Erfindergeist und wirtschaftliches Geschick treten nicht immer gemeinsam auf. Viele begabte Tüftler wurden mit ihren Erfindungen alles andere als reich. Dafür gibt es allein in unserem Land genügend Beispiele. Nach einigen wurden immerhin Schulen oder Straßen benannt: zum Beispiel in Marling.
Johann Joseph Kravogl, so der vollständige Name, wurde am 24. Mai 1823 um 10 Uhr vormittags in Lana als Sohn des Gerichtsbeamten Joseph Kravogl und seiner Frau Maria Tafratzer geboren. Nachzulesen ist dies im Taufbuch von Lana, festgehalten vom damaligen Kooperator Matthias Reiterer. Bis hierher nicht ungewöhnlich. Viel interessanter sind jedoch die Hinweise, die ein unbekannter Schreiber viel später mit Bleistift unter den Namen notiert hat: „Erfinder des 1. Elektromotors“ und „von Siemens-Halske Berlin erworben“.
Genie allein ist zu wenig
Kravogl verlor seine Eltern früh. Obwohl er nur eine mangelhafte Schulbildung erhalten hatte, eignete er sich ein umfangreiches Wissen im naturwissenschaftlichen und technischen Bereich an. Zunächst erlernte er bei Verwandten in Imst das Schlosserhandwerk und ging als Geselle auf Wanderschaft.
Als er mit 21 Jahren in Zams arbeitete, baute er eine Pressluftlokomotive, seine erste Erfindung. Vermarkten wollte er sie nicht. Viele Jahre später wurden nach seinen Plänen Bergwerkslokomotiven konstruiert. Auch eine Orgel mit zwei Manualen, auf der er spielte, ohne jemals Noten gelernt zu haben, entsprang seinem Erfindergeist. Egal, wo er sich aufhielt, in München, Wien oder Tirol, er versuchte stets, seine physikalischen Kenntnisse zu erweitern. Als er eine Vakuum-Pumpe entwickelte, die besser als alle bis dahin bekannten Modelle war, wurde er zum k.k. Universitätsmechaniker ernannt, ein Titel, mit dem – wie konnte es bei einem Genie anders sein – keinerlei Einkünfte verbunden waren. Seine wohl bedeutendste Idee war das „elektrische Kraftrad“, ein nach neuen Prinzipien konstruierter Elektromotor, der alle anderen mit seinem Wirkungsgrad in den Schatten stellte. Als er seine Erfindungen 1867 auf der Pariser Weltausstellung präsentierte, erhielt er allseits große Anerkennung und eine Silbermedaille. Ein nachhaltiger finanzieller Erfolg blieb jedoch aus, da er sich nicht entscheiden konnte, auf gemachte Angebote einzugehen.
Die letzten Jahre
Wie vielseitig Johann Kravogl war, beweist die Liste seiner weiteren Erfindungen. Darauf befinden sich ein Schnellfeuergewehr und eine Präzisionswaage genauso wie eine lithographische Presse und eine elektrische Glocke. Einige Jahre vor seinem Tod übersiedelte er nach Brixen, wo er eine kleine Werkstatt einrichtete und einen Mitarbeiter beschäftigte. Am Neujahrstag des Jahres 1889 starb er ledig und kinderlos an Lungentuberkulose. Er lebte für seine Ideen und Erfindungen. Seine Cousine, die Schriftstellerin Paula Kravogl, beschreibt ihn im Werk „Jungmädchenjahre“: „Wer ihn sah in seinem blauen Arbeitskittel, an den Füßen mächtige Fleckerlpantoffeln, das gute, freundliche Gesicht und seine gesellschaftliche Schüchternheit, beinahe Unbeholfenheit, der ahnte wohl nicht, was für ein Denker und Forscher vor ihm stand. Seine Sprache war ruhig und gelassen, ich sah ihn nie zornig oder aufgebracht; er war beständig in Angst, nicht höflich genug zu sein – wenn er aber auf sein Fach oder die Naturforschung zu sprechen kam, da war er ein anderer Mensch.“
Christian Zelger