Es müssen nicht immer die großen Alleen oder breiten Straßen sein, deren Namen an bedeutende Persönlichkeiten erinnern. Auch kleine Wege abseits des großen Trubels erzählen interessante Geschichten.
Am Ausgang des Ultentals führt uns eine Promenade durch die tiefe Gaulschlucht. Sie gehört sicher zu den beeindruckendsten und geheimnisvollsten Orten im Burggrafenamt. Steile Felswände aus Quarzporphyr, Gneis und Granit, ein kleiner Dschungel aus üppiger Vegetation und die rauschende Falschauer lassen jede Wanderung zu einem besonderen Erlebnis werden. Ein kurzer Straßenabschnitt nach dem Luis-Zuegg-Park in Oberlana ist nach einem Mann benannt, der unmittelbar mit der Erschließung der Gaul verbunden ist: Alois Stauder.
Als dieser am 1. Mai 1889 im Alter von 52 Jahren unerwartet an einem Schlaganfall verstarb, notierte der Geistliche im Lananer Sterbebuch „Stauder Alois, Gastwirt, Ort u. Zeit der Geburt ist nicht zu eruieren“. Immerhin ist aus dem Eintrag ersichtlich, dass er seit 1870 mit Anna Reibmair verehelicht war, der Witwe des Ferdinand Theiß. Das Heiratsbuch ist indes etwas auskunftsfreudiger und bezeichnet Alois als (wohl unehelichen) Sohn der Rosa Stauder, der aus Niederdorf im Pustertal stammte, eine Angabe, die allerdings mit Vorsicht zu genießen ist. Die Niederdorfer Kirchenbücher sind hier keine große Hilfe. Durch die Hochzeit mit der etwas jüngeren Bäckerstochter und Wirtswitwe Anna wurde Alois Gastronom, um genau zu sein, Wirt des seit mindestens dem 17. Jahrhundert bestehenden Weißen Rössl – nicht zu verwechseln mit dem Weißen Rössl, das Schauplatz der gelungenen Theaterinszenierung der Freilichtspiele Lana war. Zwei Jahre nach der Hochzeit wird Sohn Franz Alois Josef geboren, der die Wirtschaft übernehmen wird.
Ein Nachruf in der „Bozner Zeitung“ beschreibt Alois als „trefflichen Gastwirt“, der in den weitesten Kreisen bekannt und beliebt war. Wer immer Lana besuchte, der machte beim Teiss Halt, um sich dort verköstigen zu lassen. Manchmal waren es so viele, dass vor dem Gasthaus ein ganzer Wagenpark stand. Tourismuspionier Stauder wusste, worauf es ankommt, und sorgte dafür, dass ein Aufenthalt in Lana so angenehm wie möglich war.
Der Autor des in Stauders Todesjahr erschienenen Reiseführers „Europäische Wanderbilder – Meran“ schreibt über das damals bekannte und heute verfallene Heilbad bei St. Pankraz: „Die Lage des Mitterbad, mitten im dichtesten Tannenwald, ist reizend und romantisch zugleich und trägt nicht wenig zu den Erfolgen, welche hier erzielt werden, bei. Bis nun musste man, um von Lana in das Ultenthal zu gelangen, auf steilem, gepflastertem Weg bis zum sogenannten Ausserhof emporsteigen. Jetzt aber hat Herr Stauder (der Wirth zum Rössl in Lana) durch die Gaul, eine wilde Schlucht, aus welcher der das Ultenthal durchströmende Falschauerbach bei Lana herausstürzt, mit erheblichen Kosten einen Steig sprengen lassen, der den Aufstieg zum Ausserhof überflüssig macht und direkt in das Herz des Ultenthals hineinführt.“ Seither hat die Gaulschlucht unzählige Einheimische, Touristen und Veranstaltungen gesehen. 1906 zum Beispiel wurde dort vom Verschönerungsverein Lana ein „Kaiserhuldigungsfest“ ausgerichtet, das mit einer Weinstube samt Schrammelmusik, einem japanischen Café und sogar einem Irrgarten aufwarten konnte.
Ganz neu war die Idee nicht, die Schlucht zu erschließen. Bereits 1876 hatten der Deutsche und Österreichische Alpenverein auf Initiative von Ingenieur Franz Hoffmann damit begonnen, nachdem dieser bei Exkursionen die überwältigende Schönheit der Naturkulisse entdeckt hatte. Doch die Falschauer zerstörte mit ihrer unbändigen Kraft den Steg und es dauerte bis 1888 und bedurfte der Energie und der finanziellen Mittel des Teisswirts, um den Steg erneut zu errichten – mit positiven Auswirkungen für Lana bis heute.
Christian Zelger