In Zeiten globaler Krisen, Energieknappheit und einer zunehmend instabilen politischen Weltlage erfährt die Idee eines autarken Lebens immer mehr Zuspruch. Der Wunsch, unabhängig von externen Faktoren wie Energie, Wasser oder Nahrungsmitteln zu leben, wird für viele Menschen zu einer verlockenden Perspektive. Doch ist das tatsächlich machbar oder bleibt es eine Illusion?
von Josef Prantl
Vor rund 15 Jahren trafen Klaus Vorhauser und Alexandra Teutsch eine Entscheidung, die ihr Leben grundlegend verändern sollte. Zwischen den weitläufigen Obstwiesen von Nals und Terlan, abseits jeglicher Infrastruktur, bauten sie ihre eigene autarke Hofstelle auf. Was zunächst als pragmatische Notlösung erschien, entwickelte sich zu einem ehrgeizigen Projekt: ein Leben in größtmöglicher Unabhängigkeit von externen Energiequellen, Wasser- und Abwassersystemen. „Der Anschluss an das Stromnetz allein hätte uns 100.000 Euro gekostet“, erzählt Klaus und schüttelt den Kopf, als er sich an die damaligen Planungen erinnert. Auch die Anbindung an die Wasserversorgung und die Abwasserkanalisation wäre finanziell untragbar gewesen. Für das Ehepaar, beide Naturwissenschaftler, war das jedoch nicht nur ein Hindernis, sondern auch ein willkommener Anreiz, einen anderen Weg zu gehen. Ihre Vision: ein Haus, das seinen eigenen Strom produziert, unabhängig von Wasserleitungen ist und in der Lage, sich selbst zu versorgen. Die Autarkie wurde so zum zentralen Lebenskonzept.
Der Weg zur Energieunabhängigkeit
Heute versorgt sich das Einfamilienhaus über eine leistungsstarke Photovoltaikanlage mit Strom, während eine Solaranlage das Wasser für den täglichen Gebrauch erwärmt. Doch der Weg dorthin war alles andere als einfach. „Als wir vor rund 15 Jahren mit der Planung begannen, war die Batterietechnologie noch nicht so ausgereift wie heute“, erklärt Klaus. Es war eine echte Herausforderung, eine stabile Energieversorgung sicherzustellen. Trotz dieser Schwierigkeiten gelang es ihnen, 24 Batteriezellen zu organisieren, die heute in der Lage sind, den Hof für ein bis zwei Tage mit Strom zu versorgen. „Wenn die Sonne nicht scheint, wird es nach diesen zwei Tagen aber eng,“ sagt Alexandra. „Dann müssen wir auf ein Notstromaggregat zurückgreifen, das mit Benzin läuft.“ Diese Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen möchten sie so bald wie möglich eliminieren. Beide setzen daher auf die Zukunft der Wasserstofftechnologie. „Sobald es technisch möglich ist, werden wir Wasserstoff erzeugen, um damit im Winter den notwendigen Strom zu generieren“, erklärt Klaus, während er über die Herausforderungen spricht, die besonders die kalten Monate mit sich bringen. Im Winter spielt nicht nur der Strom eine Rolle, sondern auch die Wärme. Während die Photovoltaik- und Solaranlage in den sonnigen Monaten zuverlässig arbeitet, wird es im Winter, wenn die Tage kürzer sind, schwierig. „Dann reicht die Energie oft nur für zwei Tage“, gibt Klaus zu. Für die Wärmeversorgung sorgt eine klassische Stückholzheizung. Das dafür benötigte Holz stammt aus dem Wald und von den Wiesen, die zum Hof gehören. Auch hier sind Alexandra und Klaus stolz darauf, weitestgehend autark zu sein, denn der gesamte Kreislauf bleibt in ihrem Besitz. „Wir können unser eigenes Holz schlagen und sind so auch im Winter abgesichert.“
Unabhängigkeit beim Wasser
Neben der Energieversorgung war auch das Wasser ein zentraler Aspekt in ihrem Plan für ein autarkes Leben. Mit einem 28 Meter tiefen Brunnen, der auf ihrem Grundstück vorhanden war, konnten sie die Wasserversorgung sicherstellen. „Das war eine der wichtigsten Entscheidungen“, erklärt Alexandra. „Wir sind auf kein externes Wassernetz angewiesen und können unser eigenes Trinkwasser nutzen.“ Eine eigens installierte Aufbereitungsanlage sorgt dafür, dass das Wasser bakterienfrei und von hoher Qualität ist. Doch die Wasserversorgung ist nur die eine Seite der Medaille – auch das Abwasser muss bewältigt werden. Hier entschieden sie sich für eine einfache, aber effiziente Lösung: Eine Sickergrube nimmt das Abwasser auf, das dann alle zwei Jahre von einem Fachbetrieb geleert wird. Alexandra bedauert jedoch, dass sie keine Pflanzenkläranlage installieren konnten, eine umweltfreundliche Alternative, die das Abwasser durch Pflanzenwurzeln filtert. „Leider war das technisch für uns nicht realisierbar“, erklärt sie.
Eine Vision der Zukunft: Wasserstoff
„Die Zukunft gehört dem Wasserstoff“, ist Klaus überzeugt. „Wir stehen kurz davor, dass die Technologie so weit ist, dass wir hier unseren eigenen Wasserstoff produzieren können.“ Ihr Plan ist es, den Wasserstoff für die Stromerzeugung in den Wintermonaten zu nutzen, wenn die Solarenergie nicht mehr ausreicht. Wasserstoff könnte das letzte Puzzlestück in ihrem Streben nach Unabhängigkeit sein. Doch auch jetzt schon sind sie stolz auf das, was sie erreicht haben. Die Fußbodenheizung in ihrem Haus benötigt nur eine niedrige Temperatur, die dank der guten Isolierung optimal genutzt werden kann. „Wir haben viel Wert darauf gelegt, dass das Haus so wenig Energie wie möglich verbraucht“, erklärt Klaus. Die Kombination aus moderner Technologie und traditionellem Handwerk zeigt, dass nachhaltiges Bauen nicht nur eine Frage des Geldes, sondern auch des Wissens und der Planung ist.
Selbstversorgung mit alten Rassen
Neben Energie und Wasser spielt auch die Lebensmittelversorgung eine zentrale Rolle in ihrem autarken Lebensstil. Auf ihrem Hof hält Alexandra seltene, alte Hühnerrassen sowie Gänse und Truthennen. Sogar ein Pfau streift über das Gelände. „Alte Rassen sind robuster und besser an die hiesigen Bedingungen angepasst“, erklärt sie. Im Garten wächst eine große Vielfalt an Gemüse und Salaten, die sie selbst anbauen. Doch Alexandra gibt zu: „Eine der größten Herausforderungen ist die Haltbarkeit von Lebensmitteln.“ Ohne Kühltechnik und Konservierungsstoffe ist es schwierig, Ernten langfristig zu lagern. Ein großer Vorratskeller und eine große Kühltruhe sowie traditionelle Methoden wie das Einkochen und Einlegen helfen dabei, die Lebensmittel für den Winter haltbar zu machen. Für die medizinische Versorgung setzt die Biologin viel auf die Kraft der Natur. „Ich habe im Laufe der Jahre ein umfassendes Wissen über Heilkräuter gesammelt“, sagt sie. Der eigene Kräutergarten versorgt die Familie mit allem, was sie für die kleinen Wehwehchen des Alltags benötigt.
Autark leben – Eine Illusion?
Trotz all ihrer Errungenschaften und der vielen technischen Lösungen, wissen Klaus und Alexandra, dass das autarke Leben auch seine Grenzen hat. „Völlig autark zu leben, ist wahrscheinlich eine Illusion“, gibt Klaus zu. „Es gibt immer wieder Situationen, in denen man auf externe Hilfe angewiesen ist.“ Alexandra stimmt ihm zu: „Vor allem im Winter wird es schwierig, ohne externe Energiequellen auszukommen.“ Sohn Leo, der die Montessori-Schule in Tscherms besucht, sieht die Sache jedoch optimistischer. „Theoretisch könnte man autark leben, aber man müsste dann noch viel stärker auf Selbstversorgung setzen“, sagt er. Für ihn bedeutet das, dass der Hof noch intensiver genutzt werden müsste – zum Beispiel durch den Anbau weiterer Nahrungsmittel auf der Apfelwiese.
Trotz der Herausforderungen blicken Klaus und Alexandra optimistisch in die Zukunft. „Wir freuen uns über jeden Sonnenstrahl, den wir nutzen können“, sagt Alexandra lächelnd. Vollständig autark zu leben, ist in der modernen Welt aber unrealistisch, das weiß auch sie. Selbstversorgung erfordert ein gewisses Maß an Wissen. Von der richtigen Pflege der Pflanzen bis hin zur Tierhaltung gibt es viele Aspekte, die beachtet werden müssen. Die vollständige Autarkie ist also in der heutigen Zeit schwer umsetzbar. Ein hybrider Ansatz bietet sich aber an.