Südtirol soll die Klimaneutralität zehn Jahre vor den EU-Zielen erreichen. Das hat die Landesregierung im heute vorgestellten Klimaplan – Teil 1 festgeschrieben und sieht darin viele Chancen.
Südtirol strebt die Netto-Klimaneutralität bis ins Jahr 2040 an. Das ist zehn Jahre früher als von der Europäischen Union vorgegeben. Dies hat die Landesregierung im „Klimaplan Südtirol 2040 – Allgemeiner Teil“ am Dienstag, 30. August festgelegt. Eine Woche später, am heutigen Dienstag (6. September) haben alle Mitglieder der Landesregierung die Details im Rahmen der Nachhaltigkeitstage 2022 in der Messe Bozen vorgestellt.
„Das +1,5 °C-Ziel und das dazugehörige Nettonull-Ziel ist aus derzeitiger Sicht nur unter großer Kraftanstrengung noch realistisch zu erreichen“, steht im Klimaplan, der in einem Beteiligungsprozess mit der Bevölkerung, den Sozialpartnern und relevanten Nicht-Regierungsorganisationen, der Forschung und Wissenschaft bis zur ressortübergreifenden Arbeit in der Landesverwaltung und Landesregierung entstanden ist. So arbeitete die beratende Expertenkommission 480 Seiten an Vorschlägen aus der Bevölkerung, wie Kommissionspräsidentin Federica Viganò erklärte. Anschließend stellte der wissenschaftliche Koordinator Gottfried Tappeiner die in den Klimaplan eingeflossenen Ergebnisse und Ziele vor. Angesichts der dramatischen und spürbaren Klimaentwicklung sei rasches Handeln nötig. In Zahlen ausgedrückt sieht der Klimaplan 2040 daher fünf übergeordnete Ziele, sechs Hauptstrategien und insgesamt 16 Handlungsfelder vor.
Fünf übergeordnete Ziele
Die CO2-Emissionen sollen gegenüber dem Stand von 2019 bis 2030 um 55 Prozent und bis 2037 um 70 Prozent reduziert werden. Bis 2040 soll Südtirol klimaneutral sein.
Der Anteil erneuerbarer Energie soll von derzeit 67 Prozent bis zum Jahr 2030 auf 75 Prozent und auf 85 Prozent im Jahr 2037 steigen. Letztlich muss er für die Klimaneutralität 100 Prozent erreichen.
Treibhausgasemissionen, die von CO2 verschieden sind, also speziell N2O und Methan, sollen bis 2030 um 20 Prozent und bis 2037 um 40 Prozent reduziert werden gegenüber dem Stand von 2019.
Der Anteil der Südtiroler Wirtschaft an den durch die Klimawende wachsenden und neu entstehenden Märkten soll sich deutlich überproportional entwickeln.
Trotz der notwendigen Anpassung von Gesellschaft und Wirtschaft soll der Anteil der armutsgefährdeten Bevölkerung bis 2030 um zehn Prozentpunkte gegenüber dem Stand von 2019 (Stand 2019 rund 18 %) sinken.
Mit dem Beschluss der Landesregierung seien die im Klimaplan festgelegten Ziele und Maßnahmen verbindlich, erklärte der Landeshauptmann zu Beginn der Vorstellung: „Mit diesem Dokument verpflichten wir uns zu mutigen Entscheidungen, die wir bereits in der Nachhaltigkeitsstrategie Everyday for Future vor einem Jahr angekündigt haben und nach denen sich unser Handeln neu ausrichten muss. Der nun überarbeitete Klimaplan ist ein sehr wichtiger Teil dieser Gesamtstrategie.“
Man wolle Klima-Vorzeigeland werden, betonten der Landeshauptmann und der Landesrat für Umwelt und Energie, der den Klimaplan vorgelegt hat. So steht im Klimaplan: „Ein Wohlstandsland wie Südtirol muss mehr als das Minimum erreichen.“ Dies würde längerfristig zu einem Standortvorteil führen. Die Maßnahmen würden „vielschichtige Chancen, aber auch Belastungen schaffen“. Der Landeshauptmann und der Umwelt- und Energielandesrat verwiesen besonders auch auf die im Klimaplan vorgesehenen unabhängigen Messinstrumente. „Sollte das Monitoring zeigen, dass wir bei angepeilten Teilzielen hinterherhinken, müssen wir nachbessern“, sagte der Landeshauptmann.
Der Umwelt- und Energielandesrat betonte, der Klimaplan sei ein wesentlicher Schritt in Richtung Nachhaltigkeit: „Vor allem wurde er nicht von der Politik diktiert, sondern mit der Beteiligung auf verschiedenen Ebenen erarbeitet. Besonders freut mich, dass das Ergebnis durch eine klare Einbindung der Bevölkerung und Experten entstanden ist und dass in der Folge die Landesregierung auf meinen Vorschlag hin den im Koalitionsvertrag vorgesehenen Klimaplan verabschiedet hat.“ Die Politik werde weiterhin auf die Anliegen der Bevölkerung hören, ganz besonders in dieser Phase ständiger dramatischer Veränderungen. Der Landesrat hält es daher für unumgänglich, unverzüglich Maßnahmen zu ergreifen, um den von der Bevölkerung gewünschten ökologischen Wandel herbeizuführen.
Immer wieder stand die Aussage im Mittelpunkt, dass der Klimawandel alle Lebensbereiche betreffe. Somit sei die Nachhaltigkeit – und die Klimaneutralität als Teil davon – ein sektorenübergreifendes Querschnittsthema. Entsprechend stellten alle Landesregierungsmitglieder vor, welche Aufgaben sich für ihren Zuständigkeitsbereich ergeben. Gefragt seien aber alle, auch die Zivilbevölkerung und Privatwirtschaft, um die Ziele zu erreichen.
16 Aktionsfelder
Zu den 16 Aktionsfeldern zählen unter anderem Kommunikation und Bewusstseinsbildung, zum Schwer- und zum Personenverkehr, drehen sich um Bauen und Heizen, sehen Maßnahmen in der Land- und Forstwirtschaft sowie in den verschiedenen Wirtschaftssektoren ebenso wie den Umbau der Energiesektoren vor. Auch langfristige CO2-Senken, die Resilienz und Anpassung an den Klimawandel, Ernährung und Konsum sind ein Thema. Eigene Aktionsfelder stellen die unterstützenden Leistungen und Zertifizierungen, aber auch die Forschung dar.
Drei Gruppen von Maßnahmen
Um die verschiedenen Ziele zu erreichen, sieht der Klimaplan drei Gruppen von Maßnahmen vor: Schnell wirksam seien Gebote und Verbote. Mittelfristig würden Anreize wirken, um bestimmte Verhaltensweisen zu belohnen. Besonders zielführend sei hingegen die dritte, langfristig wirkende Gruppe, die sich mit dem Oberbegriff „kultureller Wandel“ zusammenfassen lässt und Verhalten aus eigenem Antrieb verändert. Notwendig werde sein, alle Strategien und Wirkungsmechanismen in allen Aktionsfeldern einzusetzen.
Bis Juni 2023 umfassender „spezifischer Teil“
Der „Klimaplan Südtirol 2040 – Allgemeiner Teil“ sieht auch vor, bis spätestens Juni 2023 den „Spezifischen Teil“ zu erarbeiten. Der Allgemeine Teil sieht bereits viele sofort zu treffende Einzelmaßnahmen vor, um sofort ins Handeln zu kommen. Enthalten sind aber auch Beispiele von möglichen Maßnahmen, die für den spezifischen Teil zu konkretisieren und umzusetzen sind. Der spezifische Teil soll dann die Maßnahmen zu allen Aktionsfeldern und zudem eine deutlich ausgeweitete statistische Grundlage enthalten. (gst)