Meran ist allen voran für den Tourismus und als historischer Kurort bekannt. Als Standort für Industrie und Gewerbe wird die Stadt oft außer Acht gelassen.
Nur die wenigsten Südtiroler sind sich bewusst, dass der Meraner Industriebetrieb MEMC nach wie vor zu den erfolgreichsten Silizium-Herstellern weltweit gehört. Geschlossen wird lediglich der Betrieb der Solland Silicon, nachdem er seine Produktion in Sinich schon seit langem eingestellt hat. Doch neben der gewerblichen Tätigkeit auf dem ehemaligen Industriegelände der Montecatini, auf dem heute die MEMC arbeitet, haben seit den 1980er Jahren auch andere Gewerbetreibende das Gebiet für sich entdeckt. Ein wichtiger Meilenstein für die Entwicklung des Gewerbes war die Errichtung der Zone J. Kravogl, nahe der Auffahrt zur Schnellstraße MeBo. Das Speditionsunternehmen „Rudolf Hartmann“ gehörte zu den ersten Betrieben, die sich dort niedergelassen haben. Ein Gespräch mit Geschäftsführer Hugo Hartmann über die Entwicklung des Wirtschaftsstandortes Sinich.
Herr Hartmann, Ihr Betrieb war der erste, der sich in der Gewerbezone J. Kravogl niedergelassen hat. Wie haben Sie den Standort für sich entdeckt?
Hugo Hartmann: Bevor wir den Standort in Sinich für uns entdeckt haben, befand sich unser Firmensitz in der Alpinistraße in der Nähe des Meraner Hauptbahnhofes. Dort befand sich auch das Zollamt von Meran. Es ist heute schwer vorstellbar, dass einst täglich bis zu hundert Sattelschlepper jeden Tag durch das Stadtzentrum zum Bahnhof fuhren, um dort ihre Güter zu verzollen. Ein totales Chaos. Wir schauten uns als Betrieb deshalb schon länger nach einer möglichen Alternative um. Nachdem in den 1990er Jahren der untere Teil des Montecatiniwerkes nicht mehr genutzt wurde und das Gebiet schließlich bis auf 16 Meter unter die Erde bonifiziert war, wurde das Areal mehreren Betrieben zur Errichtung ihrer Betriebsstandorte angeboten. Für uns ergab sich damit eine Gelegenheit. Ein Umzug unseres Firmensitzes ergab nur dann Sinn, wenn auch die Zollbehörde in unsere Nähe ziehen würde. Dazu kam es dann auch. Nach zahlreichen Gesprächen und intensiver Überzeugungsarbeit gelang es mir, das Amt tatsächlich davon zu überzeugen, sich in unserem neuen Betriebsgebäude in der J.-Kravogl-Straße einzumieten. Das Ergebnis war, dass wir die LKWs nicht mehr durch die Stadt lotsen mussten, sondern direkt an der MeBo-Ausfahrt abfangen konnten. Sowohl für uns wie auch für die Verwaltung und die Stadtgemeinde Meran stellte sich der Umzug in die Industriezone in unmittelbarer Nähe der MEMC als richtige Entscheidung heraus.
Dass sich anschließend dann mehrere Betriebe im Hartmann-Gebäude niedergelassen haben, galt als kluger Schachzug. Wir haben damals den freien Marktpreis statt den vorgeschriebenen Preis vom Land bezahlt. Diese Handhabung eröffnete uns die Möglichkeit, Teile des Gebäudes an die Zollbehörde und anderen Firmen weiterzuvermieten.
Wie sah das Gebiet der Gewerbezone früher aus?
Neben dem großen Industriekomplex der Montecatini bestimmten Wiesen und weite Obstanlagen die Landschaft. Ich erinnere mich noch gut daran, wie mich mein Großvater als junger Bub zum Fasanschießen in die sogenannten Meraner Auen mitgenommen hat. Das Landschaftsbild hat sich seither sehr verändert.
Wie hat sich die Gewerbezone dann weiterentwickelt?
Die Grundstücke um die neue Industriezone waren bereits am Anfang Betrieben angeboten worden. Diese haben dann der Reihe nach damit begonnen, ihre Firmengebäude zu errichten. Die Auflage des Landes war, sich stilistisch am ersten Gebäude, das in der Zone entstehen sollte, zu orientieren, um ein einheitliches Erscheinungsbild zu haben. Wir hatten damals mit einer befreundeten Firma gemeinsam den Gesamtkomplex Ing. Trojer zur Verwirklichung gegeben, wobei jedes Unternehmen für seinen Teil selbst verantwortlich war. Das Ergebnis war ein zur damaligen Zeit zukunftsweisender Bau. Aber die Auflagen wurden von den anderen Betrieben nicht befolgt.
Wer war für die Planung der Zone verantwortlich?
Die Planung der Infrastruktur oblag dem Land, das Ingenieur Lee beauftragte, und die Grundstücke wurden erst nach Abschluss der Planungsarbeiten vom Land zum Kauf angeboten.
Was macht die Zone für Betriebe besonders attraktiv?
Die Erreichbarkeit der Zone, die durch die direkte Anbindung an die Schnellstraße MeBo gegeben ist, macht den Wirtschaftsstandort besonders interessant. Außerdem bietet ein gesunder Branchenmix sowie die Nähe zur Industriezone Lana beste Voraussetzungen für eine Gewerbetätigkeit. Die Bemühungen des Landes zur Errichtung der Industriezone unmittelbar an der MeBo-Einfahrt erwies sich von Anfang an als richtige Entscheidung. Dadurch wird der Schwertransport an der Stadteinfahrt zu Meran abgefangen, sodass eine Vielzahl von LKW’s von der Stadtmitte herausgehalten werden. Das war mit ein Grund für die bessere Lebensqualität in Meran. Trotzdem bleibt der Verkehr besonders zu Stoßzeiten an der Ortseinfahrt ein großes Thema. Die Errichtung eines Kreisverkehrs nahe dem ehemaligen Gasthof „Würstl-Hans“ und der Bau der beiden Turbokreisel an der MeBo-Ein- und Ausfahrt waren zwei Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrsachse. Schwierig hingegen sehe ich vor allem die Abfolge der vielen Ampeln, die bei der MEMC beginnt und sich bis zur Abzweigung zur Ortsmitte von Sinich erstreckt.
Wie sehen Sie die Errichtung eines Zugbahnhofes in Sinich zur Verkehrsentlastung?
Die Errichtung eines Zugbahnhofes wird seit langem diskutiert. Allerdings denke ich, dass die Verbindung von Meran nach Bozen, wie sie heute besteht, nicht viel bringen würde. Sinnvoll wäre,. wenn es eine Art Straßenbahnlinie in beide Richtungen gäbe und dadurch mehr Züge fahren könnten.
Sinichs Gewerbezonen
Um das Gebiet der ehemaligen Montecatini-Werke sind seit den 1980er Jahren neben der Industriezone J. Kravogl auch weitere Gewerbezonen entstanden. Dazu zählen die Gebiete „Sinich Bach“ und „Sandhof“. Nachdem sich in „Sinich Bach“ bereits vereinzelte Handwerksbetriebe angesiedelt hatten, kam 1990 der Lebensmittellieferant Johann Schnitzer hinzu und die Zone entwickelte sich allmählich weiter. Spätestens seit Errichtung des Gewerbeparkes „Sinich Bach“ und der Errichtung des OBI-Einkaufszentrums entwickelte sich das Gebiet mehr und mehr zum attraktiven Wirtschaftsstandort. Das ehemalige Industriewerk der ehemaligen Solland Silicon wurde nach langjährigen Verhandlungen nun verkauft und geht laut Stadträtin Gabi Strohmer mit ziemlicher Sicherheit an ein Südtiroler Unternehmen. Der Abbau des Siliziumwerkes ist bereits im Gange. Das Industrieareal soll bonifiziert werden. Bürgermeister Rösch sagt dazu: „Ich sehe dort die Möglichkeit einer Handwerkerzone, in der sich neue Betriebe oder Startups ansiedeln könnten. Im Detail kann erst dann gesprochen werden, sobald das laufende Rekursverfahren abgeschlossen ist. Was ich als Bürgermeister jedoch versichern kann, ist, dass es dort weder eine Mülldeponie noch eine Verbrennungsanlage geben wird.
Als Gemeinde werden wir uns mit Nachdruck für die Entstehung einer attraktiven Gewerbezone einsetzen, in der Arbeitsplätze für die Sinicher Bevölkerung entstehen sollen. Wir werden, unabhängig davon, welcher Südtiroler Betrieb das Gebiet erwirbt, mit Argusaugen darüber wachen, was damit geschieht. Die idealste Lösung wäre eine Handwerkerzone, da uns der Handwerkerverband mitgeteilt hat, welche Fläche die Betriebe zur Erweiterung brauchen würden. Der Abbau der Trichlorsilanvorräte schreitet auf dem Sollandareal gut voran. Die Bonifizierung der Böden kann dann beginnen, wenn wir als Gemeinde vom künftigen Eigentümer der Zone ein Bonifizierungskonzept erhalten und dieses mittels eines Gutachtens bestätigen. Wann das sein wird, kann man im Moment noch nicht sagen.“
Stadträtin Gabi Strohmer sieht für das ehemalige Areal der Solland Silicon noch mehr Potential als nur die Erweiterung des Gewerbegebietes. Je nachdem, wie tief der Boden bonifizierbar ist, könnte man darauf einen Auffangparkplatz bzw. eine Parkgarage bauen. Damit wäre es möglich, den Verkehr in Richtung Meran-Stadtmitte in der Peripherie abzufangen, erklärt Strohmer. Außerdem sei ein möglicher Zugbahnhof in Sinich nach wie vor Teil des Masterplanes. Der genaue Standort dafür hängt von den Möglichkeiten ab, die sich auf dem ehemaligen Areal der Solland Silicon bieten, und können erst definiert werden, wenn die Planung für das gesamte Areal beginnt.
von Philipp Genetti