Südtirols Bauern- und Bürgertrachten sind ein ganz besonders schöner Ausdruck der heimischen Volkskultur. Sie lassen ehemals abgrenzbare Räume erkennen und zeugen von alten Zusammenhängen wie etwa Gerichtsbezirke und Handelswege oder Alters- und Berufsgruppen.
von Michael Andres
Trachten erfreuen sich großer Beliebtheit, sind auch außerhalb der Südtiroler Landesgrenzen bekannt und ein Stück Südtiroler Geschichte. „Die bildlich am frühesten dokumentierbaren Elemente sind die Burggräfler Joppe („Hemat“ genannt) um das Jahr 1700 und die Pusterer Männer- und Frauentracht einige Jahrzehnte später“, erklärt Helmut Rizzoli, der Vorsitzende der Arbeitsgruppe „Unsere Tracht“. Im Internet unter www.unsere-tracht.info findet man ein reichhaltiges Archiv zur Geschichte der Trachten. Die Mitglieder des Vereins ohne Gewinnabsichten setzen sich zusammen aus Forschern, Handwerksmeistern und Vertretern trachtentragender Vereine. „Es ist uns wichtig: Das Tragen der Tracht ist eine historisch gewachsene Tradition, die trotz laufender Veränderungen bis heute fortlebt“, erklärt die Arbeitsgruppe. Heute gibt es in Südtirol vor allem gewachsene Trachten, erneuerte Trachten und wiederbelebte Trachten, die abgekommen waren. Die Entstehung der Trachten in Südtirol dürfte auf das 18. Jahrhundert zurückgehen, wobei die Tracht als typisches Alltags- und Festtagsgewand der bäuerlichen Bevölkerung entstanden ist. In den kalten Wintermonaten, als es im Freien weniger zu tun gab, wurden in den heimeligen Stuben Trachten angefertigt. Es wurde geplant, genäht und gestrickt, die Bäuerinnen hatten alles im Griff. Wie viele Trachten es genau in Südtirol gab oder gibt, lässt sich nicht genau feststellen. „Vor 1850 gab es beinahe in jedem Tal, Ort, Gericht oder Pfarrei eine eigene Tracht, eine eigene Besonderheit des Tragens. Zudem gibt es nicht nur Werktagstrachten, sondern auch Festtagstrachten, die sich oft nur in Kleinigkeiten voneinander unterscheiden. Erst allmählich hat diese „Kleinräumigkeit“ nachgelassen, und die Trachtenlandschaften haben sich langsam wieder zurückgebildet“, informiert Helmut Rizzoli.
So verschieden wie die Täler
So verschieden wie die Südtiroler Täler sind auch die Trachten. Blickt man ins Passeiertal, findet man auch dort eine eigene Tracht. Diese ist von schlichter Machart und wird besonders an Festtagen oder zu bestimmten Anlässen im Tal getragen. Die Männer tragen dabei unter anderem eine kurze braune Lodenjacke, eine Weste aus rotem Loden mit Messingknöpfen, Hosenträger aus grünem Stoff, Kniebundhosen aus Bockfell und einen Ledergürtel, in dem oft Name oder Sprüche eingestickt sind. Auffallend ist auch ein schwarzer Filzhut. Die Passeirer Frauentracht besteht aus einem schwarzen Wollrock, einer blauen Seidenschürze und einem schwarzen Miederleibchen. Den Halsausschnitt ziert eine weiße, breite Spitzenborte. Rote oder weiße Strümpfe und bestickte Schuhe runden die Tracht ab. Große Tradition hat etwa die Burggräfler Tracht. Insbesondere die auffälligen roten Aufschläge auf dem „Wollehemat“ machen die Burggräfler Männertracht sofort erkennbar. Die Joppe hat sich seit mehr als 200 Jahren kaum geändert und ist somit das einzige Trachtenteil in Tirol, welches derart beständig getragen wird. Sowohl Männer als auch Frauen im Burggrafenamt unterscheiden zwischen zwei Trachten-Formen: das „Bäurische Gwand“ und die „Burggräfler Miedertracht“ der Frauen, und das „Kurz- und „Langbäurische Gwand“ bei den Männern. Die „Burggräfler Miedertracht“, im Volksmund auch „Meraner Dirndl“ genannt, wird vor allem von Musikantinnen getragen, aber auch von Volkstanzgruppen und in Schützenkompanien. Die Ultner Tracht unterscheidet sich stark von den Trachten der Nachbartäler und ist rigoros an die Traditionen gebunden. Das weiße Hemd hat einen einfachen Schnitt und einen kleinen Kragen. Es wird unter einer Weste getragen, die normalerweise bis zum Kragen zugeknöpft wird. Darüber trägt der Mann Hosenträger, die durch ein Band auf Brusthöhe verbunden sind.
Als Fest- und Sonntagsbekleidung
Heute sind Trachten beliebter denn je. Sie werden nicht nur aus den traditionellen Gründen getragen, sondern insbesondere auch auf Festen. Aber: Sie sind mittlerweile auch ein beliebtes Sonntagsbekleidung für die Freizeitgestaltung. Die Möglichkeiten Trachten zu tragen sind somit vielfältig. Und auch die Möglichkeiten verschiedene Trachten zu kaufen. Zahlreiche Fachgeschäfte haben sich auf Trachtenmode konzentriert und stehen beratend zur Seite. Fest steht: Für jeden Geschmack ist heute etwas dabei.