In den letzten Wochen ist der Nationale Wiederaufbauplan (PNRR) zum heißen Thema in der italienischen Politik geworden. Das Thema, das Italiens Regierung die größten Sorgen bereitet.
Der PNRR ist der strategische Plan, den Italien Europa präsentieren musste, um nach der Pandemie Wirtschaftshilfe für den Wiederaufbau zu erhalten. Mit nicht rückzahlungspflichtigen Zuschüssen und langfristigen Darlehen hat Europa einen enormen Betrag bereitgestellt, mehr als 200 Milliarden Euro. Die Mittel sind an sechs große Aufgaben zur Modernisierung der Wirtschaft gebunden: Digitalisierung, ökologischer Umbau, Infrastruktur, Bildung und Forschung, soziale Eingliederung und territorialer Zusammenhalt sowie Gesundheit. Jeder Bereich ist in spezifische Ziele und konkrete Maßnahmen unterteilt, mit einem detaillierten Ausgabenplan und einem genauen Zeitplan für die Umsetzung: Alle Projekte müssen bis 2026 abgeschlossen sein. Nach einem ermutigenden Start unter der Regierung Draghi haben die Schwierigkeiten, die Verpflichtungen und Fristen einzuhalten, kontinuierlich zugenommen. Neben den ausufernden bürokratischen Auflagen, ist der Hauptgrund dafür der Mangel an kompetentem Personal, welches in der Lage ist, die Projekte zu entwickeln und umzusetzen. Selbst außerordentliche Neueinstellungen, um mehr geschulte Fachkräfte in die öffentliche Verwaltung zu bringen, haben nicht die gewünschten Ergebnisse gebracht.
Ein Fall, der viel Aufsehen erregt hat, ist jener der Kinderkrippen. Um mehr Frauen in die Erwerbstätigkeit zu bringen, sollte ein flächendeckendes Netz an Kinderbetreuungseinrichtungen geschaffen werden. In den südlichen Regionen finden 90 % der Familien mit einem Kind unter drei Jahren keinen Platz in einer Kinderkrippe. Gerade dort hatten die Gemeinden jedoch große Schwierigkeiten entsprechende Projekte vorzulegen. 66 % der Gemeinden, in denen es keine Kinderkrippen gibt, waren nicht in der Lage an der Ausschreibung für die Verteilung der Gelder des PNRR teilzunehmen. Ein weiterer Grund für die Verzögerungen ist die politische Instabilität Italiens. Mit den Wahlen wurde der gesamte Beamtenapparat der vorhergehenden Regierung durch den der neuen Regierung ersetzt, was zu erheblichen Verzögerungen bei der Verwaltung des Plans geführt hat. In Europa blickt man unterdessen mit Sorge auf die Entwicklung. Italien hat nur 6 % der Mittel ausgegeben, während Spanien vor kurzem das Ziel von 30 % erreicht hat und sich darauf vorbereitet, weitere Mittel zu beantragen. Da Italien nicht in der Lage sein wird, alle Projekte umzusetzen, fordert die Regierung den Plan neu zu verhandeln. Einige Exponenten der Mehrheit sprechen gar davon auf einen Teil der Gelder zu verzichten. Die Verwalter von lokalen Körperschaften, wie der Bürgermeister von Mailand oder der Präsident von Ligurien, sind hingegen der Meinung, dass das Geld an die Gebiete verteilt werden sollte, die wissen, wie man es ausgibt. Der für die Beziehungen zu Europa zuständige Minister Raffaele Fitto verschweigt die Schwierigkeiten nicht, er versucht jedoch zu beschwichtigen: Die Regierung, so sagte er im Parlament, werde alles tun, um alle zur Verfügung gestellten Mittel gezielt einzusetzen. In der Tat wird der Erfolg dieser Regierung hauptsächlich daran gemessen werden, ob sie es schafft die historische Chance zu nutzen, Italien mit Hilfe des Wiederaufbaufonds wirtschaftlich besser aufzustellen.