Die Industriezone Lana ist vor allem als Wirtschaftsstandort bekannt. Weniger bekannt ist, dass sich hier auch eine lebendige Kunstszene befindet.Seit 2012 hat die Kunsthalle West in den Räumen des Eurocenters ihren Sitz.
von Philipp Genetti
Nicole Abler, Kuratorin und Vizepräsidentin, stellt im Interview die Kunsthalle näher vor.
Frau Abler, was ist die „Kunsthalle West“ in Lana?
Seit 2012 gibt es die Kunsthalle West, nächstes Jahr feiern wir 10-jähriges Bestehen. Gegründet wurde der Verein von Erwin Seppi – erster Präsident –, Ulrich Egger, Arnold Dall’O, Hannes Egger und Camilla Martinelli. Die Kunsthalle befindet sich im zweiten Stock des Eurocenters und besteht aus einer leerstehenden Industriehalle, die uns von „Stahlbau Pichler“ zur Verfügung gestellt wurde. Dadurch entstand eine zeitgenössische Kunstplattform, in der in verschiedenen Abständen unterschiedlichste Kunstformen dargeboten und Ausstellungen gezeigt werden. 2016 bin ich Teil des Teams geworden und 2017 haben wir einen Verein gegründet, mit dem Ziel auch internationale Verankerung zu finden. Mittlerweile verstehen wir uns als Schnittstelle zwischen nationalen und internationalen Kuratoren und Künstlern mit der lokalen Kunstszene in Südtirol. In der knapp 10-jährigen Tätigkeit als Kunsthalle hat sich dieses Konzept bestens bewährt.
Sie organisieren Ausstellungen und sind Vizepräsidentin der Kunsthalle. Wie ist es dazu gekommen?
Das hängt mit meiner Ausbildung zusammen. Ich habe Kunstgeschichte in Wien und Kulturmanagement in Bologna und London studiert. Es war für mich schon immer klar, dass ich irgendwann in meine Heimat zurückkehren werde. Den Künstler Ulrich Egger kannte ich über meinen Vater. Von ihm hatte ich auch von der Kunsthalle West erfahren und war begeistert, als ich dort einige frühere Ausstellungen besucht habe. Daraufhin hat mich Ulrich angesprochen, ob ich nicht in irgendeiner Form Teil des Teams werden wollte. Als Masterstudentin im Fachgebiet Kulturmanagement bot sich für mich damit eine einzigartige Gelegenheit. In meiner Abschlussarbeit habe ich 2016 den internationalen Kunstmarkt analysiert und mich in diesem Zusammenhang mit dem künstlerischen und wirtschaftlichen Aspekt der Performance-Kunst befasst. In der Kunsthalle West konnte ich daraufhin meine erste Ausstellung „PERFOURMANCE“ kuratieren. Nach der erfolgreichen Ausstellung bin ich seither der Kunsthalle und der Kunst- und Kulturszene Südtirols treugeblieben. Ich betreue die Homepage und Social Media, kuratiere einmal im Jahr eine Ausstellung und wurde 2020 schlussendlich zur Vizepräsidentin des Kunstvereins gewählt. Mit im Vorstand sind außerdem: Ulrich Egger (Präsident), Jimmy Nussbaumer (Journalist), Laurin Kofler (Graphic Designer) und Petra Polli (Künstlerin). Adina Guarnieri und Gabi Renner unterstützen uns im Bereich Presse und Newsletter.
Wie schaut die Zusammenarbeit mit nationalen und internationalen Kuratoren aus?
Nachdem wir uns mittlerweile einen Namen im In- und Ausland gemacht haben, werden einige Projekte inzwischen von externen Kuratoren betreut und organisiert, von denen viele auch schon selbst auf uns zugekommen sind, um Kooperationen mit uns einzugehen und die Kunsthalle für Ausstellungen zu nutzen. Zudem haben wir auch Kooperationen u.a. mit dem Palais Mamming, dem Kunsthaus Meran, dem Südtiroler Künstlerbund und streben weitere Zusammenarbeiten mit verschiedenen Kunst- und Kultureinrichtungen an.
Ein Beispiel ist unsere letzte Ausstellung. Dazu hat uns zunächst die bekannte italienische Kuratorin Illaria Bignotti aus Brescia kontaktiert und uns angeboten in Zusammenarbeit mit dem Archivio Antonio Scaccabarozzi eine Ausstellung über zeitgenössische Kunst in der Kunsthalle zu organisieren. Gezeigt wurden Arbeiten der Künstler Antonio Scaccabarozzi, Francesca Pasquali und der Südtiroler Künstlerin Esther Stocker.
„Restart“ lautet ein besonderes Kulturprojekt der Kunsthalle, um in der Coronakrise die lokale Kunstszene zu fördern. Wie ist dieses Projekt entstanden?
Man muss sich das so vorstellen: Plötzlich steht die Welt still, die Kulturstätten mussten ihre Tore schließen und die Coronakrise mit Einschränkungen, Lockdowns, usw. hatte uns fest im Griff. Ich denke, jeder hat seine Erfahrungen damit gemacht. Ausgehend von dieser Notlage haben wir uns als Verein gefragt, welchen Beitrag wir als Kunstinitiative in dieser schwierigen Zeit leisten können. Wir kamen zum Schluss, dass wir, sobald es die Corona-Bestimmungen zulassen, Südtiroler Künstlern ermöglichen wollen, die Halle als kostenlosen Schauraum bzw. als Kunstgalerie zu nutzen. Aus dieser Idee heraus ist im September 2020 die „Restart-Messe“ hervorgegangen mit dem Motto: „Kunst fördern, Kunst fordern“. Jeder Künstler, der auf uns zugetreten ist, hatte die Möglichkeit, unsere Halle als eine Art „open space“ zu nutzen und dadurch Kunstinteressierten sich und seine Kunst zu präsentieren. Das Projekt wurde zu einem beachtlichen Erfolg und einige Künstler konnten sogar ihre Werke verkaufen. Zudem haben wir auf unserer Homepage eine virtuelle Galerie „Kunsthalle West trotz Corona“ eingerichtet, wo wir Werke von Südtiroler Künstlern veröffentlichen, samt Kaufpreis und direktem Kontakt.
Was stand in diesem Jahr noch auf dem Programm?
Angefangen haben wir vor 10 Jahren mit sechs Ausstellungen im Jahr. Aufgrund unseres Budgets haben wir dann beschlossen, uns auf vier Projekte zu konzentrieren. Zwei Ausstellungen finden im Frühjahr statt und zwei im Herbst. In diesem Jahr konnten wir glücklicherweise wieder unsere normale Tätigkeit aufnehmen und haben im Mai mit der ersten Ausstellung der drei Südtiroler Künstler Letizia Werth, Paul Thuile und Heinz Mader begonnen. Kuratiert wurde die Ausstellung von Andreas Hapkemeyer. Eine weitere entstand in Zusammenarbeit mit den Bücherwürmern in Lana, bei der Kunst und Literatur eine Symbiose fanden. Wir möchten neben bildender Kunst und Fotografie auch Performance- und Videokunst, Literatur, Theater bis hin zu kleineren Konzerten anbieten.
Und was erwartet uns 2022?
Das Programm für das Jubiläumsjahr ist noch nicht vollständig. Es sollen aber im Laufe des Jahres wieder vier Ausstellungen organisiert werden. Als Höhepunkt steht im Frühjahr eine Ausstellung fest, die in Zusammenarbeit mit Südtiroler Kunstsammlern entsteht, um die lokale Kunstszene von einem anderen Blickwinkel zu zeigen. Wir hoffen, dass uns die Coronapandemie nicht wieder einen Strich durch die Rechnung macht.