Die Gemeinde Gargazon hat sich in ihrer Geschichte von einer kleinen Bauernsiedlung im Sumpfgebiet der Etsch zu einer attraktiven Wohngemeinde mit rund 1770 Einwohnern
entwickelt. Mit einer Fläche von rund 4,9 km2 ist Gargazon eine der kleinsten Gemeinden Südtirols, aber auch eine jener mit der höchsten Bevölkerungsdichte.
von Philipp Genetti
„Im verkehrsberuhigten Ortskern verbinden großzügige Grünflächen die öffentlichen Einrichtungen“, informiert eines der Hinweisschilder entlang des „Kröllturmweges“ durch Gargazon. Für den großen Kinderspielplatz in der Nähe der Dorfmitte erhielt Gargazon sogar die Auszeichnung „Kinderfreundliche Gemeinde“. Über die Gemeindegrenzen hinaus besonders beliebt sind das Gargazoner „Naturbad“ und die „Orchideenwelt“ sowie das Hotel „theiner‘s garten“, Italiens erstes Biohotel mit Demetersiegel. Die Anfänge der alten Siedlung am Fuße des Tschögglberges reichen bis in die Eisenzeit zurück. Vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert entwickelte sich hier ein kleines Dorf, das hauptsächlich von der Landwirtschaft lebte. Die älteste schriftliche Erwähnung aus der Dorfchronik stammt aus dem Jahr 1027 und enthält den Namen „Garganzano fluvio“. Dieser Name könnte auf den lateinischen Namen „Gargantius“, oder „Carcontius“ zurückgehen, obwohl es schwierig ist, diese Personennamen mit Sicherheit nachzuweisen. Eine alternative Erklärung des Ortsnamens kann auf das lateinische Wort „gargarizare“ zurückgeführt werden, das „gurgeln“ bedeutet. Da das älteste schriftliche Zeugnis sich auf einen Fluss, auf lateinisch „fluvius“, bezieht, wäre die Annahme eines gurgelnden Baches plausibel.
Die alte Pfarrkirche
Die alte Pfarrkirche am Dorfplatz ist dem heiligen Johannes dem Täufer geweiht und wurde im Jahr 1337 erstmals urkundlich erwähnt. Wie es Christoph Gufler in seinem Dorfbuch „Das Dorf an der Etsch. Gargazon“ schreibt, wurde die Pfarre jedoch lange Zeit mehr schlecht als recht von der Pfarre Lana betreut und erhielt erst ab 1642 einen eigenen Kuraten, der neben Gargazon auch die Nachbarpfarre Burgstall mitversorgte. Die St.-Johannes-Kirche besteht aus einem gotischen Chor mit einem Spitzbogenfenster mit einem barocken Tonnengewölbe und einem Turm mit spitzer Pyramide. Das Fresko an der Fassade stellt das Wirken des Heiligen Christophorus dar und wurde im 14. Jahrhundert in äußerster Feinarbeit fertiggestellt. Der Altar hingegen stammt aus dem 18. Jahrhundert. Um die ehemalige Pfarrkirche herum liegt der alte Friedhof. Er dient noch heute einigen Familien von Gargazon als Grabstätte.
Die neue Pfarrkirche zum Heiligsten Herzen Jesu
Zwischen dem Ende des 19. Jahrhunderts und den 1920er Jahren entstand in unmittelbar Nähe der alten Pfarrkirche und des historischen Dorfkerns mit dem neoromanischen Bau der Pfarrkirche zum Heiligsten Herzen Jesu ein neues Gotteshaus. Mit Baubeginn in den Jahren 1899 bis 1902 und Fertigstellung in den Jahren 1926 bis 1928 sowie der Vollendung des Kirchturms im Jahre 1930 entstand mit der neuen Pfarrkirche ein imposantes Bauwerk aus heimischem Porphyr. Die neue Pfarrkirche zum Heiligsten Herzen Jesu besteht aus einem polygonalen Chor, einem Rundbogenfenster, einem Strebepfeiler und einer floralen Rosette sowie einem eindrucksvollen Mosaikbild an der Westfassade. Der Hochaltar, das Altarbild, die Kanzel und die Holzskulpturen stammen aus der Erbauungszeit. Die beiden Marmorstatuen der Apostel Petrus und Paulus wurden laut Pfarrchronik 1939 aus Laaser Marmor gefertigt. Die Orgel der neuen Pfarrkirche stammt aus dem Jahr 1892 und wurde aus der alten Pfarrkirche übernommen und 2005 erneuert.
Der Kröllturm
Hoch über Gargazon, in unmittelbarer Nähe der Aschler Wasserfälle, thront das Wahrzeichen der Gemeinde, der so genannte „Kröllturm“. Er ist der Rest einer mittelalterlichen Burg, die um 1265 vom Ritter Bertold Chrello erbaut wurde. Bertold zählte von 1237 bis 1275 zu den wichtigsten Vasallen der Tiroler Grafen Albert und auch Meinhard des II. und gilt als der bedeutendste Vertreter der Herren von Trautson, deren Wappen, ein Hufeisen, seit jeher auch den Hocheingang des Turmes ziert.
Die Burganlage
Wie aus dem Dorfbuch von Gargazon hervorgeht, ist davon auszugehen, dass sich der Burgweg an der Südseite des Turmes befand und von Gargazon heraufführte. In Richtung der Aschler Schlucht vermutet man die Anlage von Stallungen. Der Kröllturm besaß vermutlich keine Wohnräume, sondern diente ausschließlich als Wehrturm. Daraus folgt, dass sich im geschützten Schatten des Bergfrieds talseitig ein Wohngebäude befunden haben muss. Entlang der weniger geschützten Südseite könnte eine Ringmauer verlaufen sein. Immerhin, so Gufler, ließen sich im Gestrüpp Reste einer langgestreckten Mauer vermuten. Archäologische Funde um den Kröllturm gibt es allerdings nicht. 1984 wurde der Kröllturm im Auftrag der Gemeinde Gargazon saniert und die teilweise eingefallene Südseite geschlossen. Heute führt der Kröllturmweg vom Dorfkern in einer knappen halben Stunde zum Kröllturm und informiert an 10 Stationen über die Dorfgeschichte von Gargazon und seinen berüchtigten und bekannten Wehrturm.
Der Aschler Wasserfall
Mit den Wasserfällen des Aschler Baches befindet sich eines der bedeutendsten Naturdenkmäler Südtirols in Gargazon. Der Aschler Bach entspringt in der Vöraner Fraktion Aschl auf einer Höhe von 1920 Metern. Von dort aus fließt er über 12 Kilometer talwärts, durchschneidet die imposanten Felswände der Porphyrschlucht und bildet dabei beeindruckende 10 Kaskaden. Die größte dieser Kaskaden hat eine Fallhöhe von 40 Metern und stürzt aus einer Höhe von 432 Metern über seiner Klamm, senkrecht hinab in ein tiefes Fallbecken, das sich auf einer Höhe von 392 Metern befindet. Als eine von 10 Stationen des Kröllturmweges ist der Aussichtspunkt am imposanten Aschler Wasserfall auch ein beliebtes Ausflugsziel für Hobbyfotografen.
Die Drahtseilbahn „Tisens-Gargazon“
So verrückt das Projekt einer Drahtseilbahn von Gargazon nach Tisens heute klingt, so ernsthaft waren die Pläne um 1909. Man habe bereits „mit dem Bau der provisorischen Schwebebahn Gargazon-Tiesens begonnen“, schrieb der Burggräfler dazu am 22. Dezember 1909. Sie solle, wenn die Witterung den Fortgang der Arbeiten nicht behindere, binnen 8 Tagen fertiggestellt werden und zur Beförderung von Material usw. dienen. Am 2. Juni 1910 fand eine entsprechende Versammlung zum Bau der Schwebebahn statt, zu der die „Bozner Nachrichten“ berichteten, dass die „tragende Versammlung der Interessenten von Tisens und Umbegung den Vorschlag zum Bau einer Schwebebahn von Tisens zum Bahnhof Gargazon der Bozen-Meran-Bahn begrüßt“. Das Ende dieses kühnen Projektes kam jedoch bereits ein Jahr später mit der Notiz des Burggräflers vom 6. Mai 1911, in der der Generalanzeiger die Eröffnung des Konkursverfahrens über den Besitzer der Schwebebahn Gargazon-Tisens, Johann Pallweber, bekannt gibt. Bis heute noch hat die Gemeinde Gargazon ihre Anziehungskraft bewahrt und sich in den letzten Jahrzehnten, nicht zuletzt dank der Anbindung an die Bahnlinie Bozen-Meran und die Schnellstraße MeBo, zu einem attraktiven Wohnort entwickelt.