Raum und Landschaft am Tschögglberg

Besser sehen und hören
25. Juni 2020
Bandito
25. Juni 2020
Alle anzeigen

Raum und Landschaft am Tschögglberg

Am 1. Juli 2020 tritt das neue Raumordnungsgesetz „Raum und Landschaft“  in Kraft. Die Bürgermeister des Tschögglbergs nehmen dazu Stellung.

Ein Datum, das viele bauwillige Südtiroler seit der Verabschiedung des Gesetzes im Jahre 2018 beunruhigt. Ist ihre Sorge berechtigt? Was wird sich mit dem neuen Gesetz ändern?

Stellungnahmen der Bürgermeister des Tschögglbergs
Wie blickt man in Vöran auf das bevorstehende neue Raumordnungsgesetz?

Thomas Egger, Bürgermeister von Vöran

Thomas Egger: Mit vielen offenen Fragen, da noch vieles unklar ist. Außerdem gibt es noch keine Durchführungsbestimmungen.

Was beschäftigt die Bürger darüber am meisten?
Wie es weiter geht, vor allem sollte das Genehmigungsverfahren nicht noch schwerfälliger werden, als es zurzeit ist.

Wie verläuft so ein Genehmigungsverfahren ab?
Zurzeit wird ein Projekt auf der Gemeinde hinterlegt. Ab dem Einreichdatum muss die Gemeinde das Projekt daraufhin innerhalb 60 Tage bearbeiten, das ist weiterhin so vorgesehen. Mit dem neuen Gesetz soll es einerseits konzessionspflichtige Bauvorhaben geben, zusätzlich aber auch Bauvorhaben, wo nur eine Meldung genügt. Aber es fehlen dazu noch die Durchführungsbestimmungen. Diese sind ausschlaggebend, wieviel Kubatur, für welchen Zweck und in welcher Zone (innerhalb des Siedlungsgebiets und außerhalb des Siedlungsgebiets) gebaut werden darf. Zurzeit ist dies von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich, was mit dem neuen Gesetz vereinheitlicht werden soll. Noch fehlt vieles, damit dieses neue Instrument einsatzfähig ist. Ich kann mir schwer vorstellen, dass es ab Juli funktioniert.

Welche Bauprojekte wären in Ihrer Gemeinde für heuer geplant und welche Auswirkungen könnte das bevorstehende neue Baurecht auf die Realisierung haben?
Glücklicherweise sind die geplanten Bauvorhaben bereits urbanistisch, also mit dem derzeitigen Gesetz genehmigt und können realisiert werden.

Was würden Sie sich von Seiten der Landespolitik wünschen?
Ich wünsche mir, dass die Gemeinden finanzielle Unterstützung vom Land erhalten, vor allem bei der Ausarbeitung der neuen Bauordnung, was einen technischen Aufwand benötigt und mit beträchtlichen Kosten verbunden ist.

Frau Wiedmer, welche Herausforderungen sehen Sie durch das neue Gesetz „Raum und Landschaft“ für Ihre Gemeinde?

Angelika Wiedmer, Bürgermeisterin von Mölten

Angelika Wiedmer: Für meine Gemeinde wie für viele andere auch stellt die Abgrenzung der Siedlungsgebiete die größte Herausforderung dar. Wir sind bis heute gewohnt, relativ kurzfristig und nach Bedarf über Änderungen in der Raumplanung zu bestimmen. Nun soll sich möglichst die gesamte Bevölkerung mit der zukünftigen Entwicklung der Gemeinde nicht nur raumplanerisch, sondern auch mit einem Mobilitätskonzept oder der touristischen Entwicklung auseinandersetzen. Die Erstellung dieses Gemeindeentwicklungsplanes bedeutet aber vor allem für kleine Gemeinden eine große finanzielle Herausforderung.

Welche Spielräume haben Sie als Gemeinde nach Inkrafttreten des neuen Landesgesetzes?
Wir haben alle noch keine Erfahrung in der Anwendung des neuen Gesetzes, aber gewisse Verfahren werden beschleunigt und können vor Ort entschieden werden. In den verbauten Ortskernen obliegen die raumplanerischen Änderungen den Gemeindeverwaltungen, welche zu einem späteren Zeitpunkt auf die Siedlungsgebiete ausgedehnt werden sollen.

Was würden Sie Bürgern raten, die sich zurzeit in der Bauplanungsphase befinden?
Diese Frage ist schwierig zu beantworten, da jede Situation anders ist. Es hängt davon ab, welche bauliche Maßnahme geplant ist bzw. in welcher Zone die Maßnahme stattfinden soll.

Welche Vorteile sehen Sie im neuen Baurecht?
Ich bin mit dem geltenden Raum­ordnungsgesetz gut zurechtgekommen. Welche Vorteile das neue Gesetz haben wird, kann ich erst zu einem späteren Zeitpunkt beantworten, wenn es Erfahrungswerte gibt.

Herr Romen, während einer Informationsveranstaltung mit Landesrätin Maria Hochgruber Kuenzer im Juni 2019 forderten Sie beim neuen Gesetz für „Raum und Landschaft“ einheitliche Kriterien bei der Festlegung der Siedlungsgrenzen. Warum sind diese wichtig?

Paul Romen, Bürgermeister von Jenesien

Paul Romen: Siedlungsgrenzen schaffen Klarheit und damit hoffentlich Bewusstsein. Je einheitlicher, desto klarer, je objektiver, desto erkennbarer wird alles. Innerhalb des neu definierten Siedlungsbereiches wird vieles möglich, außerhalb jedoch sehr stark eingegrenzt. Vorteilhaft dabei wird, dass innerhalb der Siedlungsgrenzen die örtliche Gemeindeverwaltung viel mehr Kompetenz erhält. Dies bringt für die Menschen vor Ort schnellere Abläufe und Entscheidungen. Mir ist bewusst, dass das Festlegen der Siedlungsgrenzen ein hartes Ringen und große Verantwortung für alle sein wird. Es wird viel Gespräch, Diskus­sion und Überzeugungskraft brauchen, diese Siedlungsgrenzen zu definieren. Zu betonen bleibt, dass auch Siedlungsgrenzen keine Endgültigkeit haben.

Welchen Herausforderungen wird Jenesien sich künftig stellen müssen?
Größte Herausforderung wird es sein, die Wertigkeit des neuen Gesetzes zu fördern und den Bürgern zu vermitteln. Wie gesagt, dazu braucht es viele Gespräche, Diskussionen, Konfrontationen und Überzeugungskraft. Zurzeit spürt man viel Negatives. Mir kommt vor, dass viele Angst vor dem Neuen, vor Veränderungen haben. Anfangs wird es in den Bauämtern viel zu lernen geben, und man wird neben ersten Interpretationen auch viel Augenmaß und Mut brauchen. Aber das brauchten wir auch beim alten Raumordnungsgesetz.

Welche Vorteile könnte das neue Landesgesetz bringen?
Ich sehe im Gesetz keine großen Vorteile, aber auch nicht Nachteile für Jenesien. Als angrenzende Gemeinde zur Landeshauptstadt gibt das neue Gesetz mehr Möglichkeiten zum Schutz und damit Genuss unserer noch intakten Naturlandschaft. Das Land schonen, nachhaltig bewirtschaften und erschließen, ist ein großer Vorteil.

Für viele Landwirte ist die Abschaffung des „Stadel-Gesetzes“ ein Dorn im Auge. Warum?
Am Tschögglberg habe ich noch nicht viel davon gehört. Dieser Passus war einstmals eine vertraute Lösung, um wertvolle Wohnkubatur zu schaffen. Viele haben diese Möglichkeit inzwischen genutzt, andere hatten in dieser Übergangsphase noch alle Möglichkeiten offen. Die zukünftigen Siedlungsgrenzen geben dann wieder Möglichkeiten.

Welche Auswirkungen hat das neue Gesetz auf die Bautätigkeit in der Gemeinde?
Das Gesetz wird auf die Bautätigkeit keine große Auswirkung haben, da wir im Hauptort und Fraktionen noch ausreichend Bauland, sprich Wohnbauzonen, zur Verfügung haben.
Eine Verdichtung der Ortskerne ist auch möglich, und die Landwirtschaft hat ebenso neue Spielräume. Bezüglich Tourismus und Gewerbe ist in den vergangenen Jahren einiges gemacht worden. Komplizierter wird es in den Bauämtern, aber ich bin guter Dinge, dass wir auch dies schaffen werden.

Rechnen Sie mit einer weiteren Verschiebung des Gesetzes oder glauben Sie, dass es, wie geplant, am 1. Juli 2020 in Kraft treten wird?
Nein, das neue Gesetz für Raum und Landschaft wird in Kraft treten. Das ist auch gut so. Das Gesetz ist in seiner Ausrichtung gut, weil es Werte wie Landschaft und „Hoamat“ aufwertet. Wir schimpfen seit bald zwanzig Jahren über das Raumordnungsgesetz, seine Schlupflöcher und eigenartigen Interpretationsmöglichkeiten.

Herr Peer, trotz Corona wird man sich auch in Hafling mit der Thematik des neuen Urbanistik-Gesetzes beschäftigt haben?

Andreas Peer, Bürgermeister von Hafling

Andreas Peer: Das neue Landesraumordnungsgesetz, das mit 1. Juli 2020 in Kraft treten wird, ist längst überfällig. Die Covid-­19-Krise hat die Wirtschaft und das öffentliche Leben auf null gesetzt. Ob dadurch jetzt der richtige Zeit­punkt für diese Erneuerung ist, lässt sich schwer beurteilen, da es immer Vor- und Nachteile und unterschiedliche Sichtweisen gibt. Eine Krise bietet aber auch Chancen in jeder Hinsicht.

Welche Auswirkungen wird das neue Gesetz für Raum und Landschaft auf Ihre Gemeinde haben?
Hafling ist eine Streusiedlung mit den Ortsteilen Dorf, Oberdorf, St. Kathrein und Falzeben. In den verbauten Ortskernen mit den neuen Siedlungsgrenzen wird das Bauen in den Ortskernen we­sentlich erleichtert. Das Bauen außerhalb der Siedlungsgrenze wird hingegen etwas erschwert, d. h. es wird von einer Kommission zusätzlich begutachtet werden. Das neue Raumordnungsgesetz schafft auch neue Möglichkeiten.

Wie ist die allgemeine Stimmung unter den Bürgern?
Momentan machen sich nur wenige Bürger darüber Gedanken. Mehr Gedanken machen sie sich, wie und wann die Wirtschaft nach dieser Krise anläuft.

Dennoch gibt es Menschen, die sich in der Bauplanung befinden und Sorge tragen, dass ihre Projekte nicht mehr realisiert werden können.
Einige Bürger von Hafling haben es jetzt sehr eilig mit der Planung und der Abgabe der Projekte bei der Gemeinde, sodass diese noch mit der alten Regelung realisiert bzw. genehmigt werden können. Doch ich kenne auch Bürger, die sich Zeit lassen und das Projekt erst nach dem 1. Juli 2020 abgeben, weil sie im neuen Gesetz bestimmte Vorteile sehen. Alle Projekte, die vor dem 1. Juli 2020 bei der Gemeinde eingereicht werden, werden jedenfalls weiterhin mit den bisherigen Bestimmungen behandelt.

Welche Projekte stehen in Ihrer Gemeinde heuer noch an?
In den vergangenen Jahren wurde das Glasfasernetz auf dem Gemeindegebiet ausgebaut, aber noch nicht abgeschlossen. Es wird bei jeder finanziellen Möglichkeit weitergebaut. Auch das Vereins­haus haben wir fertiggestellt und die Grundschule mit Bibliothek erweitert und den neuen Bestimmungen angepasst. Der Dorfplatz, der Pausenhof und der Musikpavillon wurden errichtet und heuer im Frühjahr abgeschlossen, und vor wenigen Tagen haben wir auch die neue Zufahrt zur Kirche, Schule und Vereinshaus fertiggestellt. Für das Jahr 2021 wurden uns auch bereits die Geldmittel für die Erweiterung der Zufahrt des Dorfweges vom neuen Kreisverkehr bis zur Feuerwehrhalle/Gemeinde zugesagt. Außerdem soll heuer noch der Planungsauftrag für das neue Gemeindehaus, das in der Nähe des Kreisverkehrs entstehen soll, vergeben werden.

Die Wirtschaft am Tschögglberg
Die Wirtschaft am Tschögglberg ist von der Landwirtschaft, dem Tourismus und einem aufstrebenden Handwerk geprägt. Wie uns Gerti Plattner vom lvh.apa berichtet, spielt das Handwerk in jeder der vier Gemeinden am Tschögglberg eine wichtige Rolle. Die meisten Handwerksbetriebe befinden sich in Jenesien, mit 112 Betrieben und rund 350 Beschäftigten. Vom Maurer, Baumeister, Maler und Lackierer, Tisch­ler oder Transportunternehmen sind die Handwerks-und Dienstleistungsbetriebe breit aufgestellt. Hinzu kommen seltenere Berufe wie der Maßschneider oder Sägewerker. „Außerdem hat jede Gemeinde ihre eigene lvh-Ortsgruppe“, informiert uns Plattner, „in welcher sich Handwerker aus dem jeweiligen Dorf als Gruppe zusammengeschlossen haben und wichtige Themen über das lokale Handwerk besprechen.“

Die Tschögglberger Wirtschaftsschau
Um den Südtirolern die Besonderheiten des Handwerks bei uns am Tschöggl­berg näherzubringen, fand im August 2019 in Vöran die Tschögglberger Wirtschaftsschau statt, bei der sich viele der ansässigen Betriebe präsentieren konnten. „Mit dieser Initiative hat das Handwerk des Tschögglbergs einen weiteren Aufschwung erlebt“, heißt es von Seiten des lvh.apa. Außerdem war die Aktion die Initialzündung für die Schaffung einer gemeinsamen Dachmarke, mit der das Handwerk am Tschögglberg fortan in der Öffentlichkeit auftreten will. Laut Auskunft des lvh-Obmannes von Hafling, Alexander Reiterer, spiele man zurzeit auch mit der Idee, eine eigene Internetplattform für die Tschögglberger Betriebe zu erstellen, um den Wirtschaftstreibenden auch online mehr Sichtbarkeit zu bieten.

von Philipp Genetti