In den letzten Wochen wurde viel über Caivano, eine Gemeinde am Stadtrand von Neapel, gesprochen. Der heruntergekommene, von der organisierten Kriminalität beherrschte Ort, kam wegen einer mehrmaligen Gruppenvergewaltigung, deren Opfer zwei 10 und 12 Jahre alte Mädchen waren, in die Schlagzeilen. Die Täter waren Jugendliche, welche die Vergewaltigungen filmten und, laut Ermittlungen, die Aufnahmen an ein pädophiles Netzwerk verkauften. Diese Geschichte hat die öffentliche Meinung in Italien zutiefst empört. Nur für die BewohnerInnen des Viertels kam die Nachricht nicht überraschend. Offenbar wussten viele was passierte, trauten sich aber gegen die Söhne der Bosse nicht die Stimme zu erheben. Caivano gehört zu den Armutsvierteln in Italien, die vom Staat vergessen zu sein scheinen. In ihnen regiert die organisierte Kriminalität, der Drogenhandel floriert. Es fehlt an einer ganzen Reihe von Infrastrukturen und öffentlichen Dienstleistungen. Die Hoffnungslosigkeit der Jugend spiegelt sich in den zahlreichen Schulabbrüchen wieder.
Auf Einladung des Anti-Camorra-Pfarrers Don Patriciello besuchte Ende August, unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen, Ministerpräsidentin Giorgia Meloni Caivano. Sie versprach das Gebiet durch den Staat „zurückzuerobern“ und mit allen Dienstleistungen zu versorgen, die derzeit fehlen, einschließlich der Wiedereröffnung des einzigen Sportzentrums, das sich inzwischen in eine Müllhalde verwandelt hatte. Einige Tage später zeigte der Staat Präsenz. Eine groß angelegte Polizeiaktion in Caivano führte zu Verhaftungen und Beschlagnahmen von Drogen und Waffen. In der Zwischenzeit hat die Regierung ein „Caivano-Dekret“ erlassen. Es sieht eine Verschärfung der Sanktionen für von Minderjährigen begangene Straftaten und die Herabsetzung der Höchststrafe für eine Festnahme von Minderjährigen vor. Das Verbot sich an bestimmten Orten aufzuhalten, kann auch Minderjährigen über 14 Jahren auferlegt werden. Für Minderjährige zwischen 12 und 14 Jahren wird eine neue Typologie der Verwarnung durch den Quästor eingeführt. Für die Eltern ist eine Verwaltungsstrafe von bis zu 1000 Euro vorgesehen, es sei denn, sie können nachweisen, dass sie das rechtswidrige Verhalten ihrer Kinder nicht verhindern konnten. PD-Sekretärin Schlein kritisierte die Maßnahme: „Man hat den Eindruck, dass nur der Aspekt der Repression im Vordergrund steht, wichtiger ist aber die Prävention“. Die gleiche Kritik wurde von Don Patriciello und anderen Oppositionsparteien geäußert. Fünf Tage nach der groß angelegten Polizeiaktion setzte die Camorra in Caivano ein Zeichen, und feuerte 19 Maschinengewehrschüsse auf die Kirche von Don Patriciello ab. Sie werden wiederkommen, sagte der Pfarrer. Die Gewalt sei eine Folge der sozialen Missstände, wirtschaftlicher Probleme und Perspektivlosigkeit. Hier gelte es anzusetzen.