Schluss mit Stillstand! Der politische Stillstand und der Abwärtstrend haben innerhalb der Meraner Volkspartei vor einem Jahr zu einer – man könnte sagen – radikalen Erneuerung geführt. Erstmals in ihrer Geschichte übernahm eine Frau, die damals 34-jährige Katharina Zeller, die Führung der Partei. Mit Silvia Paler (Gratsch), Hannes Gamper (Untermais) und Max Schweigkofler (Obermais) kamen weitere drei neue Ortsobleute dazu. Die parteiinterne Erneuerung war gelungen!
von Josef Prantl
Nicht allen schmeckte, was folgte. Nach den Bürgermeisterwahlen im Oktober zeichnete sich bald schon eine Koalition mit dem italienischen Lager ab, und so war es die SVP, die zur „Königsmacherin“ für Dario Dal Medico wurde. Exbürgermeister Paul Rösch verlor zwar sehr knapp (49,7%), aber mit 13 von 36 Sitzen ist sein Listenbündnis immer noch die stärkste Kraft im Meraner Gemeinderat. Meran hat so nach 26 Jahren wieder einen italienischsprachigen Bürgermeister bekommen. Gesagt werden muss aber auch, dass die Wahlbeteiligung bei gerade einmal 46 Prozent lag. Katharina Zeller ist seitdem Vizebürgermeisterin und für Bereiche zuständig, die kein Honigschlecken sind: Mobilität, Umwelt und Ökologie, Abfallentsorgung, Energie und Nachhaltigkeit. Deutsche Kultur, Frauenfragen, Landschaftsschutz, Wirtschaft oder öffentliche Grünanlagen stellen weitere Hausaufgaben für die Juristin mit Spezialisierung in Verwaltungsrecht und passionierte Tänzerin (mit einem Faible für den Swing-Tanz „Lindy Hop“) dar.
Die BAZ im Gespräch mit Katharina Zeller
„Eines ist sicher, wenn sie den Schwung vom Tanzparket in die Politik mitnimmt, schauen viele alt und deppet aus“, kommentiert ein Leser des Online-Magazins SALTO Ihre Wahl zur SVP-Obfrau Merans. Zurecht?
Katharina Zeller: Das müssten eigentlich Sie mir sagen. Ich denke schon, dass ich bzw. wir als neue SVP Meran neuen Schwung in die Gemeindepolitik gebracht haben. Allein die Tatsache, dass wir es geschafft haben, so viele junge Gemeinderäte zu stellen und auch vermehrt Frauen in der Partei zu positionieren, ist für mich ein gutes und erfrischendes Zeichen.
In einem Interview mit der Südtiroler Tageszeitung aus dem Jahr 2017 sagten Sie, niemals Politikerin werden zu wollen. Wie kam es zum Sinneswandel?
Tja, das Sprichwort „Sag niemals nie“ bewahrheitet sich wohl öfter, als man denkt. Wobei ich auch dazu sagen muss, dass es anfangs überhaupt nicht mein Ziel war, mich politisch zu exponieren. Angesichts der politischen Situation in Meran habe ich entschieden, mich zu engagieren, auf Wunsch der Partei bin ich am Ende als Bürgermeisterkandidatin der SVP Meran angetreten. Nach dem Motto: Wo es mich braucht, helfe ich! Mit dem Ziel, unsere Stadt nachhaltig weiterzubringen.
Mit insgesamt 19 Sitzen steht die aktuelle Stadtregierung auf wackeligen Beinen. Wie geht es Ihnen in der Koalition und einem italienischsprachigen Bürgermeister an der Spitze?
Das Klima zwischen den Regierungsparteien ist sehr gut und in der Stadtregierung sind wir ein gutes Team. Auch auf zwischenmenschlicher Ebene, und das ist ausschlaggebend für eine gute Zusammenarbeit. Außerdem ergänzen wir uns gut, jeder gibt das Beste, um die eigenen Aufgabenbereiche bestmöglich zu betreuen. Bei delikaten Entscheidungen nehmen wir uns als Stadtregierung die Zeit, die Problematiken vor Ort mit den betroffenen Bürgern zu diskutieren, was ich als sehr positiv empfinde. Die Tatsache, dass der Bürgermeister der italienischen Sprachgruppe angehört, sehe ich persönlich als nicht wirklich relevant – wichtig ist, dass die Sensibilität für den Schutz der einzelnen Sprachgruppen gegeben ist. Letztendlich geht es um die Sache, nicht um die Sprachgruppe.
Sie bezeichneten sich einmal als linksliberal. Warum funktionierte es nicht mit Paul Rösch?
Wer weiß, ob es nicht funktioniert hätte? Die Entscheidungen bezüglich der Regierungsbildung lagen bekanntlich nicht bei der SVP.
„Früher war die Politik bei den Menschen, seit Jahren aber ist die Politik fast nur mehr bei den Lobbyisten“: Was entgegnen Sie dieser Kritik?
Dass es schade ist, dass sich die Politik in der Wahrnehmung der Menschen so weit vom Alltag entfernt hat, nicht mehr greifbar ist. Zu behaupten, dass die Politik nur mehr bei den Lobbyisten ist und nichts dagegen zu tun, empfinde ich als fahrlässig. Ich lade alle Kritiker dazu ein, sich politisch zu engagieren. „Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt!“, hat Mahatma Gandhi gelehrt.
Wenn man bedenkt, dass nicht einmal die Hälfte der wahlberechtigten Meraner zur Wahl gegangen ist, dann muss man sich fragen, wen man eigentlich noch vertritt. Ist das demokratiepolitisch nicht eine Bankrotterklärung?
Allerdings, das ist sehr, sehr traurig und irgendwo auch ein Armutszeugnis für die Politik. Wobei ich auch sagen muss, dass ich manchmal das Gefühl habe, es wird nur mehr nach Rechten verlangt, die Pflichten werden außer Acht gelassen. Eigentlich hätten alle Bürger die Pflicht sich zu informieren und ihr Wahlrecht wahrzunehmen. Bankrott geht die Demokratie dann, wenn jene, die am lautesten schreien, als Mehrheit durchgehen und sich die Hälfte der Bevölkerung enthält.
Die Erosion demokratischer Normen, die zunehmende Macht der Exekutive sowie abnehmende Medienfreiheit sind weltweite Symptome einer Welle der Autokratisierung. Besteht Grund zur Sorge, auch bei uns?
Damit zeigen Sie eine sehr aktuelle Problematik und die damit verbundene Wichtigkeit auf, das Wahlrecht wahrzunehmen. Wir haben das Glück in einer Demokratie zu leben und sollten dies nicht als Selbstverständlichkeit abtun. Und ja, irgendwo bereitet es Sorge zu sehen, dass sich nur die Hälfte der Menschen in unserer Stadt für Politik und somit für die Gestaltung der eigenen Zukunft interessiert.
Mitunter erscheint es in der öffentlichen Debatte so, als würden Autokratien wie China oder Russland hinsichtlich unterschiedlicher Entwicklungsziele effektiver handeln als Demokratien – von der wirtschaftlichen Entwicklung bis hin zum Umgang mit der Corona-Pandemie. Aber stimmt das überhaupt? Und was bietet uns die Demokratie, das autokratische Systeme vermissen lassen?
Dem kann ich nicht beipflichten. Der Wert des demokratischen Rechtsstaates ist unumstritten – unsere Vorfahren haben jahrhundertelang um die Erlangung der Grundrechte gekämpft. Ich hoffe nicht, dass wir heute ernsthaft darüber diskutieren müssen, ob Demokratie ja oder nein. Ich habe eher den Eindruck, dass die Demokratie teilweise nicht mehr als solche wahrgenommen wird und das ist sehr schade.
Wie steht es um die Akzeptanz unseres Rechtsstaates? Muss man die verfassungsrechtlichen Grundlagen der Rechtsstaatlichkeit noch weiter ausbauen?
Ich habe den Eindruck, dass das Bild der Rechtsstaatlichkeit für viele Menschen ein eher abstraktes ist.
Was bei den Menschen ankommt, ist eine Vielzahl an Bestimmungen, die oftmals wirr und unlogisch scheinen. Wenn man alle Zusammenhänge mitbedenkt, wird allerdings schnell klar, wie schwierig es ist, allgemeine „Spielregeln“ für derart vielfältige Situationen zu beschließen.
Wie lautet Ihr politisches Credo und welche Werte sind Ihnen persönlich wichtig?
Mein politisches Credo lautet, dass es für alles eine Lösung gibt, die Kunst liegt darin, sie zu finden. Gerechtigkeit, Verantwortung und Zusammenhalt sind mir wichtig.
Finden Sie nicht, dass der Politik die Ideen ausgegangen sind, die Visionen, die Energie?
Nein, finde ich absolut nicht. Visionen und vorausschauende Projekte gibt es, zumindest bei uns in Meran, noch und nöcher. Viel eher fehlen die notwendigen Geldmittel, um die vielen Ideen auch umsetzen zu können.
SEL-Skandal, Masken-Skandal, 600-Euro-Skandal, Fahrtspesen-Skandal, Abhör-Skandal, SAD-Skandal. Wie sehr trifft Sie persönlich die aktuelle Krise und der Konflikt innerhalb der Südtiroler Volkspartei?
Wir haben in den letzten eineinhalb Jahren in Meran hart gearbeitet, um die Partei auf lokaler Ebene wieder auf Kurs zu bringen. Unser gemeinsames Ziel war es dabei immer eine moderne Volkspartei zu sein, die Bedürfnisse der Menschen in den Mittelpunkt zu stellen und ehrlich, transparent und verantwortungsbewusst für unsere Stadt zu arbeiten. Es ist uns gelungen, viele junge Menschen für die Politik zu gewinnen und ein sehr konstruktives Klima innerhalb der Partei zu schaffen. Natürlich ist es nicht anspornend zu sehen, was da auf Landesebene teilweise abgeht. Wir lassen uns nicht drausbringen und konzentrieren uns darauf, unsere Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen zu machen.
Die Partei feierte am 8. Mai ihren 77. Geburtstag. Aber die SVP von 2022 ist längst nicht mehr die Partei von 1945. Wie sehen Sie Ihren Platz in dieser Partei?
Die Zeiten haben sich geändert und somit auch die Partei. Dass eine junge Frau als Bürgermeisterkandidatin so ohne weiteres akzeptiert wird, wäre wohl bis heute nicht selbstverständlich gewesen. Die SVP wird oft als altbacken und nicht mehr zeitgemäß angesehen, eigentlich völlig unberechtigt. In Meran sind wir die „jüngste“ Parteispitze, auch im Vergleich zu den anderen Parteien. Ideen und Visionen haben sich weiterentwickelt und verändert, was unverändert bleibt, ist das Bewusstsein über den Wert und Erhalt unserer Werte und Traditionen sowie der hart erkämpften Autonomie.
Sprechen wir über Meran: Was sind die großen Themen, die Sie als Vizebürgermeisterin und Stadträtin in der kurzen Zeit, die Ihnen bleibt, angehen und lösen möchten?
Ich empfinde es als große Ehre die Weiterentwicklung unserer Stadt mitgestalten zu dürfen. Was mir besonders am Herzen liegt, ist das Thema Sauberkeit und Abfallwirtschaft. Ich bin derzeit darum bemüht alle Hebel in Bewegung zu setzen, um das Stadtbild und gleichzeitig das Müllentsorgungssystem zu verbessern. Außerdem arbeiten wir daran das Radwegenetz zu vervollständigen und die Sicherheit auf Fuß- und Radwegen zu verbessern. Auch das Vereinswesen liegt mir sehr am Herzen, das Ehrenamt leistet einen wichtigen Beitrag und ich sehe es als Aufgabe der Verwaltung Vereine zu begleiten und zu unterstützen. Es gibt eine lange Liste an Projekten, die ich umsetzen möchte. Wichtig ist mir dabei auch, dass die Bürger in wichtige Entscheidungen miteinbezogen werden. Deshalb haben wir z. B. bei der Neugestaltung der Freiheitsstraße erstmals bereits in der Planungsphase einen Beteiligungsprozess vorgesehen.
2025 wird wieder gewählt. Wie soll die Meraner SVP dann aufgestellt sein? Strebt Katharina Zeller das Amt der Bürgermeisterin an?
Das kann ich heute nicht sagen. Mir ist wichtig, dass wir 2025 eine positive Bilanz ziehen können, darauf arbeiten wir hin.
Private Geschichten interessieren Menschen oft mehr als nur von Problemen zu lesen. Was macht Katharina Zeller in ihrer privaten Zeit?
Meine Freizeit verbringe ich am liebsten auf der Tanzfläche oder in der Natur. Das ist ein guter Ausgleich. Ich hatte immer schon eine Passion fürs Tanzen, 2013 habe ich in Rom die verschiedenen Tanzstile aus der sogenannten Swing Ära (1930 – 1950) entdeckt, es war Liebe auf den ersten Blick. Seit einigen Jahren unterrichte ich am Wochenende gelegentlich mit meinem Tanzpartner aus Spanien auf verschiedenen Tanz-Festivals. Wenn ich nicht unterwegs bin, verbringe ich meine Freizeit am liebsten mit meiner Haflingerstute Pia beim Wanderreiten.
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