Dass die Milchstraße, die wir am Nachthimmel beobachten können, in der maltesischen Sprache „Straße der Heiligen Anna“ heißt, dürfte für die meisten neu sein. Wesentlich bekannter hingegen ist Anna als Großmutter Jesu. Und in Lana wurde nach dieser Heiligen eine ganz irdische Straße benannt.
Die Sternsinger waren bereits unterwegs und haben Spenden für einen guten Zweck gesammelt. Ein untrügerisches Zeichen: Die Weihnachtszeit ist endgültig vorbei. In vielen Südtiroler Haushalten steht in der besinnlich genannten Zeit ein Christbaum im Wohnzimmer und vielleicht sogar eine Weihnachtskrippe. Neben der heiligen Familie und den Hirten dürfen natürlich weder Ochse noch Esel fehlen. Dabei kommen diese im Lukas-Evangelium, in dem die Geburt Jesu beschrieben wird, gar nicht vor. Vielmehr tauchen sie erst im sogenannten Pseudo-Matthäus-Evangelium auf, das knapp 600 Jahre später entstanden ist und deshalb auch nicht mehr in die biblischen Schriften aufgenommen wurde. Ähnlich steht es mit Marias Eltern. Wir kennen zwar ihre Namen, Joachim und Anna, diese allerdings im Buch der Bücher zu suchen, lässt erkennen, dass sie ebenfalls nicht genannt werden. Auch hier dient als Quelle eine christliche Schrift, die erst später entstanden ist und daher nicht Teil des biblischen Kanons wurde. Für die Volksfrömmigkeit sind diese Traditionen aber ebenso wichtig.
Zunächst unbeachtet
Anna wird in mehreren biblisch inspirierten Schriften des 2. bis 6. Jahrhunderts als Mutter Mariens angeführt und damit als Großmutter Jesu gesehen. Ohne Anna kein Sohn Gottes, möchte man meinen. Doch in frühchristlicher Zeit erfuhr sie keinerlei Verehrung. Dies änderte sich erst über 500 Jahre nach den Ereignissen rund um Karfreitag und Ostersonntag, als in Konstantinopel ihr zu Ehren eine Kirche errichtet wurde. Noch weitere sieben Jahrhunderte mussten vergehen, bis der Kult um Anna einem Höhepunkt zusteuerte. Besonders die Orden der Karmeliten und der Kapuziner förderten die Verehrung von Jesu Großeltern. Und Anna sorgte für einen wahren Kreativitätsschub. Legenden zu ihrem Leben entstanden, Wunder wurden hervorgekramt, bildliche und plastische Darstellungen zuhauf geschaffen – ob mit Tochter und Enkelkind oder Tochter und Buch, Anna stieg zu einer beliebten Heiligen in allen Schichten der Bevölkerung auf. Daher verwundert es wenig, dass bald auch Reliquien der Großmuttergottes auftauchten. Noch heute wird in Nordrhein-Westfalen ihre Schädeldecke aufbewahrt, die zu Beginn des 13. Jahrhunderts von Jerusalem nach Mainz gebracht worden war und nach einem Diebstahl schließlich in einem Ort namens Düren landete. In der dortigen Annakirche liegt das Annahaupt bis heute und wird jährlich den Pilgern gezeigt.
St. Anna in Lana
Auch in Tirol wurde Anna im Volk hoch verehrt. Als Patronin der Ehe, Feuerwehr, Bergleute, Drechsler, Hausfrauen, Goldschmiede, Strumpfwirker, Kunsttischler, Müller, Schiffer und Weber ist sie, man könnte fast sagen, hochbeschäftigt. Vor allem an ihrem Feiertag, seit Ende des 16. Jahrhunderts der 26. Juli, oder am folgenden Sonntag wird das Hauptbundesfest der Frauen begangen. „Ist Anna einmal vorbei, so kommt der Morgen kühl herbei“, lautet zudem eine bekannte Bauernregel. In Niederlana ist ihr die St.-Anna-Kapelle am alten Pfarrhof des Deutschen Ordens in der Treibgasse geweiht. Die Kapelle entstand im 15. Jahrhundert und ergibt mit dem angrenzenden alten Widum, dem „Deutschhaus“, einen interessanten Baukomplex. Er entspricht der Ordenstradition kleinerer, über das Land verstreuter Häuser. Die klosterartige Anlage gruppiert mehrere Gebäude um einen Innenhof und verzichtet dafür auf eine zentrale Abtei. Wenige Meter weiter führt eine verkehrsarme Verbindung zum Kirchweg – die St.-Anna-Straße.
Christian Zelger