Mit Georg und Jörg Pircher vom Hofmannhof hat Lana zwei Persönlichkeiten hervorgebracht, die einen Teil der Geschichte Südtirols mitgeprägt haben. Fragen an den Lananer Historiker Simon Terzer.
Herr Terzer, schon als Jugendlicher haben Sie sich für die Geschichte des alten Hofmannhofes interessiert und darüber auch Ihre Maturaarbeit geschrieben.
Der Hofmannhof war den Lananern ein Begriff vor allem wegen des Südtiroler Freiheitskämpfers Jörg Pircher und seiner ortsbildprägenden Lage im Dorfzentrum. Als sich im Jahr 2000 abzeichnete, dass der Vieh-, Obst- und Weinhof verbaut wird, traf es sich mit meinen Überlegungen, ein historisches Thema für die Maturaarbeit zu wählen.
Wann wurde der Hofmannhof erstmals urkundlich erwähnt und woher stammt der Name?
Ein „Hofmanguot“ wird 1412 erstmals zusammen mit dem in unmittelbarer Nähe bestandenen „Laimguot“ am Gries, das von den Herren von Braunsberg herrühren dürfte, genannt. Der Name leitet sich von einem grundherrlichen Amtmann eines Mairhofes ab, der auch auf den Bewirtschafter übertragen wurde. Hier verschmelzen Hof- und Familienname, z. B. ist 1570 „Andre Hofman“ der Inhaber beider Güter.
Wie hat sich der Hof seit dem 15. Jahrhundert entwickelt?
Die Grafen Brandis, welche die Herren von Braunsberg im 14. Jahrhundert beerbten, überließen das Hofmann- und Laimgut dem von ihnen seit 1681 verstärkt geförderten Hieronymitanerkloster Josephsberg oberhalb Forst zur Nutzung. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts verfiel das Haus des Laimgutes. Güter und Wirtschaftsgebäude sowie Gemeinderechte desselben wurden auf das Hofmanngut übertragen. 1734 kaufte das Kloster den Hof und ließ ihn durch Pächter bearbeiten. In den 1770er Jahren sorgte es selbst mit sieben Dienstboten und einem Laienbruder vor Ort für die Bewirtschaftung.
Bis ins 18. Jahrhundert war der Hofmannhof zu einem stattlichen Gut herangewachsen. Was gehörte damals alles zum Hof?
Gemauertes Haus, Stadel und Stall, Backofen. Gemüsegarten, Hausanger mit Weinreben, ein Gemüsegarten mit Reben, zusammen 0,8 ha, drei Äcker mit Reben, alle um das Haus gelegen, zusammen 2,4 ha, eine Futterwiese, Aichwiese genannt, eine weitere, Nändlwiese genannt, beide zusammen 2,6 ha groß, eine Au an der Etsch und ein Acker an der Falschauer, zusammen 3,3 ha, aber durch Überschwemmungen beeinträchtigt.
Die Aufhebung des Klosters Josephsberg unter Josef II. brachte einige Änderungen mit sich. Welche Auswirkung hatte dies auf das Gut?
Die Klosteraufhebung von 1786 führte zur Versteigerung des Gutes an Private. Von 1845 bis 1874 gehörte der Hof der Familie Menz, dann kaufte ihn Sebastian Kapaurer, gebürtig aus St. Pankraz in Ulten.
Unter Sebastian Kapaurer erlebte der Hof einen erneuten Höhepunkt.
Er erweiterte das Wohnhaus samt Keller nach Norden, sorgte für eine neue Fassadengestaltung, wie sie bis zum Hausabbruch bestand, und führte eine rege Weinwirtschaft, welche mit der Gutsverwaltung Brandis, dem Föhrnerhof, der Spitalverwaltung und dem Gasthaus Teiss konkurrieren konnte. Zu dieser Zeit war der Hof einer der größten in Lana (16 ha), besaß Wald im Rateisberg bei Völlan, Auwald und Möser in der Krieg- und Herrenau, Wiesen, Weingärten und Äcker in Oberlana.
Wie erging es nach dem Tod Kapaurers dem Hofmannhof?
Da von den Kindern des Sebastian Kapaurer niemand den Hof übernehmen wollte, kaufte ihn 1898 der mit Viehhandel beschäftigte Georg Pircher aus Lana, der am Gapphof in Mitterlana lebte.
Nach dem frühen Tod des Viehhändlers und letzteren Besitzer des Hofmannhofes Georg Pircher 1912 übernahm sein gleichnamiger Sohn den Hof. Was wurde auf dem Hofmannhof produziert?
Schwerpunkte waren, wie überall in den Landgemeinden des Etschtales, der Weinbau und die Viehwirtschaft, der Obstbau nahm ab 1900 aber immer weiter zu. Der Weinbau wich allmählich zugunsten des Obstbaues und der bis in die 1970er Jahre betriebenen Viehwirtschaft.
Unter der Leitung von Georg Pircher Jun., auch Hofmann Jörg, folgten ab dem Ende der 1960er schwierige Jahre für den Hof. Mit welchen Schwierigkeiten hatte man damals zu kämpfen?
Georg Pircher, der nach den Bombenanschlägen im Gefängnis in Trient saß, übernahm nach dem Tod seines Vaters 1969 den geschlossenen Hof. Sein Vater hatte kein Testament hinterlassen, sodass der Hofinhaber bei über einem Dutzend Geschwistern, die ausgezahlt werden sollten und bei seiner finanziellen Sorge für das Südtiroler Schützenwesen zu mehreren Grundveräußerungen gezwungen war.
Dennoch blieb der für viele Lananer bekannte „Hofmann-Keller“ bis 1999 bestehen.
Mit dem Buschenschank sollten zusätzliche Einnahmen erwirtschaftet werden. 1974 baute der Bruder Anton Pircher die „Ansetz“ und einen Teil des Kellers dafür aus. Um für das Lokal bzw. den Gastbetrieb die Genehmigung zu erhalten, bedurfte es eines Parkplatzes, der an der Südseite des Hauses, anstelle des Gartens und der Obstwiese, geschaffen werden musste. Ein Jahr lang führte Anton den Weinkeller und verpachtete ihn dann weiter. Es gab zahlreiche Pächterwechsel, bis der Betrieb 1999 Konkurs anmelden musste und eingestellt wurde. Den angeschlossenen Weinverkauf belieferte die Kellerei des Josef Brigl aus Girlan. Nach Auflösung des landwirtschaftlichen Betriebes, in den 1990er Jahren, wurde der Hofmannhof 2001 abgerissen und 2005 darauf die bis heute bestehende Wohnsiedlung „Hofmann“ errichtet. Seit 2008 befindet sich auf dem ehemaligen Hofmannhof-Areal auch ein Gedenkstein. Denn fast noch spannender als die Geschichte des Hofes selbst sind die Lebensgeschichten seiner letzteren Besitzer Georg Pircher Sen. und Jörg Pircher, alias Georg Pircher Jun. Beginnen wir bei Pircher Senior. Georg Anton Pircher wurde als zweites Kind des Georg Pircher und der Theresia Ladurner am 31. Januar 1902 am Hofmannhof geboren. Bereits mit zehn Jahren verlor er seinen Vater. Seine Mutter war ihrem ältesten Sohn und Übernehmer eines der größten Höfe in Lana deshalb eine wertvolle Stütze. 1925 heiratete er Maria Staffler, Schwarzbauertochter, welche ihm bis zu ihrem frühen Tod 1940 acht Kinder schenkte. Sein ältester Sohn Georg (Jörg) stammte aus dieser Ehe. Aus der zweiten Ehe, geschlossen 1941 mit Maria Tanzer, Zörnlabtochter, gingen weitere sechs Kinder hervor.
Eine besondere Rolle spielte Georg Pircher in Lana zeit seines Lebens als kommissarischer Bürgermeister von Lana. Wie kam er zu diesem Amt?
Durch die Zivilverwaltung der Operationszone Alpenvorland wurde er im Oktober 1943 zum kommissarischen Bürgermeister ernannt und blieb bis zum Kriegsende im Mai 1945 im Amt. Die Ernennung erfolgte aus dem Kreis der lokalen Arbeitsgemeinschaft der Optanten für das Deutsche Reich durch den damaligen Präfekten Dr. Karl Tinzl.
Als die Italiener nach Lana kamen, wurde ihm das Amt aber zum Verhängnis.
Als im Mai 1945 die Division der „Folgore“ nach Lana kam, weigerte er sich, die Trikolore am Gemeindehaus auszuhängen, da er auf eine Anweisung des Präfekten Tinzl beharrte. Die alliierte Militärregierung ließ die Hakenkreuzfahne entfernen und verurteilte ihn zu einer Haftstrafe, die er in Bozen absaß.
Mit dem Herz am rechten Fleck, setzte sich Georg Pircher in den Nachkriegsjahren weiterhin für das Land Südtirol ein, insbesondere als Vorsteher des „Rücksiedlerhilfskomitees“.
Die im Zuge der Option ausgewanderten Südtiroler erhielten 1948 wieder die italienische Staatsbürgerschaft, und viele von ihnen wanderten nach Südtirol ein. Ein dringendes Bedürfnis war daher die Beschaffung von Wohnungen und Wohnbauhilfen, der sich das „Rücksiedlerhilfskomitee“ in Lana annahm. Mehreren Rücksiedlern stellte Georg Pircher zu sehr günstigen Bedingungen auch eine Wiese seines Hofes als Baugrund zur Verfügung (Beispiel: Agatha-Siedlung).
Durch den unbeugsamen Einsatz für seine Heimat wurde Pircher weit über die Tiroler Grenzen bekannt. So kam es auch, dass man ihn bei der Kundgebung von Sigmundskron 1957 als Vertreter der Bauern um eine Rede bat.
In dieser Rede brachte der Hofmannbauer die Forderungen der Kundgebung auf den Punkt: „Wir wollen ja nichts als unsere Heimat und unsere Arbeit. […] Wir wollen dies mit der Stadt Bozen. Wir wollen frei sein! Aber wir fürchten auch niemand. Angst und Furcht kennt der aufrechte Tiroler nicht! Liebe Landsleute! Heute werden im Geiste viele nach Südtirol blicken, hier her, Millionen, gut und schlecht Gesinnte. Die Gutgesinnten sind nicht enttäuscht worden, wohl aber die Schlechtgesinnten. […] Wir werden am Ende der Kundgebung offen und feierlich vor aller Welt bekennen und fordern, was wir brauchen und wollen! […] Los wollen wir! Weg von Trient! Freiheit für Südtirol.“
Später trug Sohn Jörg den Einsatz für das Land Südtirol weiter.
Wie viele andere erkannte der junge Hofmannbauer am Ende der fünfziger Jahre die völlige Erfolglosigkeit der offiziellen Politik. Er wollte daher zum aktiven Widerstand beitragen und begann mit Sprengungen auf italienische Volkswohnbauten in Meran.
Bemühte man sich bei der Großkundgebung um friedliche Mittel, um das Südtirolproblem zu lösen, so griff der Befreiungsausschuss Südtirol (BAS) dann doch zu anderen Mitteln. Welches Ziel verfolgte der BAS?
Das Ziel war durch größtmögliche Schädigung des italienischen Staates, allerdings unter Schonung von Menschen und Privateigentum, die Weltöffentlichkeit auf das Südtirolproblem aufmerksam zu machen und dadurch auf den italienischen Staat Druck auszuüben.
Die Feuernacht im Juni 1961 sollte in die Geschichte eingehen. Welche Rolle spielte dabei Jörg Pircher?
Nachdem in Meran eine eigene BAS-Gruppe entstanden war, kümmerte sich Pircher vor allem um die Gruppe Lana, Tisens und Ulten. Diese Gruppen wurden von Jörg Pircher mitbetreut. In der Herz-Jesu-Nacht sprengte er mit Walter Gruber und Luis Egger bei Rateis die zum E-Werk in Lana führende Wasserröhre. Das Südtirolproblem erreichte dadurch größeres Aufsehen, weil nun klar wurde, wie ernst es um Südtirol stand. Italien geriet durch die Feuernacht unter Zugzwang. So ergaben sich neue Entwicklungen, wie die Einsetzung der sogenannten 19er-Kommission, unter deren Federführung ein Vertragswerk ausgearbeitet wurde, das 1972 als Südtirol-Paket in Kraft treten sollte und die Ausweitung der Autonomie zum Ziel hatte.
Wie schätzen Sie als Historiker den Einsatz von Georg Pircher und Jörg Pircher aus Lana für die Entwicklung Südtirols als Autonome Provinz Bozen ein?
Beide haben sich als Idealisten für die deutschsprachigen Südtiroler und deren Land eingesetzt. Auf dem Sterbebild von Georg Pircher sen. steht daher mit Recht: „Der Wille zu opfern und zu helfen war stets sein Verlangen für die Seinen und der Heimat Südtirol.“ Auf dem seines Sohnes heißt es: „Er war ein Kämpfer für seine über alles geliebte Heimat.“
Unser Lana“: den lokalen Wirtschaftskreislauf fördern
Aber nicht nur für die spannenden Geschichten seiner Dorfbewohner ist der Standort Lana bekannt. Die 12.559 Einwohner zählende Gemeinde im Burggrafenamt hat auch wirtschaftlich einiges zu bieten. Vor allem sind es gut aufgestellte Traditions- und Familienbetriebe, die den Hauptanteil der Wirtschaft ausmachen. Hinzu kommen innovative Unternehmen, die zu einer bunten Branchenvielfalt beitragen. Wer von der Schnellstraße MeBo nach Niederlana einfährt, wird durch den LED-Bildschirm auf das Logo der Aktion „Unser Lana – Lana Nostra“ aufmerksam gemacht. Dieses Motto ist Lanas Antwort auf den Neustart während Corona. „Ziel der Kampagne ist es, Anreize für den Kauf lokaler Produkte und die Inanspruchnahme Südtiroler Dienstleistungen aufmerksam zu machen. Davon profitieren sowohl Verbraucher als auch Anbieter. Die lokalen Wirtschaftskreisläufe sollen gefördert, Produkte und Dienstleistungen gestärkt und die Wertschöpfung in Lana garantiert werden“, heißt es dazu auf der Gemeindewebseite. Hinter dieser Initiative steht die Arbeitsgruppe „Wirtschaftskreislauf Lana“, die sich aus Vertretern der Gemeinde sowie den Lananer Wirtschaftsverbänden: Kaufleute Lana, Südtiroler Bauernbund, Ortsausschuss Lana, Landesverband der Handwerker, Ortsausschuss Lana und dem Tourismusverein Lana und Umgebung zusammensetzt. Einige der Aktionen dieser Kampagne waren bislang die Auswertung einer Umfrage Lananer Betriebe, die Erstellung einer Infobroschüre sowie eine thematische Freiluftausstellung. Außerdem werden auf den sozialen Netzwerken wichtige Beiträge mit den Hashtags #UnserLana #LanaNostra versehen, um auf die Besonderheiten des Wirtschaftsstandortes Lana hinzuweisen. Es geht darum, Lana wieder neu zu entdecken. Diese Einladung sollten wir uns nicht entgehen lassen.
von Philipp Genetti