Das Südtiroler Bildungszentrum kann auf eine 50-jährige Tätigkeit zurückblicken. Es wurde am 9. Oktober 1971 mit dem Ziel gegründet, Bildungsvorhaben in Südtirol durch ideelle und materielle Hilfe zu fördern und bestehende Lücken durch eigene Veranstaltungen zu schließen. Anlässlich des 50-jährigen Bestehens wollten wir wissen, was bisher erreicht wurde und welche Themenschwerpunkte in den nächsten Jahre gesetzt werden sollen.
Ein Interview mit dem Vorstandspräsidenten Dr. Bernd Karner.
Herr Karner, wie hat sich das Südtiroler Bildungszentrum (SBZ), seit seiner Gründung vor über 50 Jahren entwickelt?
Die Genossenschaft SBZ hat seit seiner Gründung Konzepte entwickelt und Projekte umgesetzt, eine davon zunächst auch geleitet und schließlich in die Selbständigkeit entlassen. Die Beispiele sind bekannt: Universität, Eurac, die Fachhochschule für Gesundheitsberufe „Claudiana“, das Museion für moderne und zeitgenössische Kunst usw. Durch diese von der jeweiligen Landesregierung erteilten Aufträge wurde dem SBZ das Schicksal zuteil, sich selbst überflüssig zu machen, indem es half, mit Millionenbeiträgen geförderte Konkurrenz aus der Taufe zu heben. In der Folge hieß es immer wieder: Ziel erreicht, der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen! Allein, die Gesellschaft entwickelt sich weiter im Guten wie im Schlechten und es gibt immer wieder Brachland, unbeackerte Felder, neue Herausforderungen. Oft gibt es dann kleine Genossenschaft mit viel ehrenamtlichem Engagement, frei, mutig und wendig genug, um Neuland zu betreten.In manchen Bereichen sind Aufgaben, die abgetreten wurden, wieder an uns zurückgekommen, z. B.. bei der Pflege der Rechtsterminologie oder der Rechtsvergleichung.
Welche Angebote und Kurse bietet das SBZ an?
Es ist heute nicht mehr so wie Anfang der 70er bis Ende der 80er Jahre. Es ist nicht mehr so, dass ein Landeshauptmann oder eine Landesrätin kommt und sagt: „Wir müssten dies oder jenes auf die Beine stellen und wissen nicht, wie wir das machen sollen. Sucht bitte entsprechende kompetente Leute und schaut, was ihr da machen könnt.“ So ähnlich war das damals, als die Blaue Reihe im Rechtsbereich entstand. Übersetzungen der italienischen Gesetze und andere Rechtsakte waren für die Herausbildung einer deutschsprachigen Rechtskultur von großer Bedeutung. Dazu hat das SBZ seit den 80er Jahren einen wichtigen Beitrag geleistet. Heute nimmt das SBZ mit seinen Angeboten teil am öffentlichen Südtiroler Bildungsmarkt. Die Palette reicht von den beruflichen Fortbildungen im Gesundheits- und Sozialbereich, in der Garten- und Weidewirtschaft bis hin zu den Meisterkursen des Eppaner Liedsommers, von Veranstaltungen zur zeitgenössischen Musik bis hin zu den Fortbildungskursen für Mykologen. Das ist ein weites Feld und deshalb sprechen wir in unserem Leitbild von 2016 von einem Netzwerk mit 3 verschiedenen Bildungsknotenpunkten.
Demokratieentwicklung, Beteiligung, Recht und Politik.
Beziehungskompetenz zur Stärkung der sozialen Kompetenz Kreativwirtschaft .
Dazu kam in den letzten Jahren ein weiterer 4. Bereich, der sich mit dem dringend notwendigen ökologischen Umbau unserer Gesellschaft beschäftigt und weitere organisatorische und administrative Arbeiten für neu gegründete Vereine und Initiativen, die in diesem Umfeld Pionierarbeit leisten.
Wie sieht die weitere Entwicklung des Südtiroler Bildungszentrums aus? Gibt es konkrete Projekte oder Programme für die nahe Zukunft?
Wir führen derzeit Dialogrunden zu der Frage, wie es gelingen kann, das SBZ für junge, gesellschaftlich engagierte Menschen, aber auch für junge Wissenschaftler attraktiv zu machen. Denn nur durch die aktive Beteiligung auch junger Menschen können wir weitere junge Menschen gewinnen. Die Fragen lauten: Was kann Vergangenheitsbewältigung gegen Zukunftsängste ausrichten?
Was gegen den um sich greifenden Pessimismus, der angesichts der Pandemie und der aktuellen barbarischen Kriegsereignisse verständlicherweise in lähmenden Fatalismus umzuschlagen droht? Und das alles noch verstärkt durch einen galoppierenden Klimawandel, dem wir nicht entschieden genug Einhalt gebieten. Was kann, angesichts dieser Szenarien, ein produktives Zusammenspiel der Generationen leisten? Was gegen die Verweigerungsideologie der Antinatalisten: Keine Kinder mehr für diese Welt? Die Geiger auf der Titanic waren zwar bemerkenswert und auf ihre Weise heroisch – ihre Haltung kann vielleicht kurzfristig Panik verhindern, aber sie ist keine Aktivierung zum Handeln. In diesem Sinne bieten wir jungen Wissenschaftlern die Möglichkeit, ihr Wissen weiterzugeben. So war es schließlich unser Mitglied, der Vinschger Archäologe Mag. Dr. Thomas Koch Waldner vom Deutschen Bergbaumuseum Bochum und der Universität Wien, der dazu im SBZ einen bemerkenswerten Vortrag zu diesem Thema hielt. Der Blick in die Vergangenheit ermöglicht es, vergangene Muster und Dynamiken zu aktuellen Themen, wie Klimawandel, Ressourcenmanagement, Migration oder Pandemien zu rekonstruieren. Unsere Aufgabe ist es aber nicht nur, die Vergangenheit zu rekonstruieren, sondern diese Informationen auch zu kommunizieren, um Impulse in der Gegenwart und für die Zukunft zu geben. Auf diese Weise kann sich die Archäologie beispielweise auch konstruktiv an der Diskussion zur Lösung akuter Probleme beteiligen. Probleme, die durch den Umgang des Menschen mit seinem Naturraum entstehen. Diese Gesprächsrunden des Südtiroler Bildungszentrums sollen in verschiedenen Wissensbereichen eine Basis schaffen, um in der Folge Konzepte zu erarbeiten, in denen komplexe wissenschaftliche Ergebnisse aufbereitet werden, um sie einem breiten Publikum zugänglich zu machen.
Welche Bedeutung hat lebenslanges Lernen und wie wird dies im Südtiroler Bildungszentrum gefördert?
Junge Menschen haben oft sensiblere Antennen für das, was kommt. Sie sind oft unbekümmert und auch für konkrete Utopien empfänglich. Erwachsene, die mit beiden Beinen im Berufsleben stehen und Verantwortung für Kinder und deren Entwicklung tragen, bringen den unverzichbaren pragmatischen Blick auf das Machbare ein. Ältere Frauen und Männer können, wenn sie eine gewisse Reife erreicht haben, jenseits von Interessensgruppen den Blick für die wesentlichen menschlichen Bedürfnisse schärfen. Lernprozesse sind nie abgeschlossen und verändern sich in den verschiedenen Lebensphasen unseres Daseins. Deshalb ist der generationsübergreifende Dialog, den wir immer wieder anstoßen, so ernst zu nehmen.
Welche Vorteile würden universitäre Strukturen für Meran mit sich bringen und welche Studiengänge würden Sie sich für Meran wünschen?
Universitäre Strukturen sind ein Gewinn für jede Stadt, für jede Region. Es ist sehr schade, dass Meran – und damit auch der Vinschgau – bei der Verteilung der Universitätssitze bzw. der Außenstellen bisher nicht Berücksichtigt wurde. Es bleibt aber zu hoffen, dass sich dies in Zukunft ändert. Die Tatsache, dass dieser Landesteil möglicherweise erst in zeitlicher Verzögerung zum Zug kommt, kann auch von Vorteil sein. Man könnte an ganz innovative Konzepte denken. Wie eingangs erwähnt, war das Südtiroler Bildungszentrum schon in der Vergangenheit ein Vorbild für akademische und universitäre Strukturen und es wurden im SBZ dazu schon verschiedene Überlegungen angestellt. Bei Bedarf und Interesse können wir gerne einen Einblick in die diesbezüglichen Konzepte geben.
Markus Auerbach