Der Schutzengelsonntag ist ein katholischer Feiertag und wird am ersten Sonntag im September begangen. An diesem Tag wird der Schutzengel gedacht, die in der Bibel als göttliche Boten und Beschützer der Menschen beschrieben werden.
Schutzengel sind in vielen Kirchen in Form von Gemälden, Skulpturen und Fenstermalereien zu sehen. Die Darstellungen unterscheiden sich nach Epoche und Kunststil. In welcher Form auch immer, Schutzengel gehören zur christlichen Tradition und spenden den Gläubigen Trost und Zuversicht in schwierigen Zeiten.
Die BAZ sprach darüber mit Leo Andergassen, Direktor des Südtiroler Landesmuseums für Kultur- und Landesgeschichte auf Schloss Tirol.
Herr Andergassen, die Darstellung von Schutzengeln hat in der Südtiroler Kunst- und Kulturgeschichte, vor allem in der kirchlichen Kunst, eine lange Tradition. Haben sich die Darstellungen in den Südtiroler Kirchen im Laufe der Jahrhunderte verändert?
Andergassen: Engel sind meist Begleiter religiöser Vorstellungen. Von Ihrer Funktion her sind sie Mittler zwischen dem Göttlichen und den Menschen. Engel, sie kommen und gehen, aber sie sind nicht da, ihre Existenz ist eine Botschaft. So könnte man ihr Dasein definieren. Engel begegnen uns schon in den frühesten Kirchenausstattungen. Man denke an St. Benedikt in Mal, wo um 800 eine Reihe von Engeln die Altarwand abschließt. In St. Prokulus in Naturns flankieren sie um 1000 den Zugang zum Altarbereich. Der Engel am Palasportal von Schloss Tirol aus der Zeit um 1140 wird als göttlicher Bote klassifiziert. Die Engel in der Krypta im Kloster Marienberg erscheinen um 1180 in verschiedenen Rängen und Aufgaben. Jede Epoche verändert auch die Darstellung und das Verständnis der Engel. In der Frühen Neuzeit werden Engel meist als kleine, geschlechtslose Putten dargestellt, mit Ausnahme der mächtig agierenden Engel, die meist der Gattung der Erzengel angehören. In der Zeit der Romantik wandeln sich die Engel zu kuscheligen Stimmungsmachern, die kleine Kleinkinder vor Fehltritten und Schaden bewahren.
Können Sie das näher erklären?
Die Veränderungen in der Engelsdarstellung gehen einher mit einem Wandel der theologischen, vor allem aber der volksfrommen Einstellungen. Der Schutzcharakter ist ein wesentlicher Aspekt aller göttlichen Geister. Sie beschützen die Menschen und meinen es gut mit ihnen. Um eine Beziehung zu ihnen herzustellen, werden emotionale Aspekte angesprochen. Das Schutzengelgebet, das die Kinder aufsagen, soll das Bewusstsein für die Anwesenheit der Engel festigen und ihren Schutz herbeirufen. Mit den Engeln begibt sich der Mensch durchaus auf eine persönlich erlebbare Offenbarungsebene. Engel gelten als Vermittler göttlicher Botschaften, die auch über individuelle Zugänge erschlossen werden können. Die katholische Lehre unterscheidet verschiedene Arten von Engeln, wie den Erzengel, den Thronwächter, den Engel der Barmherzigkeit, den Engel der Zerstörung sowie den Schutzengel. Sie werden in den verschiedenen Überlieferungen und Traditionen erwähnt.
Lassen sie sich durch die Art ihrer Darstellung unterscheiden?
Bereits in der Spätantike gab es eine klare Gliederung der Engel. Von Pseudo-Dionysius Areopagita stammt die Einteilung der Engel in neun „Chöre“, also Gruppierungen. Es gibt Cherubim, Seraphim und Throne, Herrschaften, Mächte und Gewalten, Fürstentümer, Erzengel und Engel. Die uns so bekannten Erzengel Michael, Gabriel und Raphael stehen an vorletzter Stelle. Die Bezeichnungen der Engel sagen geradezu das Gegenteil von dem aus, was wir als niedliche Grab- und Betthüter wahrnehmen, sie haben mit Macht zu tun und handeln in Vollmacht. Die christliche Bilderwelt hat für die Engel die unterschiedlichsten Aufgaben erfunden. So sind sie bei der Geburt Christi anwesend und singen den Lobgesang, aber sie ordnen auch das Kleid Marias und dienen dem Neugeborenen. Die Engel stehen auf einer apokryphen Ebene der Heilsgeschichte, denn ihr Wirken ist universell und bedarf keiner besonderen Dogmatik.
Können Sie Beispiele aus dem Burggrafenamt nennen?
Zu den schönsten Engeln im Burggrafenamt zählen die beiden großen vergoldeten Engel von Hans Patsch in der Pfarrkirche von Partschins. Sie stehen dort am Seitenaltar. Besonders Kurat Winnebacher förderte in der Zeit des Spätbarocks die Engelsverehrung in Passeier, was zu einer Ansammlung von Engeln und Putten auf den Altären führte. Der Schutzengelkult entwickelte sich erst in der frühen Neuzeit und wurde zu einem Merkmal der katholischen Kirche.
Haben Sie eine Lieblingsdarstellung in einer Kirche oder ein Fresko, das Sie interessant finden?
Ich schaue mir oft den Engel im Palasportal von Schloss Tirol an. Er steht auf einem von Perlen gesäumten Boden, als stünde er auf einem überirdischen, himmlischen Grund. Der Kreuznimbus verpflichtet ihn auf den Dienst Christi, dessen Inhalte er in Form einer gewissen Personalunion vermittelt. Er bewacht den Eingang und weist auf die dahinter liegende Kapelle hin. In der Bewegung seines glockenförmigen Gewandes zeigt sich auch das Unterwegssein des Engels. Engel sind Übertragungsmomente des Göttlichen.
Markus Auerbach