von Josef Prantl
Schon der Platz zwischen Palace-Hotel, Sanitätseinheit, Kulturzentrum und Postzentrale und dazu noch wenige Schritte vom Stadtzentrum entfernt, spricht für sich. Lebensqualität für die rund 150 Heimgäste (bewusst nicht Heimbewohner genannt) zu schaffen, verspricht die gefällige Architektur des neuen Kur- und Pflegeheims am Meraner Marconiplatz. Geplant vom Suldner Architekten Arnold Gapp fällt das vierstöckige Gebäude ins Auge: modern und doch nicht aufdringlich, gut eingebettet in den städtischen Kontext. Ziel der Planungen war ein dezidiert modernes Haus mit großzügigen Räumen und wohnlichem Ambiente, das sowohl den Vorstellungen von einer menschenwürdigen Pflege als auch den umfassenden Baurichtlinien für Alten- und Pflegeheime des Landes Südtirol genügen sollte.
Merans neues Kur- und Pflegeheim
Die Eckdaten zum Neubau: 150 Heimplätze aufgeteilt auf 6 Wohnbereiche, die Zimmer rund 30 qm groß, komfortabel eingerichtet und mit eigener Nasszelle, zwei Drittel davon sind Einzelzimmer. Einen traumhaften Rundumblick genießt man auf der Dachterrasse, guten Kaffee und köstliche Mahlzeiten für das leibliche Wohl in der ebenerdigen Bar und der „Mensana“. Seit 1. September sind Bar und Mensa öffentlich zugänglich. ST. JOSEF will keine Insel der Alten sein, vielmehr Treff- und Begegnungsort. Im kommenden Frühjahr wird das Gesundheits- und Therapiezentrum seine Tore öffnen. Die öffentliche Tiefgarage ist bereits seit Juni in Betrieb.
Christina Sinner, Jahrgang 1921, wohnt schon im „ST. JOSEF“. Sie hat am 1. Oktober, dem internationalen Tag der Senioren, ihren 100. Geburtstag gefeiert. „So lange wie möglich selbstbestimmt leben zu können, das zu ermöglichen, ist uns sehr wichtig“, liegt Sepp Haller am Herzen. Der gebürtige Passeirer leitet die Alten-, Senioren- und Pflegeheime der Deutschordensschwestern. Haller bringt reichlich Erfahrung mit: „Das Konzept der klassischen Altenheime passt nicht mehr in die neue Alterskultur“, sagt er. Haller weiß, dass es gerade im Bereich des Wohnens und der Pflege für alte Menschen neue Antworten braucht. Bis ins hohe Alter in den eigenen vier Wänden unabhängig und selbstbestimmt zu leben, lautet sein Credo. Erst wenn das nicht mehr möglich ist, weil eine intensivere Pflege notwendig wird oder das familiäre Netz überfordert ist bzw. wegfällt, erst dann bietet sich ein Heimaufenthalt an. „Ein Umzug ist immer ein weitreichender Schritt,“ weiß Haller. ST. JOSEF möchte ihn leichter machen: durch die Atmosphäre, die in den Zimmern (Tagespreis: 64 Euro im Einbettzimmer, 61 Euro im Zweibettzimmer), in den Wohnbereichen, den Begegnungsmöglichkeiten, in der Konzeption des gesamten Hauses herrscht. Aber das sind Äußerlichkeiten, sagt der Direktor. Was zählt, ist das Gefühl von Geborgenheit zu schaffen, für alle, die hier leben, arbeiten, als Gast ins ST. JOSEF kommen. Geborgenheit ist mehr als nur das Dach über dem Kopf. Was zählt, sind die ganz normalen Dinge des Lebens: ein gutes Essen, ein freundlicher Guten-Morgen-Gruß aus dem Mund der rund 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ST. JOSEF, die Qualität in der Pflege unter Leitung von Pflegedienstleiterin Irene Platter und der ärztlichen Versorgung, für die Geriatrie-Primar Christian Wenter und sein Team Sorge trägt. Wie im „normalen“ Leben zu stehen, dieses Gefühl den älteren Menschen zu vermitteln, ist wichtig. Deshalb gibt es in ST. JOSEF auch die (öffentliche) Bar, die ebenfalls öffentliche Mensa mit frisch zubereiteten Speisen, Bereiche für Kurzzeit-, Tages- und Nachtpflege, das öffentliche Gesundheits- und Therapiezentrum und die Tiefgarage mit 162 Stellplätzen, davon 90 öffentlich. Wollte man ein Fachwort verwenden, würde man von Inklusion sprechen, also alten Menschen möglichst viel Eingebundensein in die Gesellschaft, den Alltag, die Normalität ermöglichen.
Kompetenz der Deutschordensschwestern
Erfahrung in der Altenpflege haben die Deutschordensschwestern schon lange, führen sie doch noch weitere vier Heime: das Pflegeheim St. Josef in Völlan, das Seniorenwohnheim St. Josef in Tisens, das Altenheim Sonnenberg in Eppan und das Pflegeheim St. Anna in Lana. Damit zählen sie zu den größten Anbietern im Land. Das Leitbild des Ordens „Helfen und Heilen“ im Dienst an den alten und kranken Menschen wird mit Unterstützung vieler verlässlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weitergetragen. Nach einem arbeitsreichen Leben sollen die Menschen in Würde alt werden dürfen. „In unseren Heimen sorgen die Schwestern gemeinsam mit vielen Pflegerinnen dafür, dass sich ältere und kranke Menschen geborgen fühlen und medizinisch, sozial und spirituell begleitet werden“, heißt es im Leitbild der von den Deutschordensschwestern geführten Heime.
Die Idee des gemeinschaftlichen Miteinanders spiegelt sich nicht nur in der Architektur von ST. JOSEF wider, vielmehr noch im Pflege- und Betreuungskonzept.
Ein Gespräch mit Direktor Sepp Haller.
Herr Haller, 104 von insgesamt 150 Heimgästen sind bereits in das neue Kur- und Pflegeheim ST. JOSEF Meran eingezogen. Wie sind die ersten Erfahrungen?
Sepp Haller: Die Rückmeldungen sind durchwegs positiv, das Haus gefällt, aber darum geht es nicht. Es kommt nicht auf den Bau an. Unser Credo lautet: Es kommt auf die Qualität der Pflege, die professionelle pflegerische Versorgung und Freundlichkeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an. Im Mittelpunkt stehen die Bedarfe und Bedürfnisse des pflegebedürftigen Menschen. Freiwillig geht kaum ein älterer Mensch von seinem Zuhause weg und in ein Pflegeheim. Wir beobachten aber, dass Menschen, die diesen Schritt gewagt haben, nach einer ersten Eingewöhnungsphase glücklich und dankbar sind, dass sie in der neuen Umgebung leben dürfen.
Muss ein Seniorenheim also kein Schreckgespenst sein, vor dem man Angst haben muss?
Das Reizwort ist Heim. Heim hat für viele noch den negativen Touch von Armut, strengen Tagesabläufen, Disziplin, Entmündigung usw. Die Angst vor dem Verlust der Privatsphäre, nicht mehr selbst bestimmen zu können, abgeschoben zu werden, und vor allem, auf die Gunst anderer angewiesen zu sein, ist in vielen Köpfen. Wir haben in unseren Häusern Heimgäste aus allen gesellschaftlichen Schichten und mit einem Durchschnittsalter von knapp 90 Jahren. Diese Menschen haben noch andere Zeiten erlebt, die wir nicht mehr kennen. Sie haben unser Land aufgebaut und wertschätzen es, in einem schönen Zimmer alt werden zu dürfen, gutes und gesundes Essen zu bekommen und sich in einer Gemeinschaft behütet und aufgehoben zu wissen. Die Entlastung von Hausarbeit, wie waschen, bügeln, kochen, putzen, die Sicherheit im Notfall mit 24-Stunden-Betreuung, die kulturellen und gesellschaftlichen Angebote, all das schätzen die Heimgäste. In einem Seniorenheim ist man nicht aus dem Leben gerissen. Man zieht nur in einen neuen Lebensabschnitt um.
Was zeichnet das Betreuungs- und Pflegekonzept von ST. JOSEF besonders aus?
Wir wissen, dass Menschen zusehend älter werden, dass Demenzkrankheiten zunehmen. Hier braucht es andere Pflegekonzepte. Die Schaffung flexibler und effizienter Hilfeangebote zur Entlastung pflegender Angehöriger, die Qualifizierung für die besonderen Bedürfnisse Demenzkranker und eine möglichst durchlässige Versorgungsstruktur auch zum ambulanten Bereich sind die Eckpfeiler unseres Konzeptes in den fünf Senioren- und Pflegeheimen. Angebote der Nacht- und Tagespflege sind ebenso wie die Kurzzeitpflege von hoher Bedeutung für die Unterstützung und Entlastung häuslicher Pflege in Zukunft.
Ein Ort der Begegnung soll ST. JOSEF sein.
Wir bringen die alten Menschen zusammen, lassen sie erfüllte Tage und Gemeinschaft erleben. Dafür schaffen wir eine Atmosphäre der Normalität in ST. JOSEF, hier trifft man sich: Berufstätige, Mütter mit Kindern, Gäste – zum Kaffee, zum Mittagessen, zur Untersuchung im Gesundheitszentrum, das im Frühjahr in Betrieb geht. Anders als die Privaträume sollen die Gemeinschaftsbereiche als offene Kommunikationsflächen fungieren, die durch ein vielfältiges räumliches und organisatorisches Angebot eine hohe Erlebnisdichte bieten. Wir hoffen, dass das trotz der Pandemie bald möglich sein wird.
Die Menschen wollen so lange wie möglich ein selbständiges Leben in ihren eigenen vier Wänden führen. ST. JOSEF sieht sich auch als Tagespflegeheim: Was ist damit gemeint?
Kurzzeitpflegeangebote mit rehabilitativer Ausrichtung können Menschen nach gesundheitlichen Krisen besser unterstützen, vielleicht wieder in eine häusliche Versorgung oder zunächst in eine rehabilitative Behandlung zu gelangen. Im Mittelpunkt steht für uns, dass die älteren Menschen ihre Autonomie und Selbstbestimmung erhalten können, auch wenn sie pflegebedürftig sind. Und die Privatsphäre ist uns sehr wichtig. Unsere Heimgäste sollen den Komfort haben, den heute ein Hotel bietet. In den Gemeinschaftsräumen trifft man sich, man ist also nie allein, hat aber auch in seinem Zimmer die nötige Privatsphäre, den ganz persönlichen Rückzugsraum.