Vom Südwesthang des Marlinger Berges oberhalb des Waalwegs blickt das Kirchlein St. Felix in der Nörder ins Etschtal. Um zur Wallfahrtskirche zu kommen, die über einem alten Brunnenheiligtum errichtet wurde, folgt man dem gleichnamigen Weg.
Wenn es immer so einfach wäre. Bei Beschwerden jeder Art besucht man eine Kirche, betet und das Leiden wird gelindert, wenn nicht sogar geheilt. In der modernen Schulmedizin sind solche Praktiken freilich verpönt. Doch seit einigen Jahrzehnten wird der Einfluss des Betens auf den Heilungsprozess auch naturwissenschaftlich untersucht. Kritiker merken zwar an, dass fast alle Studien in den USA durchgeführt werden, einem Land, in dem es immer wieder Versuche gibt, die Schöpfungsgeschichte an die Stelle der Evolutionstheorie zu setzen. Trotzdem ist ein solcher Ansatz, wenn er nach strengen wissenschaftlichen Kriterien durchgeführt wird, durchaus faszinierend. Eine vielbeachtete Studie des Kardiologen Herbert Benson führte allerdings zum – unerwarteten – Ergebnis, dass Operationen signifikant öfter zu Komplikationen führten, wenn die Patienten wussten, dass für sie gebetet wurde. Man mutmaßte, dass die Personen dadurch unbewusst unter Druck gerieten, gesund zu werden, und sich dies negativ auf den Körper auswirkte. Dass aber das eigene Beten als eine Form des positiven Denkens und Vertrauens einen vorteilhaften Einfluss haben kann, hängt wesentlich damit zusammen, dass dadurch Immun-, Hormon- und Kreislaufsystem aktiviert und eine der Gesundheit zuträgliche, entspannte Haltung gefördert werden.
Heilung in Marling
Von solchen Studien und Erklärungsversuchen wussten die Menschen im Mittelalter nichts, wenn sie auf der Suche nach Heilung zum Felixkirchlein oberhalb von Marling pilgerten. Die Kirche wurde im September 1251 erstmals urkundlich erwähnt, als Bischof Egno von Trient das Gotteshaus zu Ehren des Hl. Felix von Nola weihte. Dieser wurde in der Nähe von Neapel geboren, wo sich sein aus Syrien stammender Vater Hermias, der in der römischen Armee diente, niedergelassen hatte. Felix entschied sich, zum Christentum überzutreten und seinen ganzen Besitz unter den Armen zu verteilen. Während der Christenverfolgungen unter Kaiser Decius im 3. Jahrhundert wurde der mittlerweile zum Priester Geweihte verhaftet und gefoltert. Nachdem ihm ein Engel erschienen war, gelang ihm zwar die Flucht, aber zu seiner Gemeinde konnte er nicht zurückkehren, noch zu gefährlich war die Lage. Eine erneute Verfolgung zwang ihn dann, sich in einer Höhle zu verstecken, die ihn durch ein dichtes Spinnennetz vor der Entdeckung schützte. Auf seiner weiteren Flucht verbrachte er schließlich mehrere Monate in einer Zisterne. Und dieses Detail seiner Legende passt wiederum gut zum Marlinger Kirchlein. Im Inneren des Gebäudes befindet sich eine Vertiefung im Boden, die sich fortwährend mit Wasser füllt. Die mittelalterlichen Wallfahrer haben sich mit diesem besprengt, um von ihren Kopf-, Augen- und anderen Schmerzen erlöst zu werden. Kirchenhistoriker vermuten, dass es sich hier um ein in die Vorzeit zurückreichendes Quellheiligtum handelt. Im Zuge der Christianisierung wurde es durch eine Kirche überbaut, wobei sich der Hl. Felix als Schutzpatron besonders gut eignete. Ob dieser nun als Bischof den Märtyrertod starb oder nicht, darüber gehen die Überlieferungen auseinander.
Besondere Bräuche
Dass rechts und links vom Altar Statuen der Hl. Ärzte Kosmas und Damian aufgestellt wurden, könnte ein Hinweis sein, dass die Heilkraft der Quelle unterstrichen werden sollte. Die Pilger jedenfalls nahmen das Angebot dankend an, auch wenn dadurch einige heute seltsam erscheinende Bräuche entstanden sind. So sollen Wallfahrer mit hölzernen Köpfen oder anderen Körperteilen betend um den Altar gewandert sein, um für ihre Genesung zu beten und zum Dank Haarlocken oder ganze Zöpfe aufgehängt haben. Ob dies heute noch funktionieren würde, könnte man mit einer naturwissenschaftlichen Studie untersuchen. Christian Zelger