Die Verhandlungen um die Bildung einer Stadtregierung für Meran erweisen sich als schwierig. Das hängt auch damit zusammen, dass kein klarer Sieger aus den Wahlen hervorgegangen ist. Bis spätestens 3. November muss aber die Stadtregierung stehen, um Neuwahlen zu verhindern.
Laut Regionalgesetz und Gemeindestatut besteht der Stadtrat samt Bürgermeister aus sieben Personen. In der vergangenen Legislatur saßen vier deutsche und drei Italiener im Meraner Stadtrat. Jetzt hat sich das Verhältnis, das nach den Sitzen im Gemeinderat errechnet wird, aber umgekehrt. Weil bei den Gemeinderatswahlen im September 19 Italienerinnen und Italiener in den Gemeinderat gewählt wurden, muss der neue Stadtrat jetzt aus vier Italienern und drei Deutschen zusammengesetzt werden. Die SVP als stärkste Einzelpartei in Meran fordert für sich 2 Sitze. Der Meraner Arzt und neue SVP-Stadtobmann Ernst Fop führt die Verhandlungen. Eine Koalition zwischen Liste Rösch/Grüne, Team K, Ökosoziale Linke, PD, Alleanza und Civica und ohne SVP ist auch nicht ausgeschlossen. Damit hätte Paul Rösch eine Mehrheit von 20 Räten im Gemeinderat. Nur einen mehr als für die Mehrheit im 36-köpfigen Gemeinderat notwendig ist. Die SVP wäre dann auf der Oppositionsbank. Auch nicht undenkbar für den neuen SVP-Stadtobmann. Nach Stadtrat Stefan Frötscher erhielt Ernst Fop mit 554 Vorzugsstimmen bei den Gemeinderatswahlen am 20. und 21. September am meisten Stimmen auf der Meraner SVP-Liste. Der 50-jährige Familienvater von drei Kindern ist ein Politik-Neuling. 1969 in Meran geboren studierte Fop Medizin und war als Anästhesist im Krankenhaus Bozen, Korpsarzt bei der Südtiroler Berufsfeuerwehr, ärztlicher Leiter der Flugrettungsbasis Bozen und als stellvertretender Chefarzt der Südtiroler Notfallmedizin tätig. Seit zwei Jahren ist er leitender Arzt in der ParkClinic in Martinsbrunn mit Schwerpunkt „Allgemeine medizinische Grundversorgung.“
Die BAZ im Gespräch mit dem neuen SVP-Stadtobmann:
Nach dem Wahldebakel im September war innerhalb der Meraner SVP einiges in Bewegung. Der Obmann von Obermais, Martin Ganner, und Stadtobmann Andreas Zanier traten zurück. Sie wurden nun interims zum neuen Stadtobmann gewählt.
Ernst Fop: Von Wahldebakel würde ich nicht sprechen. Unser Ziel, den Bürgermeister zu stellen, haben wir zwar nicht erreicht, aber ein Debakel ist das Wahlergebnis nicht. Für eine erfolgsverwöhnte Partei, wie es die SVP Meran lange Zeit war, aber schlimm und eine Niederlage. Es ist uns klar, dass wir uns rundum erneuern müssen. Vor allem aber müssen wir wieder viel mehr Bürgernähe schaffen und die Meranerinnen und Meraner an unseren Entscheidungen einbeziehen. Politik trifft insgesamt oft nicht mehr den Nerv der Menschen, die sie vertritt. Bürgernähe und Bürgerbeteiligung müssen in der SVP Meran wieder großgeschrieben werden. Wir müssen den Menschen mehr zuhören und ihre Probleme mehr berücksichtigen als bisher.
Sie haben nach Stefan Frötscher die meisten Stimmen innerhalb der SVP-Fraktion. Wie erklären Sie sich als Polit-Neuling diesen Erfolg?
Es freut mich sehr, dass ich so viele Stimmen erhalten habe, auch wenn ich kaum Werbung für meine Person gemacht habe. Durch meine Tätigkeit in der Flugrettung und als Arzt bin ich vielleicht vielen Menschen bekannt. Die Meranerinnen und Meraner kennen meinen Charakter. Ich verstelle mich nicht, habe meine Vorstellungen, die ich klar äußere, weiß aber auch, dass ich Fehler mache und daraus lerne. Es geht mir nicht um einen Posten in der Politik, nicht um Macht oder Profit. Es geht mir um die Sache, und das wissen die Menschen, die mich gewählt haben, auch.
Insgesamt hat die Partei bei den Wahlen kein gutes Bild abgegeben. Warum hat es Richard Stampfl nicht in die Stichwahl geschafft?
Der außergewöhnliche Erfolg der Italiener in Meran, die sich zu einer Art Sammelpartei zusammengeschlossen haben, hat dazu beigetragen. Auf der deutschsprachigen Seite war man sich nicht im Klaren, wer sie vertreten soll. Wir gerieten in die ungute Situation, dass sich der deutschsprachige Anteil der Meranerinnen und Meraner geteilt hat, während die Italiener einen starken Einheitsblock bildeten. Das Ergebnis ist nun, das wir in Meran drei ungefähr gleich große Blöcke haben.
Sie sprachen in einem Rai-Interview von einem reinigenden Gewitter. Was haben Sie damit gemeint?
Wir sind gewillt, die Partei so zu erneuern, dass wir glaubwürdige Politik machen können. Die Frauen und die jüngeren Mitglieder erwarten viel mehr Unterstützung, wir brauchen ihre neuen Ideen, den frischen Wind. Es muss uns gelingen, uns in der Öffentlichkeit ins rechte Licht zu rücken. Zu oft sind wir in den Medien als die Schlechtredner dargestellt worden, was nicht der Wirklichkeit entspricht.
Wie geht es mit der SVP unter Ihrer Führung weiter?
Wir wollen mitgestalten, und das geht nur, wenn wir auch mitregieren. Deshalb werden wir uns um eine Staatsregierung bemühen, in der die Partner auf Augenhöhe miteinander kommunizieren. Die Wähler erwarten sich, dass sich die drei aus der Wahl hervorgegangenen Blöcke (Liste Rösch/Grüne, italienische Bürgerlisten, SVP) auf ein Programm einigen und eine funktionierende Stadtregierung bilden. Mir ist es sehr wichtig, dass wir im neuen Stadtrat gleichberechtigt sind und nicht als Juniorpartner dastehen.
Wie wollen Sie es schaffen, was Richard Stampfl nicht geschafft, nämlich die Partei auf einen Nenner zu bringen?
Richard Stampfl hatte durch die Coronakrise nicht die Möglichkeit, sich überzeugend vorzustellen. Dazu hätte er mehr Zeit gebraucht. Die Menschen hatten andere Sorgen in dieser Zeit. Wir als Partei haben es nicht geschafft, wirkliche Bürgernähe herzustellen. Vielleicht hätten wir auch etwas Demut zeigen sollen. Richard Stampfl war zudem nicht Obmann der Partei, als unabhängiger Kandidat hatte er nicht den vollen Rückhalt.
Ist es nicht erschreckend, wenn Kreise in der Partei für Dal Medico Stimmung machten?
Die Stichwahl ist hauchdünn ausgefallen. Karl Freund verbindet eine Freundschaft mit Dal Medico, seine Wahlempfehlung war eine rein persönliche Sache. Auf italienischer Seite hat man aber verstanden, wie man die Menschen erreicht. Wir haben das zu wenig verstanden und wenn wir nicht dazulernen, werden wir keine Wahl mehr gewinnen.
Bruno Hosp hat der Meraner SVP vorgeworfen, sie gebe die Neutralität nur vor und opfere ethnische und kulturelle Werte wirtschaftspolitischen Interessen. Was sagen Sie dazu?
Ich schätze Bruno Hosp sehr, aber es irritiert mich sehr, dass er mit so einer Aussage an die Öffentlichkeit geht, ohne vorher mit uns darüber zu sprechen. Damit hat er uns sehr geschadet.
Hat es der Partei an einer kohärenten Haltung gefehlt? Mitregieren und gleichzeitig Opposition spielen wie bisher scheint kein guter Ratgeber zu sein?
Ich sehe das nicht so. Dass uns aber in der Öffentlichkeit oft der Schwarze Peter zugeschoben wurde, das stimmt und das müssen wir in Zukunft ändern. Es geht nicht, dass die anderen die Lorbeeren ernten und wir als die Schlechtredner dastehen.
Wäre es nicht besser, die SVP würde für die kommenden 5 Jahre in die Opposition gehen?
Wenn wir nicht zu einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit in der neuen Stadtregierung finden, dann ist eine gute Oppositionsarbeit für die SVP in Meran sicher besser.
Sie sagten kürzlich, wenn man mitgestalten möchte, müsste man auch mitregieren. Was muss Rösch tun, damit Sie mit ins Boot steigen?
Uns als gleichberechtige Partner behandeln. Momentan geschieht das zu wenig. Wir müssen alle aufeinander zu gehen. Wir haben drei gleich starke Blöcke in der Stadt. Dass wir 2 Stadträte stellen, entspricht der Gleichbehandlung. Das Problem ist, dass im neuen Gemeinderat aber mehr Italiener vertreten sind, sie also Anrecht auf vier Stadträte haben. Für Rösch wäre es kein Problem, aus seiner interethnischen Liste einen italienischsprachigen Stadtrat zu finden. Wir sind auch dafür, dass Madeleine Rohrer, die wir sehr schätzen, in den Stadtrat kommt. Dazu würden wir einer Aufstockung auf 7 Stadträte zustimmen.
Was hat Sie eigentlich bewogen in die Politik zu gehen?
Ich war lange Zeit politikmüde und hatte eine negative Einstellung zum politischen Geschäft, das mir zuwider war, wenn ich an die vielen Machenschaften und Skandale dachte. Bis der Moment kam, dass ich mir sagte, dass es, anstatt zu schimpfen, besser ist, selbst etwas zu verändern. Dass ich nicht so versiert wie ein erfahrener Politiker bin und oft das ausspreche, wovon ich überzeugt bin, auch wenn es taktisch unklug erscheinen mag, dazu stehe ich. Ich glaube, dass die Menschen sich von einem Politiker, der sie vertritt, in erster Linie Ehrlichkeit erwarten. Und dazu gehören parteitaktische Spielchen nicht. Vielleicht würde ein authentisches Verhalten, das Fehler miteinschließt, der Politik besser tun als die noch so ausgeklügelte Taktik.
Soziale Gerechtigkeit haben Sie sich zum Leitmotiv Ihrer politischen Arbeit gemacht. Was heißt das konkret?
Die soziale Frage ist mir ein großes Anliegen. Spontan fallen mir leistbares Wohnen in der Stadt, die Jugendförderung, die Sorgen und Ängste der alten Menschen ein.
In Ihrem Wahlversprechen steht unter anderem auch eine verbesserte und nachhaltigere Organisation des Stadtmülls. Konkret, woran denken Sie dabei?
Ich habe bewusst keine Wahlversprechen gemacht. Ich habe aber Themen in mein Wahlprogramm aufgenommen, die den Menschen am Herzen liegen und das ist unter anderem die Müllentsorgung. Ich möchte niemandem die Schuld an der Misere geben, aber wir müssen das Müllproblem in der Stadt lösen.
von Josef Prantl