Vor fast genau 103 Jahren unterzeichneten Österreich und Italien einen Waffenstillstandsvertrag. Damit war der Erste Weltkrieg am 4. November 1918 beendet. Die gleichnamige Straße in Meran erinnert noch heute daran.
Treffen sich ein Österreicher und ein Italiener. Stichelt der Letztere: „Wieso hat Österreich eine Marine, aber kein Meer?“ Darauf kontert der Angegriffene: „Gegenfrage: Wieso hat Italien einen Finanzminister, aber kein Geld?“ Auch das deutsche Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ schlägt in dieselbe Kerbe. Doch dieses Mal kommen die Österreicher schlecht weg: Warum besitzt die österreichische Marine keine U-Boote mehr? Letzten Sonntag war Tag der offenen Tür. Doch genug der billigen Witze. So wie Österreich nicht gerade als Kolonialmacht bekannt ist – in der Tat haben sie nur kurz die Nikobaren im Indischen Ozean beansprucht –, so ist die Verbindung des Landes mit einer U-Boot-Flotte nicht unbedingt eine unmittelbare. Werfen wir deshalb einen Blick zurück an den Anfang des 20. Jahrhunderts. Das von den Habsburgern regierte Österreich war ein mächtiger Vielvölkerstaat mitten in Europa. Weil dazu auch die östliche Adria gehörte, verfügte das Land über eine Kriegsmarine inklusive U-Booten. 1908 liefen die ersten österreichischen Modelle vom Stapel und wurden im Weltkrieg eingesetzt, um die dalmatinische Küste zu schützen. Doch mit dem Ende des Krieges war auch das Schicksal der Flotte besiegelt. Im erwähnten Waffenstillstandsvertrag wurde Österreich dazu verpflichtet, alle U-Boote zu übergeben. Immerhin 15 Stück existierten noch, die anderen waren bereits während des Krieges versenkt worden, hatten sich in einem Netz verfangen und sanken oder galten als verschollen.
Neuer Name
Der Waffenstillstandsvertrag von Villa Giusti in der Nähe von Padua wurde von Italien und Österreich am 3. November 1918 unterzeichnet. Ungarn hatte sich bereits von Österreich losgesagt und fühlte sich davon nicht betroffen. Zu den Unterzeichnern auf italienischer Seite gehörte Pietro Badoglio, der in der Geschichte Italiens noch eine Rolle spielen wird. Da der Vertrag am darauffolgenden Tag in Kraft trat, endete der Krieg offiziell am 4. November. In Meran wurde zehn Jahre später unter Podestà Maximilian Markart die Algunder Straße, die zum Bahnhof führt, in 4.-November-Straße umbenannt.
Neue Ruhestätte
Doch zurück zu den U-Booten. Eine besondere Geschichte ist mit der U-20 verbunden.
Das fast 39 m lange Boot wurde 1916 in Pula fertiggestellt. Aufgrund der rasanten technischen Entwicklung in diesem Bereich war es aber bereits veraltet. Durch die nötigen Anpassungen kam es erst 1917 zum Einsatz. Angetrieben von einem Elektromotor und bewaffnet mit Kanone, Maschinengewehr und Torpedos patrouillierte es in der Adria. Anfang Juli 1918 verließ es das letzte Mal seinen Hafen. Schon am Tag darauf wurde es von einem italienischen U-Boot gesichtet. Nach mehreren Versuchen torpedierten die Italiener die U-20 und trafen sie im vorderen Drittel des Rumpfes. Der Schiffskörper wurde auseinandergerissen und sank auf den Grund der Adria. Obwohl die Italiener nach überlebenden Seeleuten suchten, fanden sie niemanden. Jahrzehntelang blieb das stählerne Grab der Soldaten unangetastet. Da aber Fischernetze regelmäßig an den Metallteilen hängenblieben, wurde das Wrack zu einem Ärgernis. 1962 wurde deshalb eine italienische Firma mit der Bergung beauftragt, die mehrere Monate in Anspruch nahm. Nicht nur wurden beide Teile des zerrissenen Bootes gehoben, auch die sterblichen Überreste von immerhin zwölf der 17 Matrosen konnten geborgen werden. Nach der Überführung in das österreichische Heimatland setzte man sie 44 Jahre nach ihrem Tod auf dem Friedhof der Theresianischen Militärakademie mit militärischen Ehren bei. Unmittelbar nach der Bergung wurden die zwölf Särge jedoch zuerst nach Redipuglia gebracht, der größten italienischen Gedenkstätte zu Ehren der Toten des Ersten Weltkrieges. Dort fand eine Aufbahrungsfeier der italienischen Marine statt – im Geiste der Freundschaft zweier benachbarter Völker und dem gemeinsamen Wunsch nach Frieden.
Christian Zelger