Wer seit mehr als 20 Jahren im Jugenddienst Meran aktiv ist und insgesamt rund 35 Jahre Kinder- und Jugendarbeit aufzuweisen hat, der muss aus einem ganz besonderen Holz geschnitzt sein.
Das hinterste Zimmerchen in den Räumlichkeiten des Jugenddienstes Meran ist ein kleiner Rückzugsort, fast das „innerste Heiligtum“, zurzeit zur Hälfte vollgestopft mit Kartons aller Art. „Oli“, wie er von allen genannt wird, schafft sofort eine Willkommensatmosphäre jenseits der äußeren Gegebenheiten.
Oliver, erzähl doch ein bisschen aus deinem Leben!
1974 geboren, wuchs ich in Untermais mit 4 Geschwistern auf. Schon früh war ich ein begeisterter Ministrant und so war es fast selbstverständlich, dass ich später „Minileiter“ wurde. Ebenso, wie aus dem Jungscharkind von dazumal ein überzeugter Jungscharleiter und Ortsverantwortlicher wurde. Bereits als Sechzehnjähriger saß ich als Jugendvertreter mit all den Erwachsenen im Pfarrgemeinderat. Dies war sozusagen die „innerkirchliche Karriereleiter“, aber das scherte mich nicht, mir ging es nur darum, den Kindern und Jugendlichen etwas von der Botschaft nahezubringen, die mich selbst immer schon fasziniert hat.
So hatte auch dein beruflicher Werdegang mit „Kirche“ zu tun?
Aber nein, dies war alles ehrenamtlich. Beruflich entschied ich mich erst einmal für eine Konditorlehre, später arbeitete ich bei einer Tankstelle und als Erzieher. Doch irgendwann spürte ich, dass ich selbst eine solide Grundlage brauchte um anderen besser das mitgeben zu können, was mir so wichtig war. So entschied ich mich für die damals dreijährige, berufsbegleitende theologische Ausbildung zum Religionslehrer. Anschließend arbeitete ich für drei Jahre an den Grundschulen von Burgstall/Vöran, St. Nikolaus/Kuppelwies und Sinich.
Nach Jahren ehrenamtlicher Mitarbeit bist du seit 2002 hauptamtlich im Jugenddienst Meran tätig. Warum diese Entscheidung?
Es hat sich irgendwie ergeben, damals suchte man dringend jemanden für Verwaltung und inhaltliche Mithilfe. Ich wagte den Einstieg und wollte es probieren, da ich an dieser Arbeit immer schon interessiert war. Die Arbeit im Jugenddienst begeisterte mich, auch die Zusammenarbeit im Team mit Ulla Trogmann und Ulla Alber.
Wie versteht sich der Jugenddienst? Geht es da um kirchliche oder mehr um offene Jugendarbeit?
Anfangs, im Jahr 1983, wurde der Jugenddienst Meran nur zur Unterstützung der kirchlichen Kinder- und Jugendarbeit gegründet, dann kamen aus finanziellen, aber auch inhaltlichen Gründen die Gemeinden, die Provinz und Bezirksgemeinschaft dazu und somit auch die offene Jugend- und Projektarbeit. Aus manchen Projekten wurde eine Dauertätigkeit, aus Gruppen wurden Vereine oder feste Einrichtungen, wie Jugendtreffs in den Dörfern. Sommerprojekte am Vigiljoch und anderswo, die Streetworker vor Ort auf der Straße, der Infopoint mit Projekten, Beratungen und Netzwerkarbeit, das „Work up“ mit dem „Social Shop“ für die Arbeitseingliederung von Jugendlichen… 1983 begann der Jugenddienst mit einer Teilzeitkraft, 2019 arbeiteten bis zu 32 sehr motivierte Mitarbeiter im Einzugsgebiet des Dekanats Meran und im Burggrafenamt. Der Jugenddienst Meran versteht sich als Fachstelle zur Unterstützung der Kinder- und Jugendarbeit. Ehrenamtlich geleitet und beruflich begleitet, versucht er den Anforderungen der Jugendlichen vor Ort und aktuell mit Netzwerkpartnern gerecht zu werden. Offen – egal welcher Nation, Sprache, Einstellung, sozialen Bedürfnissen!
Was liegt dir im Jugenddienst besonders am Herzen?
Alle Jugendlichen sind im tiefsten auf der Suche, fragen nach dem Sinn des Lebens. Ich finde, die Kirche hat sich sehr weit von ihnen, ihren Fragen und Nöten entfernt. Mir ist es einfach wichtig, Kontakt mit jungen Menschen aufzubauen, und zu halten… da müssen wir heute neue Wege, neue Zugänge finden. Wichtig ist vor allem, dass man die jungen Menschen dort abholt, wo sie sind und nicht, wo man vielleicht meint, dass sie zu sein hätten, und nicht nur wartet, bis sie kommen.
Wie sieht dies für dich konkret aus?
Mehr MIT ihnen tun als für sie! Mit Kindern und Jugendlichen spielen, miteinander essen, feiern, wir brauchen da nur auf das Beispiel Jesu zu schauen! (ok, das ist nun sehr religiös, dennoch…!) Er hat sich nicht gescheut, sich von den unterschiedlichsten Leuten einladen zu lassen, womit er sich natürlich die Kritik der damaligen „Frommen“ einhandelte. Heute ist es nicht anders! Freundschaft anbieten, ein offenes Ohr haben, d. h. aber auch, miteinander einfach blödeln, da sein, nichts anderes. Das „Andere“ kommt dann von selbst!
Was müsste sich deiner Ansicht nach ändern, damit sich Jugendliche wieder beheimatet fühlen in der Kirche?
Gegenfrage – was bieten wir als Kirche den Jugendlichen denn? Ich glaube, wir Erwachsene müssen authentischer sein, das Gefühl geben, dass sie angenommen sind – egal was sie denken und wollen – ihnen Freiraum und Platz geben, aktuelle Themen ansprechen, Tabus aufbrechen und bereden, natürlich auch Grenzen; erklären, was da abgeht, ein offenes, ehrliches Zuhören, sie einzeln ernst nehmen und Zeit geben. Bei alten Traditionen auch den Mut haben, sie umzuändern, zu erneuern. Ich weiß, das klingt schön, ist aber schwer, weil wir einiges verpatzt haben in der Vergangenheit, wir können aber nur dazugewinnen und aufholen.
Ihr habt in Meran die erste Jugendkirche Südtirols. Was hat es damit auf sich?
Wir haben die Kirche der Congregatio Jesu (Englischen Fräulein) am Sandplatz von der Provinz für einige Jahre in Verwaltung bekommen. Wir möchten diese Kirche speziell für Jugendliche nutzen, mit ihren Ideen füllen und beleben, Angebote schaffen, Raum ermöglichen für Kontakt und Gespräche, Kirche anders erlebbar machen mit „Menschensorgern“ wir haben bereits intern einiges in dieser Kirche geändert.
Was sind eure Pläne?
Mit zwei Zukunftswerkstätten konnten wir schon einige tolle Ideen umsetzen, Schritt für Schritt geht es nun weiter. Konkret haben wir jeden Donnerstag die Kirche von 17 bis 19 Uhr geöffnet, zwei Mitarbeiter sind anwesend und bieten bei Tee und Gebäck Zeit an – eine Kostbarkeit, die wir mehr ausdehnen möchten.
Einige Ausstellungen zu Themen wie: Weltethos, Bibelexpedition, Gender… können dieses Jahr in der Jugendkirche besucht werden. Wir möchten alternatives spirituelles Angebot schaffen, den Raum anders entdecken lassen. Auch haben wir einen „Escape Room“ mit religiösen Themen darin.
Was ist dein ganz persönlicher Lebenstraum?
Eine lebendige und begeisterte Kirche von Jugendlichen
Christl Fink