Das Jahr 2023 begann mit einem historischen Ereignis: der Verhaftung von Matteo Messina Denaro, dem gefährlichsten sizilianischen Mafiaboss, der 30 Jahre auf der Flucht war. Die Mehrheit der sizilianischen Bevölkerung begrüßte die Gefangennahme des Mannes, der nach der Verhaftung von Totò Riina (1993) und Bernardo Provenzano (2006) die Führung der Mafia übernommen hatte, mit großem Beifall.
Messina Denaro hat mit 14 Jahren schießen gelernt und mit 18 den ersten Mord begangen. Man sagt, seine Opfer könnten einen ganzen Friedhof füllen. Er gehört zu jener Gruppe von Mafiosi alter Schule, die Anfang der 1990er Jahre eine Reihe von Frontalangriffen auf den italienischen Staat verübt haben; von der Ermordung der Richter Giovanni Falcone und Paolo Borsellino über die Anschläge 1993 in Rom, Florenz und Mailand. Mit ihnen sollte der Staat gezwungen werden, das Gesetz über verschärfte Haftbedingungen für Mafiosi aufzuheben. Auch sollten die Familienangehörigen der sogenannten pentiti, also Abtrünnige, die mit den Ermittlern zusammenarbeiten, bestraft werden.
Der 60 Jahre alte Mafioso lebte unter falschem Namen in einem Haus in der Nähe seines Geburtsortes. Er war im Besitz echter Dokumente, lieh sich die Identität einer realen und lebenden Person und wartet in aller Ruhe in einer Krankenhauseinrichtung, die er seit Monaten regelmäßig besuchte, auf seinen Turnus. Die Art und Weise, in der es ihm gelungen ist, seine Spuren zu verwischen, so dass er praktisch zu Hause ein fast normales Leben führen konnte, macht deutlich, dass die einzelnen Mafia-Clans immer noch über großen Einfluss verfügen. Sie können sich darauf verlassen, dass sich die Leute um sie herum an das Gesetz der sogenannten „omertà“ halten.
Die Ermittler kamen Messina Denaro vor allem wegen seiner Tumorerkrankung auf die Schliche. Diese ging aus abgehörten Telefongesprächen seiner Familienmitglieder hervor. Eine Durchleuchtung des nationalen Registers von Patienten mit Leberkrebs und die Abgleichung der Daten mit Alter und Herkunft von Messina Denaro ergab dann seine wahre Identität.
Die Verhaftung, darf jedoch nicht den Eindruck erwecken dass die Mafia besiegt worden ist. Die neue Generation arbeitet lautloser, schleußt sich in verschiedene Lebensbereiche ein und betreibt von dort ihre kriminellen Machenschaften. Der Staat hat zwar einen wertvollen Punkt zu seinen Gunsten erzielt, aber der Weg zum Sieg der Legalität ist noch weit.