Je näher die Europawahlen rücken, desto uneiniger zeigt sich die Regierungsmehrheit. Die jüngste Auseinandersetzung betrifft die dritte Amtszeit von RegionenpräsidentInnen und BürgermeisterInnen von Gemeinden mit mehr als 15.000 EinwohnerInnen, die zur Zeit für maximal zwei Amtszeiten gewählt werden können. Die Lega versucht diese Regel abzuschaffen, um vor allem Luca Zaia, dem Präsidenten von Venetien, eine erneute Kandidatur zu ermöglichen. Die Fratelli d‘Italia hingegen waren bis vor zwei Jahren die kleinste der Koalitionsparteien und stellten daher nur sehr wenige BürgermeisterInnen und RegionenpräsidentInnen. Sie sehen in der Mandatsbeschränkung eine Chance zum Aufholen.
Zu einem weiteren Streit kam es anlässlich der Bauernproteste, welchen sich Matteo Salvini gegen seine eigene Regierung anschloss. Kurz darauf distanzierte sich die Lega von den Fratelli d‘Italia in Bezug auf den Krieg im Nahen Osten. Besonders verärgert war sie über die Vereinbarung zwischen Giorgia Meloni und PD-Sekretärin Elly Schlein, einen Waffenstillstand im Konflikt zwischen Israel und der Hamas zu fordern. Crippa, der Vize Obmann der Lega äußerte sich verärgert: „Das sind keine Methoden; wir in der Lega sind es gewohnt Mehrheitspositionen mit unseren Verbündeten zu diskutieren, nicht am Telefon mit dem PD“.
Auch in Bezug auf den Krieg in der Ukraine macht die Lega keinen Hehl aus ihrer Unzufriedenheit mit Melonis Ansatz der vollständigen und bedingungslosen Unterstützung für Selenski. In ihren Positionen schwingt immer noch eine Nähe zum russischen Machthaber mit. Nach dem Tod von Alexander Nawalny, dem Hauptgegner des Putin-Regimes, erklärten die Lega-Mitglieder, dass die Hintergründe seines Todes erst von den Gerichten ermittelt werden müssten. Alle anderen politischen Kräfte sprachen klar von einem politischen Mord durch den Moskauer Autokraten. All diese Spannungen lassen sich mit Blick auf die Europawahlen erklären. Salvini befürchtet weit hinter Meloni zurückzufallen. Diese hat ihre mögliche Kandidatur in allen Wahlkreisen angekündigt und will als unangefochtene Spitzenkandidatin des Mitte-Rechts-Bündnisses aus den Wahlen hervorgehen. Salvini versucht also, ein Überholmanöver von rechts. Die Umfragen zeigen jedoch, dass seine Strategie nicht aufgeht. Die Lega liegt bei 8 % und riskiert sogar von Forza Italia überholt zu werden.
Viele alte Lega-Mitglieder kritisieren ihren Obmann offen: „Wir sind eine Partei der extremen Rechten geworden, deren Hauptanliegen die Brücke über die Meerenge von Messina ist. Stattdessen hätten wir nach dem Tod von Berlusconi den Platz von Forza Italia einnehmen sollen, um wieder zum Bezugspunkt des produktiven Nordens zu werden“.
Nach den Europa Wahlen im Juni könnte es also spannend werden.