Ein bisschen New York, Tokyo, Neu-Delhi…, die große weite Welt von Meran aus erobern. Ein bisschen wie die jungen Mark Zuckerberg, Bill Gates oder Elon Musk sein. Aus einer Idee etwas Großes machen. Alles ist möglich. MIND nennt sich das im Juni eröffnete Innovationszentrum am Pferderennplatz: Merans Hotspot für kreative Köpfe, die Zukunft gestalten wollen.
von Josef Prantl
Daniel Lotà arbeitet für ein deutsches Unternehmen. Seine Aufgabe ist es, Personenleitsysteme für Flughäfen zu planen, damit die Warteschlangen kürzer, die Passagierflüsse im Terminal und auf dem Flugfeld besser werden. Daniel braucht dafür kein eigenes Büro. Im MIND hat er als Freiberufler sein ideales Arbeitsumfeld gefunden. Hier, im sogenannten Coworking Space, hat er alles, was er braucht: High-Speed-Internet, Drucker, Scanner, Beamer, Besprechungsraum. Wir treffen den Tisner, als er gerade in der schalldichten Chat Box mit seinem Mutterunternehmen in Videokonferenz steht. „Im MIND komme ich mit interessanten Leuten zusammen, wir inspirieren uns gegenseitig“, sagt Daniel.
Die Zukunft gehört nicht den Individualisten, den Einzelkämpfern, sondern den „Zusammenarbeitenden“! Lebenslange Bindungen an Arbeitgeber werden in Zukunft verschwunden sein, sagen die Experten. Mit anderen zusammenzuarbeiten, verspreche mehr Erfolg als das Einzelkämpfertum. Kooperation wird in den zukünftigen Arbeits- und Lebenswelten der Schlüssel zum Erfolg sein. Dem sieht sich auch das Innovationszentrum MIND verpflichtet, das die Gemeinde Meran kürzlich am Meraner Pferderennplatz offiziell eröffnet hat.
Meran.o Innovation District
„Das neue Coworking Space befindet sich im MIND Innovationszentrum direkt unter den Tribünen des Pferderennplatzes in der Gampenstraße 92 A Meran“, heißt es auf der Webseite von MIND. Nicht jeder versteht auf Anhieb, was damit gemeint ist, denn es braucht schon seine Zeit, um in die Sprache zukünftiger Arbeitswelten hineinzukommen. Und die ist natürlich Englisch und vor allem technologisch. Hinter MIND steht eine „Initiative der Stadt Meran zur Stärkung der Innovationskraft, des Unternehmertums und der Kreativität im peripheren Raum“. Einfacher ausgedrückt: Unter der Tribüne B am Pferderennplatz ist ein Zentrum entstanden, das Leuten mit innovativen Ideen die Möglichkeit gibt, diese zu verwirklichen; aber auch Events für Unternehmen, Schulen und Bürger organisiert, Beratung und Unterstützung anbietet, wenn es um das Thema Innovation geht. Workshops und Schulungen, der Austausch von Wissen und die Zusammenarbeit zwischen den Unternehmen zu fördern, das alles ist MIND (Meran.o Innovation District), eine Art Katalysator für Innovation, Unternehmertum und Zusammenarbeit. „Die Unternehmen im Raum Meran über neue Trends und Innovationen auf dem Laufenden zu halten und Menschen dazu zu bringen, sich auszutauschen und gegenseitig weiterzuhelfen, ist nur zu begrüßen“, sagt PUR-Chef Ulrich Wallnöfer. Und der Meraner Jungunternehmer Simon Sparber meint: „MIND hat mir bei der Gründung und Weiterentwicklung meines Startups sehr geholfen. Ich bin froh, dass junge Menschen in diesen Bereichen auf kompetente Unterstützung zählen können.“ Sparber hat sich mit „Angles 90“ auf Zubehör für Fitnessgeräte spezialisiert und vertreibt mittlerweile seine Produkte weltweit.
Neue Arbeitswelten
Wir erleben aktuell die Anfänge einer Umbruchszeit, in der globale Trends und Entwicklungen so gut wie alle Bereiche unserer Gesellschaft beeinflussen. „Unser Zusammenleben und -arbeiten wird sich in den nächsten Jahrzehnten grundlegend verändern“, sagt Stephan Thaler. Er ist der Coworking-Verantwortliche von MIND. Oder der Hausmeister, wie er schmunzelt. Thaler begrüßt mich in der „Green Hall“, der Eingangshalle von MIND mit echten Bäumen. Der 800-Quadratmeter große und lichtdurchflutete HUB (man meint damit einen zentralen Ort) wurde von den Architekten Wolfram Pardatscher, Stanislao Fierro und Philipp Gamper geplant. Die Gesamtkosten beliefen sich auf rund 3 Millionen Euro und wurden zum Teil über den Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung EFRE mitfinanziert. Den Großteil stemmte aber die Stadtgemeinde, die von der MIND-Idee überzeugt ist: „Meran ist damit ein Vorzeigemodell auch im Bereich der Innovation. MIND ist zukunftsorientiert, um den Innovationsgeist, die Kreativität und die unternehmerische Kultur zu pflegen und zu stärken“, sagte Bürgermeister Dario Dal Medico bei der Eröffnung im Juni.
Vernetzung und Community
Stephan Thaler ist von Anfang an dabei, und das war 2017. Im Mittelpunkt von MIND steht das sogenannte Coworking. Gemeint ist, dass Menschen die Möglichkeit haben, in einer Gemeinschaftsumgebung zu arbeiten. Anstatt allein zu Hause zu arbeiten, können Coworking-Mitglieder einen Arbeitsplatz in einem professionellen Umfeld nutzen. Dies bietet Vorteile wie soziale Interaktion, Netzwerkmöglichkeiten und den Zugang zu Ressourcen und Kenntnissen anderer Fachleute. „Coworking bietet eine flexible und dynamische Arbeitsumgebung für alle, die unabhängig arbeiten möchten, aber dennoch die Vorteile eines gemeinsamen Arbeitsraumes und einer Community schätzen“, sagt Thaler. Es ermöglicht den Mitgliedern, ihre Arbeit effizienter zu gestalten, neue Kontakte zu knüpfen und von den Ressourcen und Erfahrungen anderer zu profitieren.
Coworking Spaces in Meran
Das Herz von MIND ist das Coworking-Space: Es gibt 19 Einzelarbeitstische im offenen Bereich (sogenannte „Workdesks“), fünf moderne Büros, einen Eventraum für 100 Personen, ein Edu-LAB (oratorium) mit 3 D-Drucker, VR-Brille, Tiefziehmaschine etc., zwei Meetingräume, einen Küchenbereich, Ruhezonen und Toiletten. Bisher waren Merans Coworker im Coworking-Space am Rennstallweg und jenem in der Kuperionstraße untergebracht. Ähnliche Coworking-Spaces gibt es in Bozen (Messe), Brixen (Vahrn), Bruneck (Noi Techpark), Sand in Taufers, Mals (Weberei Salutt) und Schlanders (BASIS). Im Netzwerk „Startbase“ sind all diese Coworking-Spaces Südtirols zusammengeschlossen. Und alle bieten auf Tages- oder Monatsbasis Büros, Arbeitsplätze und Infrastruktur wie schnelles Internet, Drucker, Scanner, Beamer oder einen Meetingraum. „Unsere Community fördert Coworking Werte wie Zusammenarbeit und Neugierde, Gemeinschaft und Wissen teilen, Sinnhaftigkeit und Nachhaltigkeit, Offenheit und Zugänglichkeit sowie Passion und Engagement“, lautet die Mission von „Startbase“.
Die Geschichte von Coworking
Erfunden wurde Coworking in Kalifornien. 2005 gründete Brad Neuberg in San Francisco das erste offizielle Coworking-Space namens „Hat Factory“. Neuberg war auf der Suche nach einer Alternative zum traditionellen Büro und wollte eine gemeinschaftliche Arbeitsumgebung schaffen, in der Menschen zusammenarbeiten und voneinander lernen. Der Begriff „Coworking“ wurde jedoch erst einige Zeit später geprägt. 2006 verwendete der Unternehmer und Technologieberater Bernie DeKoven den Begriff, um eine neue Art der Arbeitsumgebung zu beschreiben, die er in San Francisco beobachtet hatte.
Die Idee von Coworking verbreitete sich schnell und fand Anklang bei Freiberuflern, Selbstständigen und Unternehmern, die nach flexibleren Arbeitsmöglichkeiten suchten. In den folgenden Jahren entstanden weitere Coworking-Spaces weltweit, und das Konzept gewann an Beliebtheit. Seitdem hat sich die Coworking-Bewegung stark weiterentwickelt. Große Unternehmen erkennen zunehmend den Wert von Coworking und bieten ihren Mitarbeitern flexible Arbeitsmöglichkeiten in solchen Umgebungen an. Es gibt nun Coworking-Spaces in verschiedenen Größen, Stilen und Ausrichtungen, die auf verschiedene Branchen und Bedürfnisse zugeschnitten sind. Die Ursprünge des Coworking-Konzepts liegen jedoch in der Idee, eine gemeinschaftliche Arbeitsumgebung zu schaffen, in der Menschen unabhängig arbeiten können, aber dennoch soziale Interaktion, Kollaboration und den Austausch von Ressourcen genießen können.
Arbeiten im MIND
Der Vinschgauer Stefan Höchenberger hat sich auf die Erstellung von Webseiten und Social-Media-Auftritten von Handwerksbetrieben spezialisiert. Der gelernte Elektrotechniker lebte eine Zeitlang in Wien und hat sich nun selbstständig gemacht. „NEXTLEVELHANDWERK.COM“ nennt sich sein Internetauftritt: „Aus dem Handwerk für das Handwerk“, wie er selbst sagt. Sein Büro hat er im Meraner MIND: „Ich habe hier alles, was ich brauche. Es ist preiswert und ich muss keinen Vertrag kündigen, wenn ich wieder weg bin“. Für den Jungunternehmer also geringes Risiko, aber viele Vorteile. „Geöffnet jeden Tag von morgens 6 Uhr bis spätestens 22 Uhr (Sonntag ausgenommen) und wenige Gehminuten vom Untermaiser Bahnhof entfernt, ist das MIND der ideale Arbeitsort“, sagt der freiberufliche Bauingenieur Giovanni. „Aber am wichtigsten ist der Austausch, das Netzwerk hier, die Community“, ergänzt er.