Er gehört zu den ältesten Handwerksberufen der Menschheitsgeschichte, erfordert Geschicklichkeit und Können. Die Rede ist vom Beruf des Steinmetzes.
von Michael Andres
Bereits in der Antike war die Kunst des Steinschlagens von großer Bedeutung. Die Pyramiden in Ägypten, griechische Tempel oder die Kolosse in Rom sind eindrucksvolle Zeugnisse der Fähigkeiten früherer Steinmetze. Im Mittelalter erlebte das Handwerk eine Hochphase, als gotische Kathedralen wie der Kölner Dom und das Straßburger Münster errichtet wurden. Die Arbeit der Steinmetze prägte das Bild europäischer Städte und diente dem Ausdruck von Macht, Glauben und Kunstfertigkeit.
Auch in Südtirol. Kein Wunder, schließlich ist die Region reich an hochwertigem Naturstein, insbesondere an Marmor, Porphyr und Granit. Diese Materialien, die direkt aus den Bergen Südtirols gewonnen werden, haben die Arbeit der Steinmetze geprägt und ihnen eine besondere Stellung verliehen. Der Laaser Marmor, ein schneeweißer, feinkörniger Marmor, der aus dem Vinschgau stammt, ist weltweit bekannt und wurde sogar bei einem ganz besonderen Bau in New York verwendet. Zur Erinnerung: In den Jahren 2012 bis 2016 realisierte die Lasa Marmo für den neuen U-Bahnhof am Ground Zero, dem World Trade Center Transportation Hub, die Produktion und Anfertigung von Boden- und Wandplatten, Hohlkehlsockel, massiven Treppenstufen, Wandabdeckungen und andere Sonderformteilen aus Laaser Marmor der Sorte Lasa Bianco Nuvolato.
Lange Tradition
Das Steinmetzhandwerk in Südtirol hat eine lange Tradition, vermutlich bereits in der Römerzeit wurden die Steinbrüche in der Region genutzt, um Baumaterialien für bedeutende Bauwerke zu gewinnen. Im Mittelalter erlebte das Handwerk eine Blütezeit, als es darum ging, Kirchen, Burgen und Stadtmauern zu errichten. Die kunstvolle Gestaltung von Fassaden, Fenstern und Portalen sowie die Errichtung von Kapellen und Brunnen zeugen von der hohen Kunstfertigkeit der Steinmetze.
Das Berufsbild des Steinmetzes ist bis heute von handwerklicher Präzision und künstlerischem Können geprägt. Viele der heute aktiven Steinmetzbetriebe sind Familienunternehmen, die über Generationen hinweg ihr Wissen und ihre Techniken weitergegeben haben. Diese Kontinuität sorgt dafür, dass alte Techniken bewahrt bleiben, während gleichzeitig moderne Methoden und Werkzeuge Einzug in das Handwerk gefunden haben. Neben traditionellen Techniken wie dem Behauen und Schleifen von Steinen hat sich das Berufsbild des Steinmetzes im Laufe der Zeit weiterentwickelt. Moderne Technologien, wie der Einsatz von CNC-Fräsen und Lasern, ergänzen heute das klassische Handwerk und ermöglichen präzisere und effizientere Arbeitsabläufe. Dennoch bleibt das ursprüngliche Handwerk die Grundlage der Steinmetzkunst.
Restaurierung historischer Bauten
Ein zentraler Aspekt der Arbeit der Steinmetze in Südtirol ist die Restaurierung historischer Bauten. Die Erhaltung des kulturellen Erbes ist von großer Bedeutung, und Steinmetze sind oft an der Instandsetzung von Kirchen, Burgen und Denkmälern beteiligt. Ihre Arbeit stellt sicher, dass diese Zeugnisse der Geschichte auch für kommende Generationen erhalten bleiben. Dabei kommt es nicht nur auf technisches Können an, sondern auch auf ein tiefes Verständnis für die Architektur und die historischen Materialien.
Neben der Restaurierung ist die Neugestaltung von Grabsteinen und Skulpturen ein wichtiger Bereich des Handwerks. In Südtirol spielt die Gestaltung von Friedhöfen und Grabmälern eine bedeutende Rolle. Steinmetze schaffen individuelle, oft sehr persönliche Kunstwerke, die die Erinnerung an Verstorbene bewahren sollen. Diese Arbeiten erfordern nicht nur handwerkliches Geschick, sondern auch eine enge Abstimmung mit den Wünschen der Hinterbliebenen.
Eine Berufsfachschule für Steinbearbeitung findet man im Vinschger Marmordorf Laas. Nicht nur in Südtirol, sondern auch außerhalb der Landesgrenzen, konnte sich die Schule einen guten Ruf erarbeiten, so findet man immer wieder Schüler aus Deutschland und weiteren Staaten in Laas. Die Fachschule wurde 1982 eröffnet.