Seit 100 Jahren gehören die einstigen unabhängigen Marktgemeinden Obermais und Untermais zur Stadt Meran. Was die beiden Standorte aber wesentlich länger vereint, sind ihre gemeinsamen Ruhestätten, die sich seit jeher auf dem Gemeindegebiet von Untermais befinden.
von Philipp Genetti
In Untermais sind heute insgesamt drei Friedhöfe von historischer Bedeutung. Der älteste, wenn auch nicht urkundlich nachweisbar, ist wahrscheinlich der Friedhof rund um die Wallfahrtskirche Maria Trost. Ein weiterer befindet sich auf dem ehemaligen Gruber-Acker und gilt als der „neue“ Pfarrfriedhof des Stifts Stams. Dem ging der „alte“ Pfarrfriedhof bei der Pfarrkirche St. Vigil voraus, auf dem sich seit 2008 auch der Untermaiser Urnenfriedhof befindet.
Der Friedhof Maria Trost, Gedenkstätte berühmter Maiser Persönlichkeiten
Die heutige romanische Wallfahrtskirche Maria Trost mit ihrem eindrucksvollen lombardischen Kirchturm ist die historisch älteste Kirche in Meran. Sie stammt aus dem 12. Jahrhundert und wurde im Laufe ihrer Geschichte mehrmals erweitert. Vermutlich geht die Kirche auf eine kleinere Kirche aus dem 7. Jahrhundert zurück, die sich auf demselben Gebiet befand, und hatte von Anfang an einen um die Kirche herum angelegten Friedhof. Wie aus der „Chronik von Mais“ von Kurator Bernhard Mazegger hervorgeht, diente die Begräbnisstätte rund um die Wallfahrtskirche vor allem dem Adel von Obermais, wie den Rittern von Planta, Rudolph und seiner Frau Margaritha von Travers, Abt Edmund von Stams oder Kassian Ing. Graf von Enzenberg. An der Kirchenmauer sind noch immer Grabmäler für Wilhelm Hohenhauser, Plankenstein und Paravicini zu finden. Die heute um die Maria-Trost- Kirche sorgfältig platzierten Gedenksteine erinnern an Meraner Persönlichkeiten: Pater Kasimir Schnitzer (1773 – 1838), Verfasser der sogenannten „Annales Maisenses“; die Familie von Carl Wolf (1848 – 1912), dem bekannten Gründer der Meraner Volksschauspiele; Felix Raffeiner (1848 – 1894), Gründer der Obermaiser Musikkapelle und Freiwilligen Feuerwehr; der Tiroler Landtagsabgeordnete und Rechtsanwalt Dr. Karl Grabmayr von Angerheim (1848 – 1923); der „Priglbauer“ Anton Innerhofer; die berühmten Kurärzte Dr. Franz Tappeiner, Edler von Tappein (1816 – 1902), sowie Bernhard Mazegger (1837 – 1921), u. a. Begründer des Tiroler Grundbuches und Höferechtes.
Der akademische Maler Horazio Gaigher, (1870 – 1938); die Malerin Anni Egösi (1894 – 1954). Besonders beeindruckend ist auf der rückwärtigen Seite der Maria-Trost-Kirche die Gruft für Erzherzog Ferdinand Karl, später Ferdinand Karl Burg (1868 – 1915), einem Bruder des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand, und seiner Gemahlin Berta Burg (1879 – 1979), gemeinsame Besitzer von Schloss Rottenstein und Rosenstein in Obermais.
Während Ferdinand Karl Burg ursprünglich auf dem früheren Untermaiser Pfarrfriedhof bestattet wurde und erst drei Jahre später seine letzte Ruhestätte hier fand, ist seine Gemahlin Berta Burg eine der wenigen Personen auf den Grabsteinen, die tatsächlich auch auf dem Friedhof rund um die Maria Trost Kirche bestattet wurden.
Der „alte“ Pfarrfriedhof zu St. Vigil
Erstmals urkundlich erwähnt als „Gottesacker mit ordentlicher Verwaltung und auf pfarrliche Strukturen ausgerichtet“, wird in Meran allerdings erst der „alte“ Pfarrfriedhof rund um die St. Vigil-Kirche. So bestätigt ein Dokument vom 20. Dezember 1309, verfasst von Arnald Kardinal Diaconus aus Bologna, die im Jahr 1273 erfolgte Schenkung der Pfarrkirche des Hl. Vigilius von „Mais“ durch Bischof Egno von Trient an das Kloster Stams. In seinen Worten, übersetzt von Kurator Bernhard Mazegger, heißt es: „Egno, Bischof von Trient, schenkte in frommer und fürsorglicher Freigebigkeit Euch und Eurem Kloster das Patronalrecht der Pfarrkirche des hl. Viglius in Mais, Dözese Trient, mit der Kirche selbst, ihren Filialen und allem, was ihr gehört, und zwar mit Zustimmung seines Kapitels.“ Die Schenkung umfasste somit nicht nur den Friedhof rund um die St. Vigil-Kirche, sondern auch die Pfarrgebiete von Untermais und Obermais sowie nicht zuletzt Hafling. Mit hoher Wahrscheinlichkeit kann davon ausgegangen werden, dass auch Menschen vom Tschöggelberg einst nach Meran „heruntergetragen“ wurden, um in Untermais ihre letzte Ruhe zu finden. Außerdem scheint es naheliegend, dass der südliche Teil des alten Pfarrfriedhofes spätestens seit der Eingliederung der Pfarre in das Kloster Stams bestanden haben muss und von dort an ordentlich verwaltet wurde. Im Jahr 1892 wurde als Ergänzung zum bestehenden Friedhof auf der Südseite der Pfarrkirche von Untermais ein neuer „nördlicher“ Friedhof auf dem zum Maiser Pfarrhof gehörenden Wiesenfeld (ein Teil des sogenannten Widums-Angers) errichtet. Vor der Pfarrkirche weist ein Schild, das an einen Baum befestigt ist, auf das Gelände des historischen Gottesackers nördlich der Kirche hin. Aber auch viele Untermaiser erinnern sich noch an die Arkadengräber und Familiengrüfte des Nordfriedhofes, die sich bis ins späte 20. Jahrhundert auf dem Gebiet des heutigen Parkplatzes gegenüber dem Eingang der Kirche befanden. Nachdem der Nordfriedhof im Zuge der Errichtung der neuen Pfarrstraße in Richtung Pferderennbahn weichen musste, wurde auch der Südfriedhof 1935 aufgelassen. Die zahlreichen Denkmäler von Handelsadeligen, Angehörigen des Stifts Stams sowie des Bauern- und Bürgertums, die sich um die dortige Totenkapelle St. Johannes herum befinden, zeugen bis heute für die Geschichte des alten Pfarrfriedhofes.
Der neue Pfarrfriedhof auf dem Gruber-Acker
Mit dem zunehmenden Aufkommen des Tourismus und der Entwicklung von Meran von einer bäuerlichen Siedlung zu einem begehrten Anziehungspunkt für Adel und Bürgertum um die Jahrhundertwende und das frühe 20. Jahrhundert wuchs die Einwohnerzahl rapide an. Ein weiterer Grund, weshalb das Stift Stams Anfang des 20. Jahrhunderts auf dem sogenannten „Gruber-Acker“ einen neuen Begräbnisplatz errichten ließ. Die Einweihung des „neuen“ Untermaiser Pfarrfriedhofes erfolgte im Jahr 1908. Erwähnenswert ist vor allem seine städtische Arkadenlage mit einem beeindruckenden Blick auf die umliegende Berglandschaft des Meraner Talkessels. In den vergangenen Jahrzehnten wurde die Anlage immer wieder erweitert und ist seit wenigen Jahren sowohl von nordwestlicher als auch südöstlicher Seite aus zugänglich. Sie dient als letzte Ruhestätte für Bürger sowohl aus Untermais als auch aus Obermais.
Der neue Urnenfriedhof
Die Idee, den stillgelegten Friedhof hinter der St. Vigilius-Kirche in Untermais in einen Urnenfriedhof umzuwandeln, hatte mit Pfarrer Pater Eugen Mattersberger (1940-2014) einen besonderen Befürworter. Diese Initiative erstreckte sich über mehrere Jahre und war rechtlich äußerst herausfordernd, bezeugt der Historiker Georg Hörwarter. Pater Eugen erkannte den Wunsch der Menschen nach Feuerbestattungen und wollte dafür eine entsprechende Grabstätte schaffen. In den frühen 2000er Jahren galten Urnenbestattungen jedoch als Neuerung in der Gesetzgebung. Trotz wiederholter politischer Ablehnung verfolgte er vehement sein Anliegen und brachte es immer wieder den politischen Entscheidungsträgern vor. Die vorrangigen Hindernisse waren nicht nur die sanitären Vorschriften, sondern auch die städtebaulichen Umwidmungen. Denn die alte Friedhofsfläche war seit ihrer Auflassung in den 1930er Jahren nicht mehr als Grabstätte eingetragen worden.
Zudem mussten die letzten noch verbliebenen Grabreste auf den neuen Pfarrfriedhof verlegt werden. Die erste Urnenbestattung fand schließlich im Sommer 2005 statt. In der darauffolgenden Zeit wurde bis 2008 auch der Eingang zum Friedhof sowie die alte Friedhofsmauer erneuert bzw. restauriert.
Bischof Arbeo von Freising geboren zu Mais
Am Eingang des Urnenfriedhofs befindet sich ein Denkmal für den seligen Bischof Arbeo von Freising (723-789), der in Mais geboren wurde. Bischof Arbeo war nicht nur ein engagierter Geistlicher, sondern auch ein bedeutender Literat. Obwohl ihm früher das älteste deutsche Wörterbuch, der Codex Abrogans, zugeschrieben wurde, wird diese Zuordnung heute abgelehnt. Die Handschriften des Wörterbuchs bieten unterschiedliche Fassungen, und eine bairische Bearbeitung namens „Samanunga worto“ aus der Zeit um 800 gilt als gesichert. Bischof Arbeo ist auch der Gründer der Dombibliothek Freising und der Autor der „Vita Corbiniani“, einer Biografie über das Leben und Wirken des Heiligen Korbinian. Diese historischen Verbindungen machen den Urnenfriedhof in Untermais zu einem bemerkenswerten Ort der Erinnerung und der Geschichte.
Kein Platz für Obermaiser?
In den turbulenten 1970er Jahren kam es zu einem hitzigen Streit über die Grabstätten zwischen Obermais und Untermais. Die Untermaiser Pfarrverwaltung, wie der damalige Gemeindeabgeordnete und Historiker Georg Hörwarter in einem Gespräch berichtet, erwog ernsthaft, die letzten Grabrechte für Obermaiser auf dem Friedhof von Untermais auslaufen zu lassen. Der Konflikt war so verhärtet, dass eine Lösung in weite Ferne zu rücken schien. Schließlich gelang es dank dem unermüdlichen Einsatz von Pater Eugen und den politischen Entscheidungsträgern einen Konsens zu finden. Dieser Konsens sah vor, dass das Anrecht auf Beisetzung auf alle Angehörigen der historischen Pfarre von „Mais“ festgeschrieben wurde. Das schloss somit nicht nur Obermais, sondern auch Labers und Freiberg mit ein. Dennoch führte der Konflikt zu einer tatsächlichen Absplitterung: Einige Obermaiser Familien entschieden sich als Reaktion auf die Androhung der Untermaiser Pfarrverwaltung, freiwillig in die Stadt zu gehen, sofern sie nicht bereits ein Familiengrab in Untermais hatten.
Aus diesem Grund muss man auch heute noch bei Beerdigungen von Obermaisern genau hinsehen, ob sie in der Stadt oder in Untermais ihre letzte Ruhe finden. Die meisten Händler und alteingesessenen Familien blieben interessanterweise nach wie vor in Untermais.