Südtirol und Ostbelgien: „Gemeinsame Herausforderungen“
16. Februar 2022
Freiheit.
17. Februar 2022
Alle anzeigen

Der Tunnel

Küchelbergtunnnel, Kavernengarage und Standseilbahn: Drei Mega-Projekte, die das Verkehrsproblem von Meran, wenn nicht lösen, so wenigstens entspannen sollen. Läuft alles nach Plan, rollen in vier Jahren die Autos über die sogenannte Nord-West-Umfahrung nach Passeier und umgekehrt. Eine Mega-Tiefgarage soll dann auch das innerstädtische Parkplatzproblem lösen. Sahnehäubchen auf der Mobilitäts-Torte ist eine Standseilbahn von
Meran nach Tirol und Schenna. Um die ist es momentan allerdings sehr still geworden.
von Josef Prantl

Zurecht ist die Nord-West-Umfahrung ein Jahrhundertprojekt. Durch den rund 2 Kilometer langen Küchelbergtunnel wird ab 2026 jeder, der Richtung Passeiertal fährt, nicht mehr durch die Stadt kriechen müssen. Endlich, nach fast 40 Jahren Projektdiskussion! Denn Überlegungen, wie man mit der stetig wachsenden Blechlawine in und um Meran am besten fertig wird, gibt es seit den 1960er-Jahren.

Beispiel einer modernen Standseilbahn in Paris

Arbeiten im Küchelbergtunnel

Die gesamte Umfahrung wird 3 Km lang
Aribo Gretzer, Manfred Ebner und Konrad Bergmeister sind die Planer des Jahrhundertprojekts, mit dessen Bau bereits vor mehr als 10 Jahren begonnen wurde. Am 15. 10. 2013 war der erste Schritt getan: Nach dreijähriger Bauzeit wurde das 1. Baulos der Umfahrung für den Verkehr geöffnet; Gesamtkosten 75 Millionen Euro. Heute ist es eine Selbstverständlichkeit, von der MeBo-Ausfahrt Meran durch den (ersten) Tunnelabschnitt ins Stadtzentrum zu fahren. Im September 2020 wurde nach Verzögerungen endlich der Vertrag zur Aus­führung der Bauarbeiten zum 2. Baulos unterzeichnet, im Oktober fand die Übergabe der Arbeiten statt. Baustellenareale wurden am ehemaligen Bauhof Meran und in der Tiroler Handwerkerzone „Zenoberg“ eingerichtet. Ak­tueller Stand des Vortriebs 885 Meter von insgesamt 2.188 Metern. Die Hälfte ist also fast geschafft! Es ist dies das größte Infrastrukturprojekt des Landes. Und das teuerste: 160 Millionen Euro wird das 2. Baulos der Umfahrung zu Buche schlagen, wenn alles nach Plan geht.

Die Hälfte ist geschafft
Am 26. 3. 2021, also vor knapp einem Jahr, war es soweit: Die erste Sprengladung war geglückt. Nicht einfach gestalten sich seitdem die Sprengarbeiten, weil sie unterhalb von bewohntem Gebiet verlaufen. Aus diesem Grund müssen die Sprengmeister auch sehr genau rechnen, damit die Erschütterungen keine Schäden an den Häusern anrichten. Täglich wird seitdem zweimal gesprengt. Für den Tunnelbau verantwortlich zeichnen drei Südtiroler Unternehmen: Carron Bau GmbH (Gruppenführer), Mair Josef & Co. KG des Mair Klaus und Di Vincenzo Dino & C. AG. Der Tunnel verläuft vom Meraner Bahnhof unterhalb der Goethestraße durch das Stadtzentrum und den Zenoberg bis zur Handwerkerzone von Tirol.

Baustelleneinfahrt am alten Bauhof in der Meraner Goethestraße

Die Sprengsätze im Felsen sind wie ein Spinnen-Netz verbunden

Innovativer Tunnelbau
Der gesamte Tunnelbau erfolgt in bergmännischer Bauweise. Es ist somit keine offene Bauweise mit einer offenen Baugrube vorgesehen, bis auf kleine Bereiche wie für die Fluchtwege und die Startbaustelle beim Bauhof der Gemeinde Meran. Derzeit gibt es zwei Sprengungen am Tag, morgens gegen 7 Uhr und abends gegen 19 Uhr. Der Sprengstoff kommt aus Spanien und wird täglich von Sicherheitsleuten angeliefert. Es handelt sich um Dynamit in Gelform. Täglich werden zuerst bis zu 180 Sprenglöcher gebohrt. Diese werden dann mit dem Dynamit gefüllt. Anschließend werden die verschiedenen Ladungen mit Zündschnüren verbunden und elektronisch gezündet. Nach der Sprengung wird das Ausbruchsmaterial in Lastkraftwagen abtransportiert. Das Ausbruchmaterial wird zu 95 % wiederverwertet, es gibt praktisch keine Abfälle.

Die Megagarage
Sie war ein umstrittenes Projekt, aber gehört mittlerweile zum Gesamtpaket: Die Kavernengarage. Im Küchelberg wird Raum für 594 unterirdische und zentrumsnahe Autostellplätze geschaffen. Vorgesehen ist auch eine Garage mit Verleih für rund 200 Fahrräder, weiters 12 Ladestationen für Elektroautos, mehrere Car-sharing-Parkplätze, 31 reservierte Parkplätze für Frauen und Familien mit Kindern, großzügige WC-Anlagen, ein ökologischer Wasch-Service für Pkw, ein Paket-Aufbewahrungsdienst für Einkäufe von Kunden und ein Zulieferdienst für Geschäfte der Altstadt während der Zeiten des Zufahrtsverbots. Die drei Garagen-Aus- und Eingänge in der Galilei­straße, in der Laubengasse und am Pfarrplatz ermöglichen einen direkten Zugang zur Altstadt. Die Realisierung erfolgt über private Investoren ohne Investitionszuschüsse der Gemeinde, man spricht von einem sogenannten PPP-Projekt (public-private partnership). Errichten und betreiben wird die Garage eine Unternehmensgruppe um „Sportler“-Chef Georg Oberrauch und dem Passeirer Hotelier Heinrich Dorfer, die Central Parking GmbH. Sie übernehmen die Kosten für den Bau, 27 Millionen Euro, und erhalten für 50 Jahre die Konzession für die Führung der Parkgarage. Danach geht sie unentgeltlich an die Gemeinde Meran über. Die Kavernengarage ist allerdings direkt an den Baufortschritt des Küchelbergtunnels gebunden. Kürzlich wurde das Thema wieder aktuell, als durchsickerte, dass der Lift, der die Benutzer von der Garage in die Altstadt bringen soll, um einen Panoramalift auf den Tappeinerweg verlängert werden könnte. Gerade erhitzen sich im Gemeinderat die Gemüter, war in der Ausschreibung davon doch keine Rede.

Visionäre Standseilbahn
Auch eine Standseilbahn zwischen Meran und Schenna bzw. Dorf Tirol soll über eine öffentlich-private Partnerschaft (PPP) finanziert werden. Leitner und Doppelmayr haben bereits Projekte eingereicht. Beide Vorschläge sehen zwei Haltestellen in der Talsohle bei der Handwerkerzone Dorf Tirol und beim „Ofenbauer“ vor. Der Küchelberg und die neue Umfahrung von Meran werden unterirdisch in einem Tunnel unterquert. Über den Talboden soll die Bahn auf einer Brückenkonstruktion fahren und teils ober-, teils unterirdisch ins Zentrum von Schenna geführt werden. Allerdings ist es um das Projekt recht still geworden.

„Ich bin zuversichtlich, dass wir planmäßig abschließen!“

Die BAZ sprach mit Johannes Strimmer, der als Direktor im Amt für Straßenbau West für das 2. Baulos der Nord-West-Umfahrung verantwortlich ist.

Herr Strimmer, wie kommen die Arbeiten am Küchelbergtunnel voran?
Johannes Strimmer: Die Arbeiten schreiten gut voran. Am 12.10.2020 wurden die Arbeiten übergeben. D.h. es wird nun seit über einem Jahr gearbeitet. Tag und Nacht sind insgesamt ca. 60 Arbeiter im Einsatz.

Ing. Johannes Strimmer

Wieviel wurde bereits geschafft und was ist noch zu bewältigen, damit 2026 die Umfahrung Merans fertiggestellt ist?
In den ersten Monaten wurde die Baustelle eingerichtet. Dies erfolgte sowohl in Meran, im Bereich des Bauhofes, wo die Schlaflager errichtet wurden als auch in Tirol im Bereich der Handwerkerzone Zenoberg, wo das Baustellenareal vorbereitet wurde. Seit Ende März 2021 arbeitet man von der Handwerkerzone Zenoberg aus am Tunnelvortrieb im Felsen. Bis heute wurden 885 m Tunnel ausgebrochen. Das heißt, dass wir ca. 90 m pro Monat vorgetrieben haben und innerhalb der nächsten Monate den Bereich des unterirdischen Kreisverkehrs zum Anschluss der Kavernengarage erreichen und somit den Vortrieb im Felsen abschließen.

Wie sieht die Situation am ehemaligen Bauhof aus?
In Bereich des ehemaligen Bauhofs von Meran werden der unterirdische Anschluss an den Haupttunnel des ersten Bauloses sowie die Rampen zum unterirdischen Kreisverkehr in der 4. November-Straße errichtet. Nach den Abbrucharbeiten der Gebäude des ex-Gemeindebauhofes hat man dort mit der sogenannten Deckelbauweise begonnen. Dabei wurden 291 Bohrpfähle mit einem Durchmesser von 1200 mm bzw. 1000 mm gebohrt. Anschließend wurde der Deckel betoniert. Unter dem Schutz des Deckels werden zurzeit die Aushubarbeiten gänzlich unterirdisch durchgeführt. Das Aushubmaterial wird dabei direkt über das 1. Baulos in Richtung MeBo abtransportiert.

Und wie geht es weiter?
In den nächsten Monaten beginnen wir mit dem Tunnelvortrieb im Lockermaterial. Dabei wird der Tunnel weiterhin von 2 Seiten vorgetrieben: vom Bauhofgelände aus unter der Goethestraße und vom Kreisverkehr der Kavernengarage (im Bereich des Tiroler Sessellifts) in Richtung Westen. Der Lockermaterialabschnitt ist bautechnisch sehr viel schwieriger zu bewältigen und der Fortschritt ist somit in diesem Bereich deutlich langsamer und dieser Bereich entscheidet schließlich über die Einhaltung des Bauendtermins.

Ist die Sorge, dass die Vibrationen durch die Sprengungen Gebäude beschädigen könnten, berechtigt?
Schäden an Gebäuden wurden bis heute keine bestätigt. Die Spreng­arbeiten werden vor Sommerbeginn abgeschlossen sein. Somit sehe ich hier kein Problem mehr. Die durch die Sprengungen ausgelösten Vibrationen werden von einem umfangreichen Monitoringsystem mit zahlreichen Mess­punkten erfasst und aufgezeichnet. An zahlreichen Gebäuden wurden Erschütterungsmessgeräte eingebaut, welche die durch die Sprengungen ausgelösten Vibrationen messen. Dies erfolgte an historischen Gebäuden wie am Turm der Zenoburg und der dazugehörigen Kapelle, aber auch an privaten Wohnhäusern, welche im Einflussbereich der Trasse liegen. Diese gemessenen Werte dienen primär, um die Einhaltung der festgelegten Grenzwerte laut DIN 4150 zu überprüfen. Zudem erlauben sie es, Rückschlüsse auf die Menge der bei den einzelnen Sprengungen zu verwendende Sprengstoffladung zu ziehen.

Der Verlauf der gesamten Nord-West-Umfahrung von Meran

Wie wird gesprengt?
Um die durch die Sprengung ausgelösten Vibrationen gering zu halten, wird für den Tunnelquerschnitt ein Sprengschema erarbeitet. Darin wird die zeitversetzte Zündung der einzelnen Ladungen festlegt. D.h. dass die einzelnen Ladungen nicht zum selben Zeitpunkt gezündet werden, sondern um einige Millisekunden zeitversetzt. Es wird zuerst der innere Teil des Tunnelquerschnitts herausgesprengt. Dann der außenliegende Ring, welcher dadurch nach innen einstürzen kann und somit weniger Druck nach oben und somit hin zur Oberfläche abgibt. Obwohl die Vibrationen immer begrenzt werden konnten, gab es trotzdem leider eine Belästigung der Anrainer durch die Baustelle. Diese ist vor allem durch Lärm aufgetreten: zuerst im Bereich Obermais Lazag und danach in den Gebäuden auf dem Ze­noberg, welche nahe der Tun­neltrasse liegen. Ich danke den Be­troffenen für ihr Verständnis und die gute Zusammenarbeit.

Wie viele Sprengungen wurden bisher durchgeführt und wie viel Dynamit dabei eingesetzt?
Bis heute wurden 408 Sprengungen durchgeführt. Je Sprengung werden ungefähr 150 kg Spreng­stoff eingesetzt. D.h. dass insgesamt ca. 60 t Sprengstoff verbraucht wurde. Es kommen Dynamit und Emulsionen zum Einsatz.

Um einen dritten Tunnelzugang im Kapuzinergarten ist es still geworden. Braucht es ihn nicht mehr?
Ein dritter Tunnelzugang im Kapuzinergarten ist im Projekt nicht vorgesehen. Im Gespräch war eine zusätzliche Baugrube im Kapuzinergarten, d.h. beschränkt auf die Bauphase. Dies würde den Vorteil bringen, dass der Tunnel an einem weiteren Angriffspunkt vorgetrieben werden kann.

Was geschieht mit dem vielen Abbruchmaterial, das anfällt?
Der Großteil des Felsausbruchs war gutes Material, welches sich für die Wiederverwendung eignet. Die Hälfte davon konnte vom Unternehmen bereits als Zuschlagstoff für Beton verkauft werden. Der Rest wurde zwischengelagert und wird teils auf der Baustelle selbst eingesetzt und teilweise an andere Verarbeiter weitergegeben. Zum Glück hat sich bis heute nur wenig nicht wiederverwertbares Material angehäuft.

Wie erfahren die betroffenen Haus­besitzer, dass unter ihnen gerade gesprengt wird?
Vor jeder Sprengung ertönt ein akustisches Warnsignal. Zudem wurde eine whats-app-Gruppe eingerichtet, womit die Anrainer zusätzlich informiert wurden.

Kritik kommt von Seiten, die meinen, es gäbe viel günstigere Varianten. Und die Kosten würden explodieren. Was sagen Sie dazu?
Die Trasse ist aus jahrzehntelangen Diskussionen in der Gemeinde Meran entstanden. Die gewählte Trasse bietet die Möglichkeit des Anschlusses der Kavernengarage, welche nun auch realisiert wird. Die Unterquerung der Stadt mit einer geringen Überdeckung im Lockermaterial bedingt aufwendige technische Bauverfahren mit hohen Kosten. Die geologische Situation und der aktuelle Anstieg der Materialpreise werden die Endkosten beeinflussen.

Heuer soll auch der Bau der Kavernengarage beginnen. Geht sich das aus?
Der Bau der Kavernengarage wird von der Gemeinde Meran koordiniert. Der geplante Baubeginn im Sommer ist realistisch.

Die Brücke über die Passer unterhalb der Zenoburg muss auch erneuert und abgesenkt werden. Wie haben wir uns das vorzustellen?
Die Bauarbeiten zur Erneuerung der Passerbrücke sind die letzte Bauphase der Nordwestumfahrung Merans. Sie erfolgen erst nach Öffnung des 2. Bauloses und damit des gesamten Tunnels für den Verkehr, denn es gibt keine brauch­bare Umleitung.

Die Landesregierung will den Bau der Nord-West-Umfahrung Meran dazu nutzen, um den Meraner Tal­kessel von den 132-Kilo­volt-Hoch­spannungsleitungen zu be­fre­ien. Wissen Sie Konkretes dazu?
Die Leitungen werden im Tunnel unterhalb der Fahrbahn verlegt und die entsprechenden Freileitungen in Tirol, Algund und Marling können abgebaut werden.

Wie zuversichtlich sind Sie, dass in 4 Jahren die ersten Autos durch den Tunnel ins Passeiertal rollen werden?
Ich bin zuversichtlich und arbeite daran. Als Verfahrensverantwortlicher habe ich das Ziel, das Bauvorhaben rechtzeitig abzuschließen.