Meer
23. November 2022
Die Farben der Musik
23. November 2022
Alle anzeigen

Kolping in Südtirol

Die Gründung der ersten Kolpingfamilien in Südtirol erfolgte ab Mitte des 19. Jahrhunderts als „katholische Gesellenvereine“. Im Laufe der Zeit entstanden größere und kleinere „Gesellenvereine“ in Bozen, Meran, Brixen, Sterzing und vielen weiteren Landesteilen.
von Philipp Genetti

Die BAZ sprach mit dem langjährigen Zentralsekretär des Kolpingwerks Südtirol, Otto von Dellemann.

Herr von Dellemann, Sie waren neben Ihrer Tätigkeit als Lehrer und Landtagsabgeordneter über 30 Jahre lang Zentralsekretär des Kolpingwerks Südtirol, langjähriges Mitglied des Internationalen Kolpingwerks in Köln und sind heute Vorsitzender des Kolpinghauses in Meran-Obermais. Wie sind Sie zu Kolping gelangt?
Otto von Dellemann: Ich bin 1983 auf das Kolpinghaus in Bozen gestoßen und gelangte wenig später in den Verband Kolpingwerk Südtirol. 1985 stieg ich als hauptamtlicher Zentralsekretär, sprich Geschäftsführer, in das Werk ein. Seitdem konnte ich den Ausbau des Kolpinghauses in Bozen sowie der weiteren Kolpingsfamilien im Land maßgeblich mitgestalten. Im Laufe meiner Tätigkeit gelangte ich schließlich in die höheren Gremien des Kolpingverbandes, ins Kolpingwerk Europa bis hin zum Generalpräsidium des Internationalen Kolpingwerks, dem höchsten Gremium innerhalb des Sozialverbandes, mit Sitz in Köln.

Otto von Dellemann

Adolph Kolping

1983 gab es in Südtirol bereits einige Kolpingsfamilien. Das Kolpingwerk Meran, das dem 1854 gegründeten Gesellenverband entstammt, ist eines der ältesten „Werke“ in Südtirol. Welchen Bezug hatten Sie als junger Mann zu Kolping?
Ich kannte Kolping aus meinen Studienzeiten an der Lehrerbildungsanstalt. Sonst hatte ich aber kaum einen näheren Bezug zu Kolping. Nachdem ich 1983 zuerst ehrenamtlich, dann hauptamtlich in das Kolpingwerk eingestiegen bin, beschäftige ich mich intensiver mit den Inhalten Kolpings. Besonders viel lernte ich über Adolph Kolpings Lebenswerk während der Vorbereitungsarbeiten für seine Seligsprechung (1991). Bei den Vorbereitungen wurde mir die Ehre zuteil, den damaligen Generalpräses Heinrich Festing als Übersetzer nach Rom zu begleiten. Dadurch lernte ich Kolping in den verschiedensten Kongregationen kennen und konnte vieles über ihn und sein Schaffenswerk erfahren.

Vom ehrenamtlichen Mitarbeiter zum hauptamtlichen Zentralsekretär – das war doch ein wesentlicher Sprung. Wie ist es dazu gekommen?
Kurz bevor in Bozen 1985 das neue Kolpinghaus eröffnete, frage mich mein Onkel August Ausserer, ob ich mich nicht dort hauptamtlich als Heimleiter und gleichzeitig Zentralsekretär der Werke in Südtirol einsetzen wollte. Ich war damals bereits als Mittelschullehrer und seit 1980 Vizebürgermeister von Andrian tätig. Sporadisch stimmte ich dem Angebot zu und wurde im selben Jahr auch zum Bürgermeister von Andrian gewählt. Infolgedessen gab ich meinen Lehrberuf auf und arbeitete fortan für das Kolpingwerk.

Wie hat sich das Kolpingwerk in Südtirol nach Eröffnung des neuen Kolpinghauses 1985 in Bozen entwickelt?
Nach der Eröffnung des Kolpinghauses in Bozen befand sich die Kolpingbewegung in Südtirol in Aufbruchstimmung. Binnen kürzester Zeit wuchs das Werk auf landesweit insgesamt 16 Kolpingsfamilien heran. Es war damals aber auch noch viel einfacher ehrenamtliche Mitstreiter zu finden, die sich für die gemeinsame Sache einsetzen wollten. Nach Realisierung des Kolpinghauses Bozen folgte die Erneuerung bzw. der Neubau des Hauses in Brixen, Sterzing, bis hin zum Standortwechsel des Gesellenhauses in Meran.

Was waren Ihre Aufgaben als Zentralsekretär?
Im Wesentlichen waren es die Betreuung der Kolpingsfamilien und deren Mitglieder. Hinzu kamen der Ausbau des Netzwerkes zwischen den Nationalverbänden sowie höheren Gremien des internationalen Kolpingwerks und nicht zuletzt die Betreuung der Kolpinghäuser im Land. Adolph Kolping selbst nannte die Gesellenhäuser „Vaterhäuser“, weshalb die Pflege der Häuser, sowohl inhaltlich als auch wohnlich, bis heute eine wichtige Rolle spielt. Außerdem weitete sich seit meiner Tätigkeit zunehmend die Zielgruppe der Kolpingsfamilie und entwickelte sich von einem ausschließlichen Gesellenwerk zu einem Werk für sowohl Frauen als auch Männer.

Sie sprachen von Kolpinghäusern und Kolpingsfamilien. Was bedeutet das?
Mit „Kolpingsfamilien“ werden die Gemeinschaften bzw. Verbände bezeichnet, zu denen sich Frauen und Männer, Kinder und Jugendliche als sogenannte „Familien“ im weitesten Sinne unter dem Namen Kolpings zusammenschließen. Die Namensänderung von „katholischer Gesellenverein“ hin zur „Kolpingsfamilie“ erfolgte unter dem nationalsozialistischen Deutschland, als die religionsfeindliche Regierung damit androhte die Vereine aufgrund ihrer zu „katholischen“ Ausrichtung aufzulösen. Als „Kolpinghäuser“ werden hingegen die ehemaligen Gesellenhäuser bezeichnet, in denen die Gesellen, so Kolping, Wohnung, Fortbildung und Heimat finden konnten.

Was waren für Sie bislang die schönsten Momente in Ihrer Tätigkeit im Kolpingwerk?
Als schönste Momente würde ich alle Begegnungen mit Menschen in jeder Hinsicht bezeichnen, die ich im Rahmen meiner Tätigkeit erfahren habe. Ich habe in meiner gesamten beruflichen Laufbahn keinen einzigen Tag dem anderen gleichsetzen können. Ein prägender Moment war allerdings der Tag der Seligsprechung Adolph Kolpings am 27. Oktober 1991, als achtzigtausend Menschen in Rom vor dem Petersdom zusammengekommen waren, um Johannes Pauls II. Verkündigung zu verfolgen. Nicht zuletzt freute ich mich aber vor allem dann, wenn eine neue Kolpingsfamilie in Südtirol hinzukam oder erneuert wurde.

Die Kolpingwerke haben in Südtirol eine lange Tradition und tragen bis heute den Namen ihres Mitinitiators in sich. Einem Priester, der sich intensiv mit der sozialen Frage auseinandersetzte. Wer war Adolph Kolping?
Adolph Kolping ist am 8. Dezember 1913 in Kerpen geboren und war ein Spätberufener. Nachdem er rund 10 Jahre lang als Schuster seinen Lebensunterhalt verdiente, entschied er sich mit 23 Jahren doch noch für ein Studium und holte dafür sogar die Pflichtschule und das Gymnasium nach. Selbst der Kerpener Pfarrer war von Kolpings Entschluss wenig begeistert und riet ihm: „Schuster bleib bei deinen Leisten.“ Für Kolping stand der Entschluss aber schon fest. Finanziert wurde sein Studium von einer guten Bekannten. Mit 32 Jahren folgt Kolpings Priesterweihe. Er kam als Kaplan nach Elberfeld und lernte dort den von Johann Gregor Breuer gegründeten Gesellenverein kennen. 1847 wurde er dessen Präses. Von dort an entwickelt sich Adolph Kolping zum Sozialreformer der ersten Stunde, wird einer der erfolgreichsten katholischen Publizisten seines Jahrhunderts und erweist sich als volksnaher Seelsorger. Wenn auch Breuer rechtmäßiger Gründer der ersten „Gesellenvereine“ war, so war es doch Kolping, der die Initiative vorantrieb und hinaus in die Welt trug. Um die Verbände finanziell zu unterstützen, gründete er die Wochenzeitung „Rheinische Volksblätter“, für die er zeitlebens selbst die meisten Berichte verfasste. Am 4. Dezember 1865 verstarb Kolping im Alter von 52 Jahren. Sein Vermächtnis ist die bis heute bestehende internationale Kolpingbewegung.

Die internationale Schaltzentrale der Kolpingwerke befindet sich heute in Köln. Wie sind die Kolpingwerke in Südtirol entstanden?
Auf seinen theologischen Reisen nach Rom hatte Kolping Südtirol selbst kennengelernt und die Eindrücke davon in seinem Tagebuch festgehalten. Im Jahr 1852 machte er als Generalpräses der Gesellenwerke erneut Halt in Südtirol und regte hierorts ebenfalls die Gründung von Gesellenverbänden an. Der Gesellenverein in Meran wurde am 06. Jänner 1854 gegründet, jener in Bozen am 05. März desselben Jahres. Im Jahr 1857 folgte ein weiterer Verein in Brixen und im Todesjahr Kolpings 1865 in Sterzing.

Seit 2019 sind Sie Vorsitzender des Kolpinghauses in Meran. Wo wurde das Kolpingwerk hierorts gegründet?
Das Gesellenhaus von Meran befand sich unmittelbar des Bozner Tores in der Leonardo-da Vinci-Straße in der Meraner Innenstadt. Nachdem sich der Zustand des Hauses in der Zeit von Jahr zu Jahr verschlechterte, zeichnete sich mehr und mehr ab, dass eine Umstrukturierung unumgänglich wurde. Nach intensiver Suche nach einer Alternative war es Altlandeshauptmann Luis Durnwalder, der den Tausch des Meraner Gesellenhauses mit dem aufgelassenen Hotel Regina in Obermais vorantrieb. Nach Abwicklung des Tauschgeschäftes wurde die Einrichtung in der Cavourstraße vorrübergehend als Unterkunft für Senioren des Untermaiser Versorgungshauses genutzt, bevor es im Jahr 2002 nach mehrjähriger Sanierungsphase seine Tore als neues Kolpinghaus von Meran eröffnete.

Was sind die Schwerpunkte des Kolpingshauses in Obermais?
Das Haus erfüllt im Wesentlichen vier Hauptaufgaben. Zum einen gilt es Menschen eine erschwingliche Unterkunft zu bieten, hierorts durch das Angebot von 80 Heimplätzen, die wir Schülern aus der Landeshotelfachschule Kaiserhof und der Cesare-Ritz-Schule anbieten. Die zweite Aufgabe liegt im Mensadienst für die Grund- und Mittelschüler von Obermais, der in Zusammenarbeit mit der Gemeinde Meran realisiert wird. Unabhängig von der Mensa betreiben wir auch ein Bistro, in dem allen Gästen, besonders den Handwerkern ein kostengünstiges Mittagsangebot gemacht wird. Dritter Schwerpunkt des Hauses ist die Schaffung eines generationsübergreifenden Treffpunktes für Obermais (inklusiv einer Kinderecke) und viertens – als Pendant zu Kolpings publizistischer Tätigkeit – die Hotellerie als zusätzliche Erwerbsquelle für das Kolpinghaus. In der hauseigenen Kapelle findet einmal im Monat außerdem eine Messfeier mit Präses Josef Stampfl statt.

Wie ist das Haus in Obermais strukturiert?
Eigentümer des Kolpinghauses ist der Kolpinghaus Meran e.V. (eingetragener Verein) mit aktuell 36 Mitgliedern. Aus diesen Mitgliedern werden alle 3 Jahre ein Vorstand und der Vorstandsvorsitzender gewählt. Wie in allen 5 Kolpinghäusern Südtirols haben wir einen Priester als Präses, der die geistliche Leitung verantwortet. Dieser wird, nach Rücksprache, vom Bischof ernannt. Im Vorstand sind, neben mir als Vorsitzender derzeit vertreten: Präses Josef Stampfl, der stellvertretende Vorsitzende Heinrich Rottensteiner, weiters Dietmar Former, Maria Stuefer, Annemarie Lastei und Franz Gufler. Rechnungsrevisoren sind Dr. Armin Hilpold und Otto Greif. Die Geschäftsführung des Kolpinghauses obliegt Julian Preims.

Wie sehen Sie die Zukunft des Kolpingwerkes? Warum braucht es Ihrer Meinung nach Sozialverbände wie den Kolpingverband?
In Bezug auf die Zukunft der Kolpingbewegung bin ich zuversichtlich. Denn es braucht weiterhin Sozialwerke, bei denen eine Verbindung zwischen Theorie und Praxis besteht. Adolph Kolping selbst sagte einmal: „Die Nöte der Zeit werden euch lehren, was zu tun ist.“ Dieses Motto verfolgt der Kolpingverband bis heute. Was das Kolpinghaus in Obermais im Konkreten anbelangt, realisieren wir in Kürze einen Zubau im hinteren Bereich des Hauses und schaffen damit neue Räumlichkeiten für die Hotelnutzung, aber auch für unsere Heimbewohner und die Kolpingmitglieder. Ein weiteres Projekt in naher Zukunft ist die Sanierung unseres Zweithauses hinter dem Hauptgebäude. Darin wollen wir ein Arbeiterwohnheim schaffen. Zwei Bereiche, bei denen ich aber doch Herausforderungen kommen sehe, sind die Ehrenamtlichkeit sowie die aktive Ausübung und der Mut zum Bekenntnis des christlichen Glaubens in den verschiedenen Kolpingtätigkeiten.

Wie sieht Ihre Zukunft im Kolpingwerk aus?
Mein Einsatz im Kolpingwerk wird in Zukunft sicher geringer werden, weil ich mich mehr und mehr zurückziehen möchte. Zwar bin ich zurzeit noch recht agil, doch wenn man lange irgendwo ist, prägt man. Es braucht aber dann auch wieder neue Charismen, neue Ideen, neue Visionen, neue Erfahrungen, denen Raum gegeben werden muss.

Ihr Wunsch in dem Zusammenhang?
Mein Wunsch ist, dass das Umsetzen von Ideen weiterhin ein wesentlicher Teil der Arbeit im Haus bleibt und die tiefe Verankerung des Werkes im christlichen Glauben weit in die Zukunft fortwährt.

Wirtschaftsstandort Obermais

Der Wirtschaftsstandort Obermais konzentriert sich vor allem auf die Flaniermeile in der Dantestraße, die sich von der Kreuzung zur Schafferstraße zum Brunnenplatz zieht. Aus gutem Grund spricht man in Obermais insgeheim dabei von der Dorfmitte. Immerhin verfügt der Ortsteil alles, was man zum Leben braucht: eine Apotheke, zwei Banken am Brunnenplatz, eine Postfiliale, lokale Dienstleister und Geschäftslokale, mehrere Bars und Restaurants bis hin zu mehreren Nahversorgern, die vom kleinen Traditionsbetrieb bis hin zum Supermarkt reichen. Unweit des Brunnenplatzes befinden sich außerdem die deutsche und italienische Grundschule, eine Mittelschule sowie mehrere Sozial- und Gesundheitseinrichtungen wie das Wohnheim „Pastor Angelikus“, die Privatklinik St. Anna, sowie die Senioren- und Pflegeheime „Carolinum“, „Eden“ oder „Betanien“.


2002 eröffnete auf dem Standort des ehemaligen Hotels Regina in der Cavourstraße das Kolpinghaus Meran erstmals seine Tore. Hier betreibt der Kolping Meran ein ganzjähriges Drei-Sterne-Hotel mit 29 Zimmern, ein Schülerheim mit rund 80 Betten , das von Schülern der deutschen und italienischen Hotelfachschulen in Anspruch genommen wird; eine Schülermensa für die Grund- und Mittelschule Obermais mit bis zu 210 Mahlzeiten am Tag, ein ganzjährig geöffnetes Bistro, das mittags von 12 bis 14 Uhr Platz für bis zu 160 Gästen bietet, sowie eine Bar, die ganzjährig von morgens um 8.30 Uhr bis abends um 22 Uhr geöffnet ist. In den Seminar- und Kongresssälen des Hauses, von einer Größe von bis zu 320 m2, werden Kurse, Veranstaltungen und Feiern abgehalten. Bis August 2022 betreute die Meraner Kolpingfamilie außerdem von hier aus das Schülerinnenheim „Maria Ward“ am Sandplatz. Geleitet wird das Meraner Kolpinghaus von Geschäftsführer Julian Preims.