15 Jahre war Ulrich Gamper Bürgermeister von Algund, seit 20 Jahren ist er in der Gemeindepolitik. Eine weitere Amtszeit ist wegen der Mandatsbeschränkung nicht mehr möglich. Algund hatte 2021 knapp mehr als 5000 Einwohner, heute wären es wieder weniger. Über Erfolge, Herausforderungen und die Zukunft von Algund – ein Gespräch mit dem scheidenden Bürgermeister.
von Josef Prantl
Über Erfolge, Herausforderungen und die Zukunft von Algund – ein Gespräch mit dem scheidenden Bürgermeister.
Herr Gamper, nach 15 Jahren als Bürgermeister von Algund endet Ihre Amtszeit. Sind Sie darüber enttäuscht?
Nein, das bin ich nicht. Die Mandatsbeschränkung sah von Anfang an maximal drei Legislaturperioden vor, und ursprünglich war es nie mein Plan, länger als 15 Jahre dieses Amt zu bekleiden. Es war eine wertvolle Lebenserfahrung, die ich nicht missen möchte. Seit 20 Jahren bin ich in der Gemeindepolitik aktiv, weil ich nicht nur kritisieren, sondern aktiv mitgestalten wollte. Politisches Interesse hatte ich schon immer.
Welche großen Themen haben Algund in Ihrer Amtszeit besonders geprägt?
Es gab viele zentrale Themen: die soziale Entwicklung, Mobilität, Nachhaltigkeit und Klimaschutz, Wirtschaft, Migration und Bildung.
Lassen Sie uns mit dem Sozialen beginnen. Was wurde in Algund in diesem Bereich erreicht?
Algund war Vorreiter bei der Initiative „Housing First“ für obdachlose Personen in Zusammenarbeit mit der Bezirksgemeinschaft. Bei Housing First ist Wohnen nicht das Endziel, sondern der Ausgangspunkt der Hilfe. Die Personen sind dabei direkte Mieter der Wohnung. Sie werden begleitet und unterstützt, um sich leichter Richtung eines normalen Lebens zu entwickeln. Wir haben in den vergangenen Jahren auch bis zu 25 Ukrainer aufgenommen und erfolgreich integriert. Dafür danke ich allen, die mitgeholfen habe, dass Integration gelingt. Wichtig ist, dass die Menschen schnell die Sprache lernen und Arbeit finden. Die Jugendarbeit hatte für uns eine hohe Priorität: Wir haben einen Jugendgemeinderat ins Leben gerufen und eine Naherholungszone oberhalb des Schwimmbads für junge Menschen geschaffen. Der Jugendtreff verfügt inzwischen über zwei hauptamtliche Mitarbeiter. Geplant ist zudem ein neues Kulturzentrum mit modernem Jugendtreff beim Thalguterhaus, das als Treffpunkt für junge Menschen und Kulturinteressierte dienen und kreative Projekte sowie Veranstaltungen ermöglichen soll. Ergänzend dazu bietet die Sport- und Naherholungszone in Algund vielfältige Möglichkeiten für junge Menschen. Neben einem Abenteuerspielplatz gibt es auch eine Minigolf- und eine Filzgolfanlage. In unmittelbarer Nähe befinden sich zudem ein Fußball- und ein Volleyballplatz. Insgesamt hat Algund heute 8 Spielplätze für Kinder, vom Waldspielplatz in Vellau bis zum Abenteuerspielplatz in der Naherholungszone. Dafür wurden wir 2022 auch mit dem VKE-Preis „Kinderfreundliche Gemeinde Südtirols“ ausgezeichnet. Auch für Senioren haben wir viel getan: 14 betreute Wohnungen wurden im alten Dorf gebaut, damit ältere Menschen autark leben können. Das Seniorenheim ist unser nächstes großes Projekt. Es soll energetisch saniert und erweitert werden. Der Seniorenclub ist ebenfalls sehr aktiv und es gibt Kooperationen mit den lokalen Vereinen, um die sozialen Ressourcen der Gemeinde besser zu nutzen.
Ein großes Thema in Algund ist der Verkehr. Welche Lösungen sehen Sie?
Das Nadelöhr zwischen Algund und Töll kann langfristig nur durch eine Umfahrung, also eine Untertunnelung von Forst gelöst werden. Leider ist dies aktuell keine Priorität des Landes, aber die Gemeinde muss dranbleiben. In meiner Amtszeit haben wir bereits Maßnahmen zur Entlastung umgesetzt: Die Weingartner Straße wurde neugestaltet, eine Schulstraße eingerichtet und die Alte Landstraße soll jetzt rückgebaut werden. Mobilität ist nur zu lösen, wenn weniger Autos unterwegs sind, daher setzen wir auf den Ausbau des Fahrradnetzes und fußgängerfreundliche Wege. Zudem arbeiten wir an einem Konzept zur Förderung des öffentlichen Nahverkehrs und der Elektromobilität. Das alles passiert nicht von heute auf morgen und muss durch stetes Mitdenken bei jeder Baumaßnahme in kleinen Schritten erfolgen.
Welche Fortschritte gab es im Bereich Nachhaltigkeit?
Wir haben auf den öffentlichen Gebäuden 14 Photovoltaikanlagen installiert und zwei kleine E-Werke errichtet, was der Gemeinde große Kosteneinsparungen bringt. Die Hälfte unseres Strombedarfs wird so über unsere Anlagen gedeckt. Unser Ziel ist es, von fossilen Brennstoffen wegzukommen: Statt Öl- und Gasheizungen setzen wir auf Pelletsheizung, Wärmepumpen und Fernwärme aus Meran. Nachts zwischen 1 und 5 Uhr wird in Algund die öffentliche Beleuchtung weitgehendst ausgeschaltet, um Energie zu sparen und unser Geld nicht zum Kauf von Waffen in die Welt zu schicken. Die Bürgerenergiegenossenschaft Burggrafenamt wurde gegründet, um Energie vor Ort zu tauschen und die Wertschöpfung in der Region zu halten. Ein weiteres wichtiges Thema ist die Verlegung der Hochspannungsleitungen unter die Erde, im Küchelbergtunnel z.B. wird die Terna-Leitung, die über Algund verläuft, neu mitverlegt. Nachhaltigkeit bedeutet für uns aber auch, dass Bauprojekte ressourcenschonend umgesetzt werden – daher setzen wir auf Holzbauweise und ökologische Materialien, die auch die Gesundheit und das Wohlbefinden der Bewohner fördert.
Die beliebte Naherholungszone
Der preisgekrönte Kindergarten in Holzbau
Und wie sieht es im Bereich Wohnen und Bauen aus?
Algund gehört zu den Gemeinden, wo nicht die höchsten Mietpreise bezahlt werden. Dies liegt unter anderem daran, dass viele Vermieter den reduzierten Steuersatz in Anspruch nehmen und diese Ersparnis den Mietern weitergeben. Gleichzeitig wurde ein bewusster Kurs gegen exzessiven Bauboom eingeschlagen, während gezielt sozialer Wohnraum geschaffen wurde – über 100 Sozialwohnungen stehen der Bevölkerung inzwischen zur Verfügung. Aktuell werden mehrere Wohnungen in den älteren Wohnbauzonen verwirklicht.Auch im Bildungsbereich wurden in den letzten Jahren bedeutende Modernisierungen umgesetzt. Die Kindergärten in Forst und Mühlbach wurden saniert und erweitert, um zeitgemäße Betreuungsmöglichkeiten zu gewährleisten. Besonders hervorzuheben ist der Kindergarten im Stenizerweg, dessen Planung durch das Architekturbüro „Feld 72 Architekten ZT GmbH“ mit dem renommierten „Wood Architecture Prize“ ausgezeichnet wurde. Ein zentrales Projekt der neuen Gemeindeverwaltung wird die umfassende Sanierung und Erweiterung der Schule sein. Parallel dazu sind ehrgeizige Pläne für ein neues Kulturzentrum in Arbeit, das eine moderne Bibliothek sowie ein Jugendzentrum umfassen soll. Dabei setzt die Gemeinde konsequent auf nachhaltige Bauweisen: Sowohl die Schule als auch das Kulturzentrum sollen in Holzbauweise errichtet und nach höchsten ökologischen Standards realisiert werden. Das Kultur- und Jugendzentrum wird nicht nur eine Bibliothek und Jugendräume enthalten, sondern auch ein Veranstaltungszentrum mit flexiblen Räumen für Workshops, Konzerte und Vorträge. Die Idee ist, einen modernen Treffpunkt für alle Generationen zu schaffen, der das kulturelle Leben in Algund bereichert und jungen Menschen eine Plattform bietet.
Kultur und Bildung scheinen in Algund eine große Rolle zu spielen.
Ja, wir haben viele starke und lebendige Vereine mit einem reichhaltigen Programm. Algund verfügt über eine sehr gute Infrastruktur für Veranstaltungen aller Art, von Maturabällen bis hin zu Konzerten. Zur Stärkung des Vereinslebens wurde 2010 der Verein „Algund Aktiv“ gegründet, der die Zusammenarbeit zwischen den Vereinen fördert und das Dorfleben mit verschiedenen Initiativen und Veranstaltungen bereichert. Seit 2016 ist „Algund Aktiv“ auch für das Dorfmarketing verantwortlich und arbeitet eng mit der Vereinshaus GmbH zusammen. Derzeit sind 15 Algunder Vereine Mitglied, und eine Teilzeitangestellte unterstützt die Organisation. Auch die werkSTOTTschual in Aschbach in Zusammenarbeit mit der Landesberufsschule und weiteren Schulen im Meraner Raum wird ein wichtiger Lern- und Begegnungsort für den ganzen Bezirk werden. Aus dem ehemaligen Widum haben wir nicht nur einen besonderen Lernort, sondern auch einen ganz besonderen Ort der Begegnung für Alt und Jung verwirklicht.
Algunds Dreifachturnhalle ist ein wichtiger Treffpunkt
Pfarrer Josef Wieser betreut die Seelsorgeeinheit Algund und Nachbargemeinden
Wie steht es um die Digitalisierung und Wirtschaft?
Ganz Algund wird bis Ende des Jahres mit Glasfaserbreitband versorgt sein und auch in der Gemeindeverwaltung wird laufend an Erleichterung mit Digitalisierung für die Bürger gearbeitet. Wir haben eine starke Mischung aus Handwerk, Handel, Tourismus und Landwirtschaft. Die Brauerei Forst und das Einkaufszentrum ALGO sind unter anderem wichtige Arbeitgeber, sodass Algund jetzt mehr Arbeitsplätze hat als arbeitende Bevölkerung. Durch unsere eigene Sennerei bleibt die Wertschöpfung in der Region. Der Tourismus hat sich moderater entwickelt als in der Nachbarschaft und stärkt durch unsere Familienbetriebe das Gefüge innerhalb der Dorfgemeinschaft. Wir setzen verstärkt auf regionale und biologische Kreisläufe und die Förderung lokaler Betriebe.
Welche Zukunftsprojekte sind für Algund besonders relevant?
Die großen Projekte für den neuen Gemeinderat sind z.B. die Erweiterung des Seniorenheims, der Bau des Jugendzentrums und der Bibliothek, die Verkehrsberuhigung und die Schulsanierung. Zudem sollten wir weiterhin in nachhaltige Infrastrukturmaßnahmen investieren und Algund als lebenswerten Ort weiterentwickeln. Das Wichtigste für die nächste Zeit ist aber sicherlich für die Bevölkerung die Lebensqualität zu erhalten und auszubauen und unseren jungen Algundern ermöglichen, ihr Leben in unserer Gemeinde zu verwirklichen.
Werden Sie sich weiterhin politisch engagieren?
Ja, ich werde weiterhin, wenn gewünscht im Gemeinderat mitarbeiten, denn viele Projekte liegen mir am Herzen. Mein Wunsch ist, dass der neue Gemeinderat ebenso gut zusammenarbeitet wie bisher. Ich möchte meine Erfahrung einbringen und dazu beitragen, dass Algund auch in Zukunft gut aufgestellt ist.