Durch eine Kombination verschiedener Strategien und Maßnahmen kann der CO2-Ausstoß im Bereich Verkehr und Mobilität deutlich gesenkt werden, während gleichzeitig die Lebensqualität in urbanen Gebieten verbessert wird.
von Markus Auerbach
Ein Interview mit dem Leiter der Abteilung „Green Mobility“ in der STA – Südtiroler Transportstrukturen AG, Harald Reiterer.
Harald Reiterer
Herr Reiterer, der Verkehrssektor ist ein wesentlicher Verursacher von CO2-Emissionen. Welche konkreten Maßnahmen plant das Land Südtirol, um den CO2-Ausstoß zu reduzieren?
Das Land kann die Weichen dafür stellen, um umweltfreundliche Alternativen zum eigenen Auto so attraktiv zu machen, dass sie gerne genutzt werden.Letztendlich entscheiden aber die Bürger selbst, wie sie von A nach B kommen. D. h. jeder muss sich überlegen, ob er mit dem Zug, dem Bus, dem Fahrrad oder mit dem eigenen Auto fährt. Das Land hat sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, bis 2040 klimaneutral zu werden. Um dieses Ziel zu erreichen, sind auch im Mobilitätsbereich eine Reihe von Maßnahmen erforderlich. So soll die Nutzung des öffentlichen Verkehrs bis 2037 verdoppelt werden. Erreicht werden soll dies durch eine generelle Attraktivitätssteigerung z. B. durch Taktverdichtung, mehr Sicherheit, gute Verlässlichkeit und einfache Nutzung. Land und STA arbeiten intensiv an einem Ausbau der Bahninfrastruktur in Südtirol. Wesentliche Eckpunkte sind dabei die Elektrifizierung der Vinschger Bahn, die Riggertalschleife ins Pustertal sowie der Ausbau der Strecke Bozen-Meran. Die Umsetzung dieser Projekte ermöglicht eine wesentliche Verbesserung der Verbindungen durch das Land mit kürzeren Fahrtzeiten und höheren Taktfrequenzen. Mit dem Ausbau der Bahnlinie Bozen-Meran wird es z. B. möglich sein, mit dem Zug in 45 Minuten von Naturns nach Bozen zu gelangen. Gleichzeitig macht die Digitalisierung das Reisen einfacher: Auf dem Handy sieht man jederzeit, wann der Bus oder der Zug tatsächlich kommt und mit dem Südtirol-Pass haben wir bereits ein weit verbreitetes und einfaches Ticketsystem.
Welche Rolle spielen alternative Verkehrsmittel, wie Fahrräder oder E-Scooter in Ihrer Strategie?
Vor allem Fahrräder sind ein zentrales Element. Sie ermöglichen gesunde Bewegung, sparen den Menschen viel Geld für die Fortbewegung und tragen zu gesunder Luft und ruhigen Dörfern und Städten bei. Während früher Radfahren vor allem als Freizeitsport galt, wird es heute – auch dank der E-Bikes – immer mehr zum beliebten Fortbewegungsmittel im Alltag. Darüber hinaus helfen auch sogenannte E-Scooter, also elektrisch betriebene Tretroller, kürzere Strecken zurückzulegen. Damit erleichtern sie auch die Kombination verschiedener Verkehrsmittel, wenn man beispielsweise mit dem Zug oder dem Bus anreist und dann noch eine mittlere Stecke zum Ziel zurücklegen muss.
Neben öffentlichen und alternativen Verkehrsmitteln – wie steht es mit der Einführung von Elektromobilität?
Die Elektromobilität ist ein weiterer wichtiger Baustein zur Verbesserung der Mobilität. Elektroautos sind leise, sehr angenehm zu fahren und über den gesamten Lebenszyklus von der Herstellung der Autos über den Betrieb bis zur Entsorgung in Summe deutlich umweltfreundlicher als Autos mit Verbrennungsmotoren. Das liegt vor allem daran, dass Elektromotoren wesentlich effizienter arbeiten als Verbrennungsmotoren, bei denen ein Großteil der eingesetzten Energie als Wärme verpufft. Für den Betrieb von Elektrofahrzeugen haben wir zudem die nötige Energie vor Ort: Strom können wir hier bei uns regenerativ erzeugen. So schonen wir nicht nur die Umwelt, sondern das Geld bleibt auch im Land. Hinzu kommt, dass fossile Energieträger wie Benzin und Diesel sehr umweltschädlich sind: Von der Förderung mit entsprechender Verseuchung vieler Fördergebiete über die Raffination und den aufwändigen und gefährlichen Transport bis hin zur unwiederbringlichen Verbrennung haben wir eine Kette von energieintensiven Umweltbelastungen.
Inwieweit ist die Sensibilisierung der Bürger für das Thema Klimaschutz und nachhaltige Mobilität wichtig und welche Herausforderungen sehen Sie in der Umsetzung entsprechender Maßnahmen?
Die Sensibilisierung der Bürger ist sehr wichtig. Gut informierte Menschen können bessere Entscheidungen treffen. Sie haben oft auch mehr Verständnis für bestimmte Maßnahmen. Die Herausforderung besteht darin, wie man nicht nur die Köpfe, sondern auch die Herzen der Menschen erreicht, denn nur dann ist eine wirkliche Veränderung möglich. Wir müssen uns bewusst sein, dass es beim Thema Nachhaltigkeit um unser eigenes Leben geht, um die Lebensqualität für uns und unsere Kinder.
Was raten Sie Südtirolern, um den eigenen CO2-Fußabdruck im Verkehr zu reduzieren?
Ich kann nur empfehlen, einfach mal etwas Neues auszuprobieren. Zum Beispiel für den Weg zur Arbeit statt mit dem Auto mit öffentlichen Verkehrsmitteln wie Bus oder Zug zu fahren. Für mittlere Distanzen bietet sich das Fahrrad an. Das gilt übrigens auch für das Wochenende: Auch hier bieten sich öffentliche Verkehrsmittel an, um die gewünschten Ziele zu erreichen. Man wird es schnell merken, dass die eingangs erwähnten Alternativen nicht nur gesünder und kostengünstiger sind, sondern im Grunde auch sehr angenehm sein können. Es ist zwar nicht immer alles perfekt, aber meistens funktioniert es ganz gut. Wenn ein neues Auto angeschafft wird, empfehle ich ein E-Auto zu kaufen. Eine weitere Möglichkeit, die Umwelt zu entlasten, ist das Carsharing. Der ADAC hat ausgerechnet, dass sich Carsharing für alle lohnt, die weniger als 10.000 Kilometer im Jahr oder weniger als 800 km im Monat fahren. Dann decken die Kosten für ein eigenes Auto bei einer Jahresfahrleistung von 10.000 Kilometern die Kosten, die beim Carsharing anfallen würden.
Ein Fahrplan für Morgen
Landesrat Daniel Alfreider
Südtirol steht vor der Herausforderung, eine nachhaltige und zukunftsorientierte Mobilität zu entwickeln. Angesicht des stetig wachsenden Verkehrsaufkommens und der damit zusammenhängenden Umweltbelastung ist es entscheidend, innovative Ansätze zur Reduzierung des Verkehrs zu finden.
Ziel ist es nicht nur, die Lebensqualität der Bevölkerung zu erhalten, sondern auch die einzigartige Natur- und Kulturlandschaft Südtirols zu schützen. Der Landesplan für nachhaltige Mobilität und Logistik bildet dabei einen zentralen Baustein. Ein Interview mit Daniel Alfreider, LR für Infrastruktur und Mobilität.
Herr Landesrat, welche Maßnahmen sollten Ihrer Meinung nach ergriffen werden, um den öffentlichen Personenverkehr in Südtirol attraktiver zu gestalten?
Viele Menschen wünschen sich eine stressfreie und pünktliche Möglichkeit, zur Arbeit, zur Schule oder nach Hause zu kommen. Genau das wollen wir ermöglichen. Für längere Strecken soll der Zug die erste Wahl sein – er ist zuverlässig, komfortabel und gut planbar. Deshalb investieren wir stark in die Schiene: Die Vinschger Bahn wird elektrifiziert, und durch die Riggertalschleife sparen sich die Fahrgäste aus dem Pustertal künftig das Umsteigen. Gleichzeitig brauchen wir für mittellange Strecken ein gut getaktetes Busnetz, das die Bahnhöfe perfekt ergänzt. Durch attraktive Tarife und gezielte Anreize soll der Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel gefördert werden. Ab 1. Juni kommt das neue Festpreis-Abo für alle Südtiroler. Dann wird die bereits günstige Öffi-Nutzung noch einmal attraktiver. Wer sich im Ort oder auf kurzen Strecken bewegt, soll sichere und gut ausgebaute Radwege vorfinden. Damit wird jeder Weg, egal ob kurz oder lang, einfach, umweltfreundlich und bequem.
Welche Rolle spielt die Integration von Bus, Bahn und anderen Verkehrsmitteln für die Zukunft des öffentlichen Verkehrs in Südtirol?
Jeder kennt das Problem: Der Zug kommt an, aber der Bus ist bereits abgefahren. Oder man findet keinen Platz fürs Fahrrad am Bahnhof. Genau hier setzen wir an. Ein nahtloses Zusammenspiel aller Verkehrsträger ist essenziell. Busse und Bahnen müssen optimal aufeinander abgestimmt sein, um Wartezeiten zu vermeiden. Mobilitätszentren und kleinere Mobilitätshubs (öffentlich zugängliche Knotenpunkte, an denen gemeinsam genutzte Fortbewegungsmittel zu jeder Zeit zur Verfügung stehen) verbessern die Anbindung und schaffen Parkmöglichkeiten für Fahrräder und Sharing-Angebote. Ein abgestimmtes Gesamtkonzept macht den öffentlichen Verkehr attraktiver und effizienter. Auf diese Weise fällt es leichter, den eigenen Wagen stehen zu lassen.
Warum sind intermodale Knotenpunkte und die Digitalisierung für die Mobilitätstransformation entscheidend?
Einfach umsteigen, ohne Stress weiterfahren – das ist das Ziel. Mobilitätszentren helfen dabei, weil sie Zug, Bus und Fahrrad an einem Ort zusammenbringen. Wer in den Zug steigt, kann sicher sein, dass es Anschlussmöglichkeiten gibt, und mit der Südtirolmobil-App wird alles noch einfacher: Fahrpläne checken, Tickets kaufen oder nachschauen, wann der nächste Bus kommt – alles in einer App. So wird öffentliche Mobilität nicht nur praktischer, sondern auch planbarer.
Welche Strategien könnten verfolgt werden, um empfindliche oder geschützte Gebiete vor den negativen Auswirkungen des Verkehrs zu schützen?
Südtirols Landschaft ist wunderschön – aber zu viel Verkehr kann sie belasten und schadet der Natur und der Gesundheit. Deshalb setzen wir auf eine smarte Verkehrslenkung. In touristischen Orten sollen Shuttle-Dienste und gute Bahnverbindungen den Autoverkehr verringern. Gleichzeitig bauen wir sichere Rad- und Wanderwege aus, damit auch für Freizeitwege nachhaltige Alternativen entstehen. Parkraumbewirtschaftung und emissionsarme Fahrzeuge im öffentlichen Verkehr sorgen zusätzlich dafür, dass sensible Gebiete geschützt bleiben. Am Beispiel Prad haben wir im Zusammenspiel mit der Gemeinde bewiesen, dass dies möglich ist, schrittweise folgen weitere Hotspots, die diesem Beispiel folgen.
Könnten Sie uns noch etwas zu den technischen Daten und der Finanzierung des neuen Mobilitätszentrums Meran sagen?
Das Mobilitätszentrum Meran wird ein zentraler Knotenpunkt für den öffentlichen Verkehr. Hier treffen sich Züge, Busse und Fahrräder, damit alle, die unterwegs sind, einfach umsteigen können. Besonders die Pendler profitieren: Wer morgens mit dem Zug fährt, kann sicher sein, dass er einen bequemen Anschluss in die Stadt hat – und abends genauso entspannt wieder nach Hause kommt.
Das Zentrum wird modern, barrierefrei und gut ausgestattet sein. Das Investitionsvolumen liegt bei 28 Millionen Euro und wird gemeinsam vom Land Südtirol, dem Staat und der EU finanziert. Es ist ein wichtiger Schritt für eine zukunftsfähige und nachhaltige Mobilität. Gemeinsam mit Mobilitätsstadträtin Katharina Zeller haben wir in den vergangenen Monaten wichtige Planungsschritte weitergebracht.