Mit einer Sensibilisierungskampagne wollen Kultur- und Wirtschaftsakteure gemeinsam das öffentliche Bewusstsein für eine mehrsprachige Gesellschaft in Südtirol schärfen.
Sprichst du LUCHSISCH? Parli ZEBRESE? Baieste CAMALEONESC? Mit diesen Fragen, die sich auf einer Plakatserie wiederfinden, soll die öffentliche Aufmerksamkeit humorvoll auf das Thema der Mehrsprachigkeit gelenkt werden. Insgesamt fünf Plakatversionen liefern auch schon die Antwort: „Wir auch nicht. Aber viele andere Sprachen.“ Und verweisen mit der Betonung „Nie wieder sprachlos!“ auf die Webseiten des Landes zum Thema Sprachen (www.provinz.bz.it/sprachen). Plakatiert wird an Südtirols Bahnhöfen und Bushaltestellen.
Die Initiatoren der Kampagne, die für Weiterbildung, Mehrsprachigkeit und Fremdsprachen zuständigen Landesämter, erklären in diesem Zusammenhang: „Die Tatsache, dass wir alle unzulänglich sind, weil wir keine Tiersprachen sprechen, dafür mit anderen Sprachen unterschiedlich umgehen können, soll uns zu bedenken geben, dass wir als Menschen von Natur aus mehrsprachig veranlagt sind und viel unternehmen können und sollen, um diese Fähigkeit zu nutzen und auszubauen.“
Eine Reihe von Initiativen zur Mehrsprachigkeit
Unter dem gemeinsamen Logo #multilingual stehen aber nicht nur die Kampagne zur Bewusstseinsbildung und die Plakataktion: Für die kommenden drei Jahre planen die Kultur- und Bildungsabteilungen des Landes gemeinsam mit Handelskammer und Wirtschaftsverbänden verschiedene Initiativen zur Mehrsprachigkeit, darunter gezielte Betriebs- und Sprachpraktika in der Landesverwaltung sowie einen Sprachen-Event 2021.
Bereits umgesetzt wurde der Jugendwettbewerb „Jonglieren mit Sprachen macht Spaß“: Jugendliche konnten bis Ende August 2020 Vorschläge einbringen, um Gleichaltrige für die Sprachenvermittlung zu begeistern und von der Wichtigkeit der Mehrsprachigkeit zu überzeugen. Eine fünfköpfige Mädchengruppe aus dem Passeiertal hat sich den ersten Preis geholt. Die ursprünglich für heute angesetzte Prämierung musste coronabedingt ebenso abgesagt werden wie die Vorstellung der #multilingual-Kampagne. Das beste Jugendprojekt soll aber zu einem späteren Zeitpunkt vorgestellt und ausgezeichnet werden.
„Mehrsprachigkeit stärkt Selbstbewusstsein und Sozialkompetenz“
Hinter den Mehrsprachigkeitsaktionen stehen die zuständigen Landesräte: „Die EU propagiert seit Jahren, Bürgerinnen und Bürger sollen sich neben der Muttersprache in mindestens zwei weiteren Sprachen verständigen können. Aber nur wenige Regionen erfüllen dieses vom Europarat postulierte Ziel“, betont Landesrat Philipp Achammer: „Wir Südtiroler leben in einem dreisprachigen Land, in dem die Beherrschung mehrerer Sprachen selbstverständlich ist und konsequent gefördert wird. Nutzen wir daher diese Chancen.“ Auch in der Zeit coronabedingter Einschränkungen gebe es viele Möglichkeiten des Online- oder eLearnings, sagt Achammer: „Denn Mehrsprachigkeit stärkt nicht nur das Selbstbewusstsein und die Sozialkompetenz, sondern ist in einem Europa, wo jeder seinen Arbeitsort frei wählen kann, vor allem eines: ein Wettbewerbsvorteil.“
Der ladinische Landesrat für Bildung und Kultur und Landeshauptmannstellvertreter Daniel Alfreider sagt: „Mehrere Sprachen zu verstehen und zu sprechen ist in unserer Gesellschaft fast eine Selbstverständlichkeit geworden. Einsprachigkeit ist eher ein Ausnahmezustand. Wir möchten zu mehr Mut für sprachliches Handeln motivieren.“ Wichtig sei, im Alltag die vielfältigen Chancen und Angebote zu nutzen, um die Sprachkompetenz zu verbessern. „Der mündliche Sprachgebrauch bildet die Voraussetzung für unsere Mehrsprachigkeit“ sagt Alfreider.
Und der italienische Kulturlandesrat und Landeshauptmannstellvertreter Giuliano Vettorato erklärt: „Mit der Kampagne #multilingual möchten wir gleich mehrere Botschaften senden: Allen voran, dass es eine individuelle, aber auch kollektive Bereicherung ist, mehrere Sprachen zu sprechen.“ Mehrsprachigkeit bringe Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen zusammen: „Wer über sprachlich-kulturelle Grenzen hinausblickt, erweitert seinen Horizont und eröffnet sich neue Perspektiven.“
Mehrsprachigkeit, eine Schlüsselkompetenz
Mehrsprachigkeit sei nicht nur eine persönliche Qualifikation, sondern auch eine wichtige Grundvoraussetzung für die Arbeitswelt, ergänzt der Präsident der Handelskammer Bozen, Michl Ebner: „In der heutigen globalisierten Welt ist Mehrsprachigkeit eine unerlässliche Schlüsselkompetenz. Damit der Wirtschaftsstandort Südtirol weiterhin attraktiv bleibt und sich auch neue Wachstumsmärkte erschließen kann, bedarf es mehrsprachiger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.“
Dem schließt sich auch Marina Rubatscher Crazzolara an, Gastwirtin und Vorsitzende des Beirats zur Förderung des weiblichen Unternehmertums der Handelskammer: „Mehrsprachigkeit ist nicht nur für international tätige Unternehmen oder für Führungskräfte von Bedeutung, sondern für alle Branchen und Mitarbeitenden. Besonders im Tourismus ist die Kenntnis mehrerer Sprachen äußerst wichtig. Der Gast kommt nur dorthin, wo er sich wohl fühlt, dazu gehört auch das sich Verständigen in der eigenen Sprache.“
Dass die Mehrsprachigkeit einen Mehrwert darstellt, davon ist schließlich auch der Präsident des Südtiroler Wirtschaftsrings, Hannes Mussak, überzeugt: „Die Mehrsprachigkeit ist ein Mehrwert, den jeder in seinem persönlichen Umfeld spürt. Sie ist eine persönliche Qualifikation und Bereicherung. Wer mehrere Sprachen spricht, ist erfolgreicher. Dieses Bewusstsein wollen wir schärfen und damit gleichzeitig Mut machen, die eigenen Sprachkenntnisse zu verbessern.“ (jw)