Wer in der Online-Enzyklopädie Wikipedia auf einen Link in roter Farbe stößt, weiß, dass es noch keinen Artikel zum entsprechenden Stichwort gibt. So wartet auch der Sozialreformer Gregor Gasser bis heute auf seinen Lexikoneintrag. Immerhin wurde bereits eine Straße nach ihm benannt: in Nals.
„Der hochw. Dr. Pater Gregor Gasser, Bürgerschulkatechet in Wien, der sich unlängst in der Meraner Heilanstalt einer Operation unterzog, um möglicher Weise eine Erleichterung seines Leidens zu erlangen, ist heute nachmittags 3/4 1 Uhr selig im Herrn verschieden.“ Mit diesen Worten meldete „Der Burggräfler“ am 28. Mai 1913 das Ableben des berühmtesten Sohnes von Nals. Eine Meraner Chronik hingegen erwähnt ihn mit keinem Wort. Interessanter schien, dass man innerhalb von zehn Tagen 117 Zentner Maikäfer gesammelt hatte, die Maurer und Bauarbeiter ihren Streik beendeten und sich Frau Geheimrat Nahida Lazarus für ein Andreas-Hofer-Museum im Vinschger Tor einsetzte. Doch zunächst von Hofer zu Gasser.
Der Großstadtseelsorger
Josef Gasser, der spätere Pater Gregor, wurde am 5. Oktober 1868 in Nals geboren. Seine Eltern waren der Kleinhäusler Georg und seine Frau Theres Larcher. Nach der Matura am Bozner Franziskanergymnasium studierte er zunächst in Trient, dann in Rom an der päpstlichen Universität „Gregoriana“. Ebenfalls unter den Studenten: Eugenio Pacelli, als Papst Pius XII. u. a. für seine Enzyklika „Mit brennender Sorge“ bekannt. Nach Abschluss des Theologie-Studiums erhielt Gasser in der Basilika S. Giovanni in Laterano die Priesterweihe und nahm als Salvatorianer den Namen Gregor an.
Von nun an widmete er sich mit großem Eifer der Ausbildung von Studenten, schrieb für Zeitschriften und hielt Vorträge. Als er 1901 nach Wien-Favoriten versetzt wurde, begann er Arbeiter und Arbeitslose zu unterstützen und gründete Arbeiterverbände. So wurde er zum unermüdlichen Vorkämpfer einer modernen Großstadtseelsorge. Mit seinen sozialen Ideen wollte er das friedliche Zusammenleben fördern. Eine besondere Herausforderung stellte sich dem hervorragenden Organisator, als er die Interessensunterschiede der verschiedenen Altersstufen erkannte. Für Abhilfe sorgte eine Aufteilung der Gruppen mit auf sie abgestimmten Programmen. So entwickelten sich die Salvatorianer zu Experten in der Jugendseelsorge.
Ein langes Leben war Gasser jedoch nicht beschieden. Wie bekannt er war, lässt erahnen, dass nahezu alle Tiroler Tageszeitungen Anfang Mai 1913 berichteten, dass Pater Gregor schwer erkrankt sei und deshalb die „anstrengenden Arbeiten in Schule und Vereinen in Wien“ aufgeben musste. Seine Ärzte hatten ihn nach Meran geschickt, eine erste Operation brachte keine Linderung, jetzt helfe nur noch das Gebet. Wenige Wochen später trat er seinem Schöpfer gegenüber. Als die Salvatorianerinnen 1988 in Obermais ihr 100-jähriges Bestehen feierten, nahm man dies zum Anlass für eine Gedenkfeier mit Festgottesdienst und musikalischer Umrahmung durch den Kirchenchor. Kommen wir nun noch zu Hofer zurück. Jener Teil der Andreas-Hofer-Straße in Nals mit Gassers Geburtshaus wurde zu Ehren des vielseitigen Paters in Dr.-Gregor-Gasser-Straße umbenannt. Ein besonderes Anliegen war ihm immer der Einsatz für die Jugend. Sein Credo lautete: „Sie müssen nicht nur wissen, welche Menschenpflichten ihnen obliegen, sie müssen auch belehrt werden über ihre Rechte.“
Christian Zelger