Mit älteren Menschen im Gespräch über ihr Leben und über das Altwerden.
Hallo Frau Erika, Sie haben vor zwei Jahren einen runden Geburtstag gefeiert. War das ein denkwürdiger Geburtstag für Sie?
Erika: (lacht) Eigentlich nicht, denn ich habe mich inzwischen an die hohen Zahlen gewöhnt. Andere meinen, es bricht eine Welt für sie zusammen, nur weil sie ein Jahr älter geworden sind. Der siebzigste Geburtstag hat mir mehr zu denken gegeben.
Was ist in den letzten Jahren passiert? Wie war Ihr Leben im Schnelldurchlauf?
Ich bin in Deutschland geboren und aufgewachsen. Vor 60 Jahren habe ich mein privates Glück in Meran gefunden. Ich habe zwei Kinder großgezogen und bin inzwischen bereits Uroma. Mein Mann und ich haben in Meran jahrzehntelang ein Geschäft geführt. Aufgrund der schwindenden Kräfte musste ich mich nach und nach an eine langsamere Gangart gewöhnen, was mir nicht leichtgefallen ist, da ich es gewohnt war, immer alles sofort und schnell zu erledigen. Viel Kraft und Ausdauer erfordert auch die Pflege meines Mannes.
Ist man als älterer Mensch in einer besseren Ausgangslage für weise Entscheidungen?
Jedes Alter hat seine schönen und seine schlechten Seiten. Wenn immer alles rosarot wäre, wäre das Leben ja schon wieder langweilig. Um richtig entscheiden zu können, sollte man zuerst gut überlegen, egal, in welchem Lebensabschnitt man sich befindet. Natürlich hat man den Vorteil, im Alter auf einen reichen Erfahrungsschatz zurückgreifen zu können.
Haben Sie Altersweisheiten für uns?
Versucht immer ehrlich zu bleiben und zuverlässig zu sein!
Lassen Sie uns kurz über das Seniorenheim, welches seit letztem November Ihr Zuhause ist, reden. Wie gestaltet sich Ihr Tagesablauf im Seniorenheim?
Aufgrund der Tatsache, dass in einem Pflegeheim viele Menschen zusammenwohnen, gibt es bestimmte Zeiten, die man berücksichtigen muss, wie die Mahlzeiten oder die Grundpflegezeiten. Seit unserem Aufenthalt im Seniorenheim hat sich für meinen Mann und mich so manches verändert.
Wir bekommen jeden Tag 3 x pünktlich das Essen auf den Tisch gestellt; leider entspricht es nicht immer der persönlichen Geschmacksrichtung. Nach der ärztlichen Visite und der Medikamenteneinnahme habe ich am Nachmittag meine Physiotherapie, die es mir ermöglicht, mich wieder einigermaßen bewegen und gehen zu können.
Und jetzt mal Hand aufs Herz: Was war das Peinlichste, was Ihnen jemals passiert ist?
Vor vielen Jahren, als ich mit meinen beiden Kindern mit dem Auto auf der Staatsstraße von Meran ans Meer unterwegs war, haben sich kurz vor Bozen die Koffer, die auf dem Dachträger des Autos fixiert waren, aus der Verankerung gelöst und sind auf die Straße gefallen. Ein deutscher Reisebus hinter uns hat zum Glück schnell abgebremst, so dass Schlimmeres verhindert werden konnte. Sämtliche unserer Kleidungsstücke waren auf der Straße und den nahegelegenen Obstwiesen verstreut.
Welche Werte waren in Ihrer Jugend wichtig?
Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit, Tüchtigkeit und Zielstrebigkeit, aber auch Pünktlichkeit und Verlässlichkeit. Ordnung war auch wichtig, das ist mir bis heute wichtig.
Welche Ziele und Träume haben Sie noch?
Dass ich noch ein bisschen zu leben habe und dabei auch einigermaßen gesund bleibe. Ansonsten bin ich recht zufrieden. Ich bin früher viel gewandert und hoffe, dies in unserem schönen Südtirol auch bald wieder tun zu können.
Wofür geben Sie Ihr Geld aus?
Der Großteil meiner Ersparnisse und der Rente werden an die Heimleitung überwiesen. Da bleibt für Lektüre, Kleidung und Kaffee nur mehr wenig übrig. Manchmal stecke ich meinem Enkelkind etwas zu.
Was würden Sie unseren Lesern gerne mitteilen?
Ich würde mir wünschen, dass die Menschen sich vertragen und dass es keinen Krieg mehr gibt und dass man sich gegenseitig achtet und weiterhilft.
Markus Auerbach