Die Gemeinde Tisens erstreckt sich über eine Fläche von etwa 39,18 km2 und zählt ca. 2000 Einwohner. Sie umfasst die Ortsteile Prissian, Grissian, Naraun, Gfrill und Platzers, wobei Prissian neben dem Hauptort Tisens die höchste Bevölkerungsdichte aufweist.
von Philipp Genetti
Besondere bekannt ist die Gemeinde für ihre historischen Baudenkmäler, vor allem in der Fraktion Prissian. Hier befindet sich z. B. Schloss Katzenzungen mit der berühmten Versoalnrebe, einer der ältesten und größten Weinrebe der Welt. Ein weiteres kulturelles Highlight ist die autochthone Tisner Edelkastanie, die alljährlich beim traditionellen „Keschtnriggl“ gefeiert wird,.
Auch die Sakralbauten im Hauptort ziehen Kunstinteressierte an. Die erste urkundliche Erwähnung der Pfarre Tisens stammt aus dem Jahr 1194. Zentrum des religiösen Lebens ist die Pfarrkirche „Maria Himmelfahrt“. Diese beherbergt neun Glasgemälde der berühmten Augsburger Schule, die um 1520 unter Pfarrer Veit von Niederthor, damals auch Domherr in Augsburg, in Auftrag gegeben wurden. Ein weiteres Wahrzeichen der Gemeinde ist die St.-Hippolyt-Kirche in Naraun. Der Hügel, auf dem die Kirche steht, zählt zu den ältesten Siedlungsplätzen Südtirols; Funde belegen eine Besiedlung bereits im 4. Jahrtausend vor Christus. Die Kirche selbst wurde 1288 erstmals urkundlich erwähnt. Aufgrund ihrer exponierten Lage ist sie ein beliebtes Ausflugsziel für Familien und Wandergruppen. Im Jahr 2020 wurde das historische Gasthaus neben der Kirche wiedereröffnet.
Tisens als Wirschaftsstandort
Aufgrund des milden Klimas und der zahlreichen Ausflugsmöglichkeiten ist die Gemeinde Tisens ein attraktiver Wohnort. Die Nahversorgung wird durch das Lebensmittelgeschäft von Naves Südtirol sichergestellt; außerdem befinden sich im Hauptort eine Apotheke, eine lokale Raiffeisenkasse und ein Postamt. Obwohl die Landwirtschaft, insbesondere der Obst- und Kastanienanbau, den größten Wirtschaftszweig darstellt, gibt es auch zahlreiche Handwerksbetriebe. Dazu zählen unter anderem der Ofensetzer Tobias Egger, die Schlosserei Mekon. Diese und viele andere Unternehmen tragen wesentlich zur wirtschaftlichen Vitalität des Standorts bei. Doch auch als Gesundheits- und Bildungsstandort hat sich die Gemeinde Tisens seit etlichen Jahren einen wichtigen Namen gemacht. Angefangen beim Alten- und Pflegeheim St. Michael, dem Reha-Zentrum „Salus“, der Hauswirtschaftsschule Frankenberg bis hin zur vieldiskutierten Palliativeinrichtung, die innerhalb der nächsten drei Jahre in Tisens entstehen soll.
Das Kinder-Palliativzentrum in Tisens
Das neue Kinderpalliativzentrum in Tisens kommt. Nach der Genehmigung durch die Landesregierung 2023 und der gesicherten Finanzierung wurde die Landesabteilung für Hochbau mit der Umsetzung beauftragt. Der Baubeginn ist für 2026 geplant, die Fertigstellung für 2027. Warum Südtirol diese Einrichtung so dringend braucht und was genau dabei geplant ist. Wir sprachen mit dem Gesundheitslandesrat Dr. Hubert Messner und dem Landesrat für Hochbau und Sanitätsbauten Christian Bianchi.
Herr Messner, wie hat sich die Palliativversorgung – insbesondere für Kinder und Jugendliche – in den letzten Jahren entwickelt?
LR Hubert Messner: Derzeit geht man aufgrund internationaler Studien und Erfahrungswerte davon aus, dass in Südtirol etwa 150 Kinder und Jugendliche eine Palliativbetreuung benötigen. Es ist davon auszugehen, dass sich die Zahl in Zukunft noch erhöhen wird, nicht zuletzt aufgrund der Fortschritte in der Neugeborenenmedizin. Die Betreuung erfolgt derzeit durch verschiedene Fachabteilungen der Krankenhäuser, darunter Neonatologie, Neugeborenenintensivstation, Pädiatrie und Kinderkardiologie. Ein interdisziplinäres Palliativteam, das derzeit in der Fagenstraße in Bozen angesiedelt ist, koordiniert die spezialisierte Betreuung und ermöglicht, wenn möglich, eine Betreuung im häuslichen Umfeld für ganz Südtirol. Die steigende Nachfrage zeigt sich in der zunehmenden Komplexität der Fälle und der Notwendigkeit, die Betreuungskapazitäten zu erweitern, was unter anderem mit dem neuen Palliativzentrum in Tisens umgesetzt werden soll.
Die Errichtung des neuen Kinderpalliativzentrums ist daher für ganz Südtirol von großer Bedeutung. Welche Rolle spielt diese Gesundheitseinrichtung in der Gesundheitsstrategie des Landes?
Hubert Messner: Das neue Kinderpalliativzentrum in Tisens ist ein zentrales Element der Südtiroler Gesundheitsstrategie und ergänzt die bestehenden Palliativ- und Betreuungsangebote. Es erweitert das Angebot über die klinisch-therapeutische Versorgung hinaus und legt einen besonderen Schwerpunkt auf die psychosoziale Betreuung. Da sich die Palliativversorgung von Kindern nicht nur auf die Patienten selbst, sondern auch deren Familien auswirkt, rechnet man mit 900 bis 1200 Betroffenen, die eine umfassende Begleitung und Entlastung benötigen. Das Zentrum bietet diesen Familien medizinische, therapeutische und psychologische Unterstützung in einer häuslichen Umgebung.
Landesrat Dr. Hubert Messner.
Welche konkreten Verbesserungen für die betroffenen Familien erwarten Sie durch diese Einrichtung? Warum ist die Errichtung dieser Einrichtung aus gesundheitspolitischer Sicht so wichtig?
Die Errichtung dieser Einrichtung ist von hoher gesundheitspolitischer Bedeutung, da sie eine Versorgungslücke schließt und einen ganzheitlichen Betreuungsansatz verfolgt. Die wichtigsten Verbesserungen sind: die Entlastung der betroffenen Familien durch eine wohnliche, nicht klinische Umgebung, in der sie Zeit miteinander verbringen können, die Begleitung beim Übergang von der Akutversorgung nach Hause, um eine kontinuierliche Betreuung zu gewährleisten, die Unterstützung in Krisensituationen, insbesondere wenn ein Sterben zu Hause nicht möglich ist, die psychologische Begleitung von Eltern und Geschwistern, um die emotionale Belastung zu reduzieren und die Verbesserung der Lebensqualität der betroffenen Familien, denn Studien zeigen, dass diese Situationen erhebliche Auswirkungen auf die Familienstruktur haben. Darüber hinaus trägt das Zentrum zur Entlastung des gesamten Gesundheitssystem bei, indem es Krankenhausaufenthalte reduziert und die Versorgung besser strukturiert.
Es ist bekannt, dass die Betreuung schwerstkranker Kinder hochqualifiziertes Personal erfordert. Gibt es Initiativen zur Ausbildung, Weiterbildung und Rekrutierung von Fachkräften für das Kinderpalliativzentrum?
Die Betreuung schwerstkranker Kinder erfordert speziell ausgebildetes Personal. Deshalb wird das interdisziplinäre Palliativzentrum des Krankenhauses Bozen auch die Leitung der neuen Einrichtung in Tisens übernehmen. Um Fachkräfte zu gewinnen gibt es gezielte Initiativen zur Aus- und Weiterbildung. Wichtig ist die sozialmedizinische Zusammenarbeit, d. h. die Integration mit den Diensten im Sozialbereich.
Sie sagten, dass das Palliativzentrum ein Teil des allgemeinen Gesundheitskonzepts wird und damit eine wichtige Versorgungslücke schließt. Wie wird sichergestellt, dass das Zentrum effizient mit Krankenhäusern, ambulanten Diensten und psychosozialen Angeboten zusammenarbeitet?
Das Kinderpalliativzentrum Tisens wird eng mit den bestehenden Gesundheitsdiensten vernetzt. Diese Zusammenarbeit erfolgt einerseits mit den Fachabteilungen des Krankenhauses Bozen, insbesondere der Neonatologie, Neugeborenenintensivstation, der Pädiatrie und der Kinderkardiologie, den ambulanten Palliativdiensten, um eine nahtlose Betreuung zwischen stationärer und häuslicher Versorgung zu ermöglichen, andererseits mit Universitätskliniken und externen Fachdiensten für besonders spezialisierte Behandlungen. Die zentrale Koordination erfolgt durch das bestehende interdisziplinäre Palliativeteam des Krankenhauses Bozen, um die Einbindung aller relevanten Akteure zu gewährleisten.
Für die Planung und Umsetzung des Palliativzentrums ist das Amt für Sanitätsbauten der Landesabteilung für Hochbau und technischer Dienst zuständig. Zuständiger Landesrat ist seit 2024 der ehemalige Bürgermeister von Leifers Christian Bianchi.
Landesrat Christian Bianchi.
Herr Landesrat, nachdem das Raumprogramm für den Neubau des Palliativzentrums bereits 2017 genehmigt wurde, musste dieses 2023 aufgrund gestiegener Baukosten und der Integration moderner Medizintechnik angepasst werden. Wie hoch sind die aktuellen Baukosten für dieses Projekt?
Christian Bianchi: Das erste Raumprogramm aus dem Jahr 2017 wurde mit einem Budget von rund 5 Mio. Euro genehmigt. Der ursprüngliche Kostenvoranschlag konnte jedoch nicht alle Kosten für die Realisierung dieses außergewöhnlichen Bauprojekts abdecken. Immerhin handelt es sich um eine hochwertige Pflegeeinrichtung auf Krankenhausniveau mit einer besonderen Raum-, Oberflächen- und Materialqualität, die eher an ein Hotel als an ein klassisches Krankenhaus erinnert. Die Gesamtkosten des Projekts, einschließlich Mehrwertsteuer, Planungs-, Bau-, Aushubarbeiten und sonstiger Kosten werden mittlerweile auf etwas mehr als 10 Mio. Euro geschätzt, und sind damit fast doppelt so hoch wie ursprünglich angenommen. Dieser Anstieg ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen. An erster Stelle stehen die stark gestiegenen Kosten für Baumaterialien. Aber auch die Anforderungen an das Projekt haben sich seit der ersten Planung deutlich verändert. Demnach wurde der Raumbedarf neu konzipiert, um den aktuellen Sicherheitsstandards zu entsprechen. Diese Anpassungen haben auch zu höheren technischen Kosten geführt, die in direktem Zusammenhang mit den gestiegenen Baukosten stehen.
Das Pallitativzentrum soll bis 2028 bezugsfertig sein. Welche Einrichtungen und medizinischen Bereiche wird die neue Gesundheitseinrichtung umfassen?
Das neue Palliativzentrum wird künftig fünf Kinder mit ihren Familien aufnehmen können. Es entstehen fünf kleine Einzelwohnungen mit Garten für die Patienten und ihre Familien, zahlreiche Räume für die Tagesklinik, das sogenannte „Day Hospital“, verschiedene Behandlungsräume mit Therapiebecken und Wintergarten, eine großzügige Grünfläche für die Tiertherapie und für die Freizeitgestaltung der Familien, mehrere Räume für die Verwaltung und das medizinische Personal, Lager- und Technikräume sowie Außenparkplätze für Mitarbeiter, Gäste und Besucher. In unmittelbarer Nähe der Hauswirtschaftsschule Frankenberg und der Ortsmitte von Tisens wird das Gebäude in sehr ruhiger Lage errichtet. Am Rande des angrenzenden Waldes ist außerdem auch ein kleiner Meditationsraum vorgesehen.
Was sind die Herausforderungen eines solchen Spezialgebäudes?
Die größte Herausforderung beim Bau einer solchen Einrichtung besteht darin, eine Atmosphäre zu schaffen, in der sich die Patienten und ihre Angehörigen trotz der speziellen medizinischen Ausstattung wie in einer ganz ganz normalen Wohnung fühlen. Um diesem Ziel gerecht zu werden, wurde bei der Planung des Projekts deshalb darauf geachtet, die medizinischen Einrichtungen so unauffällig wie möglich zu integrieren.
Die Gemeinde Tisens-Prissian ist bereits mit dem Alten- und Pflegeheim „St. Michael“ sowie der Privatklinik und dem modernen Rehabilitationszentrum „Salus“ in Prissian bereits ein beachtlicher Gesundheitsstandort im Land. Welche Voraussetzungen bietet die Gemeinde nun auch für ein Gesundheitsprojekt wie das neue Palliativzentrum für Kinder?
Mehrere Standorte wurden geprüft. Die Wahl fiel schließlich auf Tisens. Experten und Techniker kamen nach einer Analyse verschiedener Faktoren zu dem Schluss, dass dieser Standort die besten Voraussetzungen bietet. In Tisens stehen ausreichend Grünflächen zur Verfügung, die ideal für tiergestützte Therapien (Pet-Therapie) und zur Freizeitgestaltung genutzt werden können. Der Standort liegt in einer ruhigen, verkehrsfreien und geschützten Zone, die dennoch für Rettungsfahrzeuge gut erreichbar ist. Außerdem gehört das Grundstück dem Land, so dass es unkompliziert und sofort verfügbar ist.