie erging es den Arbeitern, die auch von weit herkamen?
Mit den ersten Fabriken kam etwas Neues ins Dorf. Lana war bis dahin ein durch und durch bäuerliches Dorf, in dem es entwicklungs- und einwohnermäßig nur wenig Bewegung gab. Mit der neuen Schicht des Arbeiters kamen lange Zeit viele aus der bäuerlichen Bevölkerung nicht zurecht. Arbeiter von auswärts blieben die Woche über im Dorf, andere pendelten – wie geht man mit diesen Leuten um? Wo sollen sie leben, schlafen, wo bringt man junge Familien unter? Probleme einer Migration eben. Das Dorf war gezwungen, sich zu öffnen, Neues zu akzeptieren. Wichtig in diesem Zusammenhang waren die unternehmerischen Persönlichkeiten: Natürlich stand bei allen die Wertschöpfung, die Kapitalmaximierung im Vordergrund. In Lana haben aber Luis, Carl, Vigil und später Karl Zuegg als wirtschaftsliberale Unternehmer gezeigt, wie man einen Betrieb unternehmerisch und sozial führen konnte. Beispiel Pappenfabrik: Die Firmenleitung war von Anfang an bedacht, die Arbeiter sozial so gut wie möglich zu unterstützen und im Dorf zu integrieren. So errichtete man eine Betriebsküche mit allem Zubehör, man konnte eine Freischwimmanlage benutzen, Brennholz wurde zu Billigpreisen abgegeben, die Wohnungen in zwei neuen Arbeiterhäusern wurden beinahe kostenlos zur Verfügung gestellt, eine Belegschaftsmusikgruppe wurde gebildet. Obwohl lagemäßig am Ende des damaligen Dorfes angesiedelt und dadurch eher isoliert, trugen diese Maßnahmen dazu bei, die Arbeiter zu entlasten, ein eigenes Bewusstsein zu bilden und mit der Zeit Teil des dörflichen Lebens zu werden. Auch in der Marmeladefabrik Zuegg wurden soziale Maßnahmen getroffen, etwa eine Produktionsprämie eingeführt, Betriebsausflüge organisiert. Da die Arbeiterschaft lange Zeit nicht organisiert war, waren innerbetriebliche Auseinandersetzungen selten, erst ab Ende der 60er Jahre pochten die Belegschaften auf stärkere betriebliche Rechte. Herausgestrichen werden muss auch die Tatsache, dass in den genannten Betrieben der Anteil italienischsprachiger Arbeiter recht hoch war, ethnische Spannung aber – auch in politisch schwierigen Zeiten – ein Fremdwort war, im Gegenteil, über die Sprachbarrieren hinaus wurden Freundschaften geschlossen.
Die Pappenfabrik schloss 1970, Zuegg und Menz&Gasser haben später auch Lana verlassen. Wie hat sich dies auf die Gemeindeentwicklung ausgewirkt?
Die Schließung der Pappenfabrik zeichnete sich längere Zeit ab, sie war nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr wettbewerbsfähig, wurde nicht ausgelagert, deswegen war der Schock nicht so groß wie bei den beiden Fabriksschließungen später. Bei Zuegg und Menz&Gasser versuchte die Gemeindeverwaltung, geeignete Standorte für eine Erweiterung anzubieten. Zusammen kam man nicht, die Gemeindeverwaltung hatte immer noch Vorbehalte gegen die Industrie, die Unternehmerseite sah in Lana aber kaum größere Entwicklungsmöglichkeiten. Vor allem die Schließung der Zueggfabrik löste bei den Arbeitern, aber auch bei der Dorfbevölkerung einen Schock aus. Viele fühlten sich dem Betrieb verbunden und von den Entscheidungen der Betriebsleitung überrollt, sozial, finanziell und auch emotional ein schwerer Schlag. Für die Gemeinde bedeutete der Verlust der industriellen Flaggschiffe eine Zeit lang einen Imageverlust, den Verlust von guten Arbeitsplätzen, aber auch den Auftrag, für Arbeitsplätze zu sorgen, was mit der Ansiedlung von weiteren Betrieben in der Industriezone Lana dann auch gelang.
von Josef Prantl