Das Gebiet um den Deutschnonsberg und das Ultental ist auch Teil des EU-Förderprogrammes zur Stärkung des ländlichen Raumes. Heuer läuft das Programm aus. Ein BAZ-Gespräch mit LEADER-Koordinator Hubert Ungerer.
von Philipp Genetti
Herr Ungerer, Sie sind Koordinator des sogenannten „Südtiroler Grenzlandes“. Was ist damit gemeint?
Nachdem die EU vorgeschrieben hat, dass LEADER-Gebiete mindestens 10.000 Einwohner haben müssen, wurden die drei Bezirke Deutschnonsberg, Ulten und Unterland zu einem gemeinsamen Gebiet zusammengeschlossen. Neben dem „Südtiroler Grenzland“ gehören zu den 6 aktiven LEADER-Gebieten der „Vinschgau“, die „Sarntaler Alpen“ mit Sarntal und umliegende Gemeinden, das Gebiet „Eisacktaler Dolomiten“, das Wipptal und das Pustertal. Dazu ist zu erwähnen, dass die LEADER-Gebiete in jeder Periode, so zumindest in Südtirol, anders zusammengestellt werden können. Das Gebiet „Deutschnonsberg“ ist seit LEADER II (1995) mit im Rennen und wurde in der darauffolgenden Periode „LEADER Plus“ mit dem Ultental zusammengelegt. Im Programm 2007-2013 kam das Martelltal hinzu und nun wurde daraus mit dem Unterland statt Martell das aktuelle „Südtiroler Grenzland“.
Was sind die Aufgaben eines Leader Koordinators?
Die Aufgabe des LEADER-Koordinators liegt darin zu Beginn jeder Periode dafür zu sorgen, dass in den entsprechenden LEADER-Gebieten der lokale Entwicklungsplan, kurz LEP, erstellt wird. Dieser bildet die Grundlage für die LEADER-Programme und beinhaltet eine Beschreibung der Ausgangslage, eine SWOT-Analyse, die Strategien und Maßnahmen für das Gebiet und natürlich einen Finanzierungsplan. Der Koordinator sorgt dafür, dass die Projekte initiiert werden, er sensibilisiert und informiert die Bevölkerung, vermittelt zwischen der Verwaltung, den Institutionen und Organisationen. Der LEADER-Koordinator steht beratend und begleitend zur Seite. Projekte werden von einer sogenannten „Lokalen Aktionsgruppe“, kurz LAG, bewertet und sie entscheidet, welche Projekte beim Land eingereicht werden. Der Projektträger setzt das Projekt um und rechnet es ab. Der Koordinator ist im gesamten Prozess von der Projektidee bis zur Abrechnung als zentrale Schlüsselfigur gefordert.
Wer kann beim LEADER-Programm mitmachen?
Das LEADER-Programm ist sowohl für die öffentliche Verwaltung bzw. Organisationen von öffentlichem Interesse als auch für private Unternehmen zugänglich. In letzter Zeit verlagerte sich der Fokus aber mehr und mehr auf öffentliche Projektträger. Es gibt im laufenden Programm vereinzelte private Unternehmen im Tourismus, bei denen es um die Errichtung von Stellplätzen für Wohnmobile geht. Wir haben sowohl ein Projekt am Deutschnonsberg als auch in Ulten. Es sind sonst vor allem Tourismusvereine oder öffentliche Einrichtungen, wie Gemeinden oder die Bezirksgemeinschaft selbst, die sich für das LEADER-Programm bewerben.
LEADER gibt es bereits seit den frühen 1990er Jahren. Wie entwickelte sich seitdem LEADER in Südtirol?
Die erste LEADER-Initiative auf EU-Ebene startete 1991. Damals hatte die Südtiroler Landesregierung den „Vinschgau“ als einziges Gebiet gewählt, das in den Genuss dieses Förderprogramms kommen konnte. In der LEADER Periode II gab es dann 3 Gebiete: Vinschgau, Deutschnonsberg und Ulten“. Die nächste Periode (2000 bis 2006) nannte sich LEADER-Periode „Plus“ mit den Bezirken Vinschgau, Deutschnonsberg-Ulten und den Neuzugängen Sarntal, Wipptal und Tauferer-Ahrntal.
Nach welchen Kriterien wurden diese Gebiete ausgewählt?
Für jedes LEADER-Programm liegt eine Verordnung der Europäischen Union zu Grunde, in der die Grundregeln beschlossen werden, die von den Staaten und Regionen übernommen werden müssen. Der Grundcharakter, den man in Südtirol von Beginn an verfolgt hat, ist, strukturschwache Gebiete zu fördern, Gebiete, die einen wirtschaftlichen Aufholbedarf haben und abwanderungsgefährdet sind. Von Periode zu Periode werden die bisherigen LEADER-Gebiete dann analysiert, wobei kontrolliert wird, welche Maßnahmen, Mittel und Programme effektiv umgesetzt worden sind. Dann wird entschieden, ob das Gebiet als LEADER-Gebiet weitergeführt wird. Es war beim Vinschgau bereits der Fall, dass die Region auch schon für eine Periode pausieren musste, dann aber wieder in das LEADER-Programm aufgenommen wurde.
Wie werden die gebietsspezifischen Projekte entwickelt?
Grundsätzlich ist es so, dass die wesentlichen Anforderungen der Gebiete im lokalen Entwicklungsplan erarbeitet werden. Davon ausgehend versucht man dann Antworten auf die Schwachpunkte des Gebietes zu geben. Wesentlich bei LEADER ist, dass es ein „Bottom-Up-Prinzip“ verfolgt. Das bedeutet, dass die Bürger bzw. die lokalen Verbände und Organisationen selbst mitentscheiden sollten, was gebraucht wird. Die Erarbeitung der jeweiligen LEADER-Maßnahmen und Projekte ist daher ein sehr stark partizipativer Prozess.
Welche -Projekte konnten im Laufe der letzten Perioden im LEADER-Gebiet „Südtiroler Grenzland“ verwirklicht werden?
Nachdem wir uns inzwischen in der 5. Periode befinden, gibt es selbstverständlich vieles, was dank LEADER realisiert und finanziert wurde. Zu Beginn von LEADER wurden vor allem im Bereich Almwirtschaft starke Impulse gesetzt, in dem in Deutschnonsberg und Ulten viele Almen saniert und zum Teil auch mit eigenen Käsereien ausgestattet worden sind. Daraufhin lag ein großer Schwerpunkt in der Förderung des „Urlaubs auf dem Bauernhof“. Im Zuge dessen sind sicher viele neue Ferienwohnungen, Hofschänke, aber auch gastronomische Initiativen entstanden. Besonders erwähnenswert sind auf unserem Gebiet die Löwenzahnwochen, Ultner-Lammwochen oder die Radicchiowochen. Des Weiteren wurden eine Reihe von Themen- und Wanderwegen durch LEADER saniert, umgestaltet und neu konzipiert. Beispiele daraus sind der Wasserfallweg in St. Felix, der Pilgerweg am Gampenpass, der Höfeweg von Laurein nach Proveis, verschiedene Wanderwege zum Felixer Weiher und um den Laugen sowie der Erlebnisweg in Proveis. Hinzu kamen zahlreiche Dorfgestaltungsmaßnehmen, die Aufwertung des Gampenpass-Bunkers zu einem Museum sowie Maßnahmen in der Landwirtschaft durch die Förderung des Anbaus von Nischenprodukte wie dem Radicchio oder durch Aufwertung des lokalen Qualitätsfleischs durch die Initiative „Laugenrind“.
Welche Projektideen haben sich nicht durchsetzen können?
Ein Projekt, über das man in der Landwirtschaft immer wieder auf unserem Gebiet gesprochen hatte, war der Getreideanbau. Aufgrund der begrenzten Flächen in unseren Gemeinden und der Tatsache, dass der Anbau von Getreide erst ab einer gewissen landwirtschaftlichen Fläche Rentabilität garantiert, wurde die Idee nie umgesetzt.
Welche Projekte laufen aktuell am Deutschnonsberg und in Ulten?
Noch laufen fast alle Projekte aus dieser LEADER-Periode. Dazu gehören u.a. die Erweiterung eines Gehweges in St. Felix, Maßnahmen zur Gestaltung des Dorfplatzes in Proveis, die Schaffung von Parkmöglichkeiten und die Errichtung einer Radroute in der Gemeinde Ulten, die Errichtung eines Rundweges um den Laugen zwischen Laugen-Alm und Kitzerbüchel Alm. Alle 5 Gemeinden auf dem Gebiet nehmen zudem am Bezirksprojekt im Bereich der Elektromobilität teil, wodurch E-Ladestationen an verschiedenen strategischen Standorten errichtet werden, sowie am Projekt „Mitfahrbänke“, welches sich noch in der Umsetzungsphase befindet.
Wie geht es nach dieser LEADER-Periode weiter?
Die aktuelle LEADER-Periode, die von 2014 bis 2020 angesetzt worden ist, wurde um zwei Übergangsjahre erweitert und läuft Ende 2022 aus. Grundsätzlich sind die Perioden immer auf 6 Jahre ausgelegt. Wie es mit 2023 weitergeht, kann man aktuell noch nicht sagen, die EU hat die entsprechende Verordnung bereits verabschiedet. Nun liegt es am Staat und schließlich an der Landesverwaltung, die entsprechenden Rahmenbedingungen für die 6. Ausgabe des LEADER-Programms zu definieren.
Worin sehen Sie in Zukunft die größten Herausforderungen?
Die größte Herausforderung liegt sicher darin, die junge Bevölkerung im Gebiet zu behalten und eine Abwanderung, wie wir sie vor Jahren hatten, möglichst zu verhindern. Außerdem wünsche ich mir für die Gebiete, dass ihnen die sogenannte ökologische Transformation gelingt, die in den städtischen Gebieten bereits im Vormarsch ist. Dass es ihnen gelingt, ihre Wirtschaftsweisen im Hinblick auf den Klimawandel anzupassen und die Zeichen der Zeit zu erkennen.