Corona hat uns verändert. Das ist nichts Neues. Neu ist jedoch, dass seit Corona Schrebergärten auch bei uns immer mehr Fuß fassen. Die „Nalser Gartenzwerge“ machten 2010 den Anfang. 2017 eröffnete „Mein Gortn“ in Vilpian, danach kamen die Anlage „Green Garden“ und die „Gartenfreunde“ in Tscherms. Seit kurzem gibt es die Schrebergärten Falschauer. Weitere sind geplant, darunter in Völlan. Auch die Stadt Meran hat über 100 Schrebergärten.
von Josef Prantl
„Eine kleine Ruheoase im Grünen zum Garteln und Verweilen“ bezeichnet Othmar Hillebrand seine Schrebergartenanlage bei der MeBo-Ausfahrt Vilpian. Den eigenen vier Wänden einer balkonlosen, engen Wohnung zu entfliehen, danach sehnen sich die Menschen. Denn nicht alle können ein Plätzchen im Grünen ihr Eigen nennen. Mit einem Schrebergarten ist dieser Traum aber auch für sie möglich, die keine so dicke Geldtasche besitzen. Wenigstens hier kann ich ein kleines Gartenhäuschen und ein paar Quadratmeter Grund und Boden mein Eigen nennen!, lautet die Devise.
Zusammenleben lernen
Schrebergärten sind die neuen Zufluchtsorte für immer mehr Menschen, hier können sie ihr Gemüse, ihren Salat, ihr Obst anbauen, sich frei entfalten und Ruhe finden. Der Mensch ist eben auch ein Wesen der Natur – und lässt sich von Naturerlebnissen ansprechen. „Der Garten wird mit Liebe und Leidenschaft gehegt und gepflegt. Viele meiner Gartenfreunde kommen nach Vilpian und genießen allein, zu zweit, mit Freunden oder Familie die Ruhe und die schöne Zeit in der Natur“, sagt der Marlinger Maschinenschlosser, der mit Leib und Seele seine Anlage mit rund 70 Kleingärten führt. Man sieht Otti, wie Othmar alle nennen, an, dass er von seiner Sache überzeugt ist: „Ich freue mich auf neue Bekanntschaften und neue Freunde“, sagt er. Natürlich gibt es auch Schwierigkeiten und Kritik, aber davon lässt sich Othmar nicht unterkriegen.
Mehr als nur „Gartlen“
„Schrebergärten sind Anlagen für Freizeittätigkeiten im Sinne von Artikel 107, Absatz 14 des Landesraumordnungsgesetzes“, heißt es in einem Beschluss der Landesregierung. Und weiter: „Auf dieser Fläche ist jegliche Bauführung untersagt, mit Ausnahme der Gartenhäuschen für jeden Schrebergarten zur Unterbringung der Geräte im Höchstausmaß von 2 m x 2 m x 2,3 m Höhe“. Damit fangen aber auch schon die Schwierigkeiten an. Denn nicht alle halten sich an die Vorgaben, ein bisschen ist es immer auch Auslegungssache, was erlaubt und was nicht erlaubt ist. Fakt ist: Bei einem Schrebergarten geht es um weit mehr als nur ein bisschen Gemüse oder Blumen. „Es geht um Freiheit, Gemeingut und Gemeinschaft, um das Soziale“, sagt Othmar Hillebrand. Der Garten bietet die Möglichkeit zum Grillen, Verweilen, Feiern und Relaxen. Natürlich unter Einhaltung der Regeln, die für jede Anlage gelten. In Deutschland gibt es inzwischen mehr als eine Million dieser Kleingärten. In seiner Urform ist das Kleingartenwesen über 200 Jahre alt und – wie kann es nicht anders sein – auch in Deutschland entstanden. Die ersten Gartenparzellen wurden bereits 1797 in Schleswig-Holstein angelegt, um Hunger und Verarmung durch die steigende Bevölkerung vorzubeugen. Bereits 1826 gab es für arme Familien in 19 deutschen Städten solche Gärten.
Die Sehnsucht nach einem Stück Grün
Von Anfang an stand die Idee dahinter, Menschen ein Stück Natur und einen eigenen Grund und Boden zur Verfügung zu stellen. So liest sich auf der Webseite der erst vor kurzem geöffneten Schrebergärten Falschauer: „Sie haben einen grünen Daumen und lieben es zu garteln? Ihnen fehlt aber der Platz zum Gartenglück? Dann kommen Sie zu uns. In Lana entstehen neue Schrebergärten für alle Hobbygärtnerinnen und Gartenanbeter. Hier, am Ufer der Falschauer, ist der ideale Ort für Ihren nachhaltigen Gemüseanbau.“
Der soziale Aspekt der Schrebergärten steht bis heute aber immer auch im Vordergrund. So wie der Gedanke der Nachhaltigkeit und Ökologie. Vor allem bei Max von Pfeil in Tscherms. Seit 2021 wird dort hinter der Industriezone Gemüse angebaut. Der 33-Jährige hat Platz für 20 Kleingärten geschaffen. „Mir ist einfach wichtig, dass die Leute wieder selbst ihr Essen anbauen. Dass Eltern ihren Kindern die Arbeit im Garten näherbringen und mit ihnen gemeinsam Zeit verbringen, dass die Kinder wieder lernen, draußen zu spielen. Weg von der Tablet-Generation. Das ist heute wichtiger denn je“, sagt Max in einem Interview mit dem Online-Magazin „Barfuss“. Und dann gilt noch eine Regel: „Mindestens 50 Prozent der Gartenfläche müssen mit Gemüse oder Kräutern bedeckt sein. Biologisch angebaut ohne Pflanzenschutzmittel und chemischen Dünger. Gartenhäuschen gibt es bei Max allerdings keine, dafür aber eine kunstvoll angelegte Anlage.
Daniel Schrebers soziales Anliegen
Der Begriff „Schrebergarten“ geht auf den Leipziger Arzt und Hochschullehrer Daniel Schreber (1808-1861) zurück. Ihm lag das soziale Elend und vor allem die Not der Kinder zur Zeit der ersten Industrialisierung am Herzen. Schreber forderte schon damals Grünflächen und Spielplätze für Kinder zur Gesundheitsförderung. Später wurden am Rande dieser Spielplatze kleine Gärten angelegt, in denen die Kinder das Gärtnern erlernen sollten. Mit der Zeit wurden daraus Familienbeete. Man nannte sie „Schrebergärten“. Von Leipzig aus nahm der Begriff „Schrebergarten“ sowie das daraus entstandene Kleingartenwesen ihren Weg in die ganze Welt.
Pionier der Schrebergärten in Südtirol
Als Pionier der Schrebergärten bei uns kann man den Nalser Günther Rauch bezeichnen. Inmitten der Apfelbaumanlagen liegen die „Nalser Gartenzwerge“. Bereits 2010 machte Rauch aus seiner Obstwiese eine Schrebergartenanlage, nachdem Freunde ihn darauf ansprachen, ihnen doch ein kleines Grundstück für einen Garten zu vermieten. Es war auch eine Reportage über Daniel Schreber, die den ersten Anstoß gab. Innerhalb weniger Monate entstanden eine anschauliche umzäunte Kleingartenanlage, ein großzügiger Parkplatz und sogar eine Toilette. Das Projekt „Nalser Gartenzwerge“ mit 40 Parzellen war geboren. Jeder Garten hat sein eigenes Eingangstor sowie einen Wasseranschluss. Bis heute sieht der Nalser sich dem Anliegen Schrebers verpflichtet. Die Kritik, dass es in Schrebergärten sehr schnell zu Saufgelagen, lautem Feiern und Streitereien komme, lässt er nicht gelten. „Wer aber unter einem Schrebergarten eine Partylocation versteht, hat bei uns nichts zu suchen“, sagt Rauch.
Nette Gemeinschaft mit Gleichgesinnten
„Man kommt mit Leuten zusammen, die man im Alltag nicht trifft. Die Leute kommen aus allen Schichten, Altersgruppen und Berufen. Der Schrebergarten ist somit ein Abbild unserer Gesellschaft“, sagt Otto Hillebrand und erzählt von einer Lehrerin, die in ihrem Schrebergarten Nachhilfe gibt, von Menschen mit Migrationshintergrund, Deutschen und Italienern, die sich über die Gartenzäune unterhalten.
Auch die Stadtgemeinde Meran besitzt Schrebergärten: insgesamt 135 in der Schießstandstraße, in der Fermistraße und in der Viehmarktstraße. Senioren, die das 65. Lebensjahr erreicht haben, Familien mit Kindern unter 14 Jahren und Bürger mit Migrationshintergrund können darum beim Sozialamt ansuchen. Jede Parzelle wird für ein Jahr zugewiesen und kostet 50 Euro Jahresmiete. Deutlich mehr zahlt man bei den privaten Vermietern. Da ist mit einer Jahresmiete von rund 1000 Euro schon zu rechnen. Dafür bekommt man durchschnittlich 100 Quadratmeter Garten und einen Wasseranschluss inklusive.
Nach den Coronajahren sind sogenannte Schrebergärten auch bei uns immer beliebter. Die Stadtgemeinde vermietet schon seit langen Kleingärten. Wie kam es dazu und wer kann alles einen Gemeindegarten erhalten?
Stefan Frötscher: Schrebergärten wurden vom damaligen Sozialamtsdirektor Helmut Köcher und dem damaligen Stadtrat Dario Zandonai in der ersten Hälfte der 1980er Jahre gegründet und zwar in der Viehmarktstraße, Ecke St.- Josef-Straße. Es hat damals eine sehr lange Warteliste gegeben. Vorbild waren die Schrebergärten in Deutschland und der Hintergedanke war es, eine Beschäftigung für ältere Leute zu schaffen, aber auch die Sozialisierung so zu fördern. Personen, die das 65. Lebensjahr vollendet haben und in Meran ansässig sind, können einen Kleingarten mieten. Weiters werden die Gärten an Familien mit einem oder mehreren Kindern sowie an Personen mit Migrationshintergrund vergeben.
Meran hat über 100 dieser Kleingärten: Wie ist die Nachfrage und wie kommen sie bei den Menschen an?
Die Nachfrage ist sehr groß. Es ist aber gelungen, alle Anfragen positiv zu beantworten. Schrebergärten kommen wirklich sehr gut bei den Menschen an.
Worin sehen Sie die Bedeutung von Schrebergärten und wie denken Sie über den Boom, den die Anlagen derzeit auch bei uns erleben?
Schrebergärten sind eine überaus sinnvolle Form der Beschäftigung und eine Möglichkeit mit anderen Gleichgesinnten in Kontakt zu treten und sich sinnvoll auszutauschen.
Über die Schrebergärten erleben Menschen Gemeinschaft und wachsen zusammen, lernen sozusagen das Zusammenleben, entwickeln Toleranz und Verständnis füreinander. Wir werden uns als Gemeinde bemühen den starken Nachfragen auch in nächster Zeit gerecht zu werden. Ich gehe selber gerne bei Schrebergärten vorbei, um von der Gemeinschaft und vom besonderen Flair etwas mitzubekommen.